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Starker Überzucker, schwache Muskeln: Wenn aus der diabetischen Neuropathie eine diabetische Amyotrophie wird

Erst ein neuropathischer Schmerz in Gesäß oder Oberschenkel, dann machen die Muskeln bei Ihrem Zuckerkranken schlapp: Das sollte Sie an eine diabetische Amyotrophie denken lassen. Darauf weisen Professor Dr. Apichai Wattanapisit von der Walailak-Universität im thailändischen Nakhon Si Thammarat und Kollegen anhand eines Fallbeispiels hin. Ihr 64-jähriger Patient hatte vor zehn Jahren die Diagnose eines Typ-2-Diabetes erhalten, seine Medikamente (1000 mg Metformin und 10 mg Glipizid täglich) allerdings nur unregelmäßig eingenommen. Seit einiger Zeit war er auch nicht mehr zur Blutzuckerkontrolle erschienen. Als er sich schließlich in der Klinik vorstellte, litt er bereits seit einem Monat unter einer zunehmenden Schwäche der Beine.
Die Nüchternglukose betrug 650 mg/dl
Zudem beschrieb der Patient Taubheit und Kribbeln in den Füßen und er hatte im vergangenen Monat 7 kg abgenommen. Inzwischen konnte er nicht mehr ohne Unterstützung gehen. In der körperlichen Untersuchung fiel eine reduzierte Kraft bei Hüftbeugung und Ellenbogenstreckung auf. Das Schmerzempfinden war nach einem Nadeltest normal, die tiefen Sehnenreflexe an Knie und Knöchel leicht verlangsamt.
Der Zuckerstoffwechsel war völlig entgleist, die Nüchternglukose lag bei 650 mg/dl, der HbA1c war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestimmt worden. Unter kontrollierter Insulintherapie im Krankenhaus ließ sich der BZ in kurzer Zeit unter Kontrolle bringen, die Muskelschwäche besserte sich so weit, dass der Mann bei Entlassung ohne Hilfe gehen konnte. Er wurde weiter auf Insulin eingestellt. Nach sechs Wochen nahm er zu Fuß den Kontrolltermin wahr. Die neurologische Untersuchung zeigte eine normale Muskelkraft und einen regulären Muskeltonus. Der Nüchtern-BZ lag bei 281 mg/dl, der HbA1c bei 10,9 %. Vier Wochen später war der Stoffwechsel mit einer Nüchternglukose von 121 mg/dl und einem HbA1c von 6,6 % praktisch wieder im Lot.
Eine solche diabetische Amyotrophie trifft weniger als 1 % aller Diabetiker und eher Männer als Frauen. Die Diagnose lässt sich recht einfach klinisch stellen. Typisch ist zunächst der häufig einseitig beginnende neuropathische Schmerz im unteren Rücken oder den Beinen, begleitet von einem Gewichtsverlust. Einige Wochen später zeigt sich die Muskelschwäche, die wohl auf der Gewichtsabnahme beruht und über Monate anhalten kann. Ursächlich vermutet man eine Mikrovaskulitis durch Hyperglykämie. Weiterführende neurologische Untersuchungen helfen, andere Ursachen auszuschließen. Therapeutisch stehen eine gute BZ-Einstellung, Schmerztherapie und Physiotherapie im Vordergrund.
Quelle: Wattanapisit A et al. BJGP Open 2020; DOI: 10.3399/bjgpopen20X101026
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