Therapie im Wandel

Dr. Elke Ruchalla/Dr. Susanne Gallus

Pharmakotherapien beim Diabetes werden zukünftig immer effektiver sein. Pharmakotherapien beim Diabetes werden zukünftig immer effektiver sein. © Maya Kruchancova – stock.adobe.com

Die Zahl der Diabetespatienten wächst. Die der Antidiabetika auch. Es ist daher gar nicht so einfach, bei den ganzen Alternativen und Darreichungsformen auf dem Laufenden zu bleiben.

In den vergangenen Jahren hat sich in der pharmakologischen Diabetestherapie einiges getan. Derzeit viel berichtet wird über SGLT2-Hemmer und GLP1-­Rezeptoragonisten. Doch es gibt weitere Hoffnungsträger, schreiben Professor Dr. Michael Nauck, Diabetologe am Katholischen Klinikum, St. Josef-Hospital der Ruhr-Universität Bochum, und seine Kollegen.

Nachteil der peptidbasierten GLP1-Rezeptoragonisten war bisher die subkutane Verabreichung. Mittlerweile existiert eine orale Variante von Semaglutid. Die Anwendung erfordert aufgrund der bisher noch niedrigeren Bioverfügbarkeit etwas Disziplin: Einnahme mit einem Glas Wasser (120 ml) auf nüchternen Magen. In den folgenden 30 min sollten weder Flüssigkeit oder Nahrung konsumiert noch andere Medikamente eingenommen werden. Die Effekte auf Zucker und Gewicht ähneln denen der einmal wöchentlichen Injektion.

Außerdem gibt es präklinische Studien zu Small Molecules, die mit dem GLP1-Rezeptor interagieren und somit ebenfalls problemlos oral verfügbar wären. Auf der anderen Seite stehen die Überlegungen, direkt subkutane GLP1-Depots anzulegen, um eine stabile Plasmakonzentra­tion zu erreichen.

Warum nur an einer Stellschraube drehen?

Auch 100 Jahre nach der Einführung von Insulin ist dessen Geschichte nicht auserzählt. Die Erwartungen an das „smarte“ Insulin (siehe Kas­ten) sind groß. Parallel erhofft man sich von Wirkstoffen, die an mehreren Stellschrauben gleichzeitig ansetzen, bessere Effektivität.

Intelligente Insulindepots

Die Idee hinter den „smarten“ Insulinen ist schlau: Sie beruht auf einem subkutan (z.B. schmerzfrei über Micro-Needling) angelegten Depot, aus dem bedarfsgerecht Insulin abgegeben wird. Das Hormon ist je nach gewähltem Ansatz in winzige Vesikel oder in ein Gel eingeschlossen. Bei steigendem Glukosespiegel dissoziiert die „Verpackung“ aufgrund chemischer Prozesse und Insulin wird freigesetzt. Die abgegebene Insulinmenge ist dadurch abhängig von der Glukosekonzentration. Allerdings sind diese Präparate noch in einer frühen Entwicklungsphase – gleich morgen oder übermorgen werden sie nicht auf den Markt kommen.

So gibt es Ansätze, die die Wirkung von GLP1-Rezeptoragonisten und DPP4-Hemmern kombinieren. Dazu gehören G-Protein-gekoppelte Rezeptoragonisten (u.a. GPR119-Agonisten) oder GLP1-Sekretagogen. Erstere haben es bisher zumindest in Phase-2-Studien geschafft. Indem man zukünftig pharmakologisch auf mehrere endopankreatische Rezeptoren abzielt, so die Hoffnung der Wissenschaftler, könnte eine Remission für mehr Patienten in greifbare Nähe rücken. Die Outcomes einer solchen Therapie ähneln vermutlich denen nach einer bariatrischen Operation, die ihrerseits einen Teil ihrer Wirkung dadurch erzielt, dass die Sekretion verschiedener gastrointestinaler Hormone (z.B. GLP1, Glukagon, glukoseabhängiges insulinotropes Peptid und Peptid YY) beeinflusst wird. Eine solche Eigenschaft zeigt z.B. Oxyntomodulin, ein Proglukagonfragment, das im Körper mit GLP1- und Glukagonrezeptoren interagiert. Einen anderen Ansatzpunkt wählt Imeglimin. Der Abkömmling des Metformins scheint die Insulin­sekretion aus dem Pankreas zu verbessern, die Insulinsensitivität v.a. in den Skelettmuskeln zu erhöhen, eine Insulinresistenz zu verhindern und die hepatische Glukoneogenese zu unterdrücken. Darüber hinaus zeigt es positive Effekte auf Lipidprofil und Herzfunktion. Hintergrund dieser Wirkung könnte eine verbesserte Mitochondrienfunktion in der Leber und den Betazellen sein: Imeglimin fängt dort u.a. die freien Radikale ab und verhindert so Schäden durch reaktive Sauerstoffspezies. Leider senkt es den HbA1c-Wert nur mäßig. Dennoch geben die vielen verschiedenen Wirkungen auf verschiedene Zellen und Organellen Grund zur Hoffnung auf eine mögliche neue Wirkstoffklasse, die Glimine. Andere Substanzen haben die in sie gesetzten Erwartungen bisher nicht so richtig erfüllen können oder besitzen ein schlechtes Nutzen-Risiko-Verhältnis und spielen in der Diabetestherapie daher keine große Rolle. Dazu gehören Thiazolidindione (PPAR-Agonisten), Glukagon-Rezeptoragonisten, Glukokinaseaktivatoren und Inhibitoren der 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase. Weitere Ansätze wie der, sich die positive Wirkung von Adiponektin bzw. FGF21 und FGF1 gezielt zunutze zu machen, haben es (noch) nicht aus der experimentellen Phase geschafft. Kurz erwähnt werden sollten auch die beobachteten positiven Wirkungen anderer Medikamentenklassen (u.a. Antitussiva, Krebsmedikamente), deren Effekte man sich in der Diabetologie der Zukunft ebenfalls zunutze machen könnte.

Quelle: Nauck MA et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2021; 9: 525-544; DOI: 10.1016/S2213-8587(21)00113-3

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Pharmakotherapien beim Diabetes werden zukünftig immer effektiver sein. Pharmakotherapien beim Diabetes werden zukünftig immer effektiver sein. © Maya Kruchancova – stock.adobe.com