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Steigert Schlaflosigkeit die Suizidgefahr?
Nicht allein, dass etwa ein Drittel der Bevölkerung unter Schlaflosigkeit leidet – auch die durchschnittliche Schlafdauer sinkt, wie Privatdozentin Dr. Christine Norra von der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin der Universität Bochum berichtete. Jeder Fünfte schläft kürzer als sechs Stunden, nur rund 15 % kommen auf acht Stunden und mehr. Schichtarbeit und Reisen über mehrere Zeitzonen fördern das Problem noch.
Fünfach erhöhtes Suizidrisiko durch multiple Schlafstörung
Mittlerweile gibt es eine Reihe epidemiologischer Studien, die einen Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Suizidalität zeigen. Erst kürzlich berichteten dänische Kollegen über ein fünffach erhöhtes Suizidrisiko bei Männern, die drei oder mehr Schlafprobleme aufwiesen. Und japanische Forscher führen die steigenden Suizidraten in ihrem Land auf die immer kürzere Schlafdauer zurück. Allerdings wurde in den meisten Studien die Schlafqualität nicht polysomnographisch verifiziert, räumte Dr. Norra ein.
Dass Albträume weder der Schlafqualität noch der Seele guttun, versteht sich von selbst. Studien belegen aber auch, dass sie das Suizidrisiko deutlich erhöhen: Schon gelegentliche Albträume steigern das Risiko um mehr als die Hälfte, regelmäßige Albträume verdoppeln es, besagt eine große finnische Studie. Noch stärker ist der Effekt, wenn die Betroffenen an psychiatrischen oder somatischen Erkrankungen leiden.
Unter CPAP-Therapie schwand die Depression
Als Bindeglied zwischen Schlafstörungen und Suizidalität wird das serotonerge System diskutiert, erklärte die Psychiaterin. Serotonin moduliert nicht nur die Stimmung, sondern auch den Schlaf-Wach-Rhythmus. Ein Mangel daran führt zu Depression und Insomnie, verstärkt Aggressivität und Suizidalität. Wird eine Behandlung mit serotonerg wirksamen Antidepressiva abrupt beendet, steigt das Suizidrisiko bis zum Fünffachen an.
Es liegt nahe, dass eine Behandlung der Schlafstörungen auch das Suizidrisiko sinken könnte. Systematisch untersucht ist das jedoch noch nicht. Dr. Norra konnte über einen 74-Jährigen mit depressiver Symptomatik und Suizidgedanken berichten, der wegen einer obstruktiven Schlafapnoe eine CPAP-Behandlung erhalten hatte. Depressionen wie auch Suizidalität verschwanden darunter binnen zwei Wochen komplett und anhaltend. Eine antidepressive Medikation oder Psychotherapie hatte der Patient abgelehnt.
Suizidrisiko durch Hypnotika verstärkt
Man könnte auf die Idee kommen, schlafgestörten Depressiven einfach ein Schlafmittel zu verordnen und so zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Das funktioniert nur leider nicht: Die Einnahme von Hypnotika scheint das Suizidrisiko sogar zu verstärken – besonders bei Älteren. In einer Studie erwies sie sich als stärkerer Prädiktor für Suizide und Suizidversuche als die Schlaflosigkeit selbst. In Arzneimittelstudien wird dies aber bisher zu selten abgefragt, so Dr. Norra.
Möglicherweise können aber verhaltenstherapeutische und schlafmedizinische Interventionen helfen. Und noch eine Anregung von Dr. Norra: Gesundheitskampagnen für einen längeren Nachtschlaf könnten suizidpräventiv wirken.
Quelle: 20. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V.
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