Therapien gegen unkontrollierten Urinverlust

Dr. Andrea Wülker

Unwillkürlicher Urinverlust kann das Berufs- und Privatleben empfindlich stören und zur sozialen Isolation führen. Unwillkürlicher Urinverlust kann das Berufs- und Privatleben empfindlich stören und zur sozialen Isolation führen. © lijphoto - stock.adobe.com

Harninkontinenz betrifft Millionen Menschen und kann die Lebensqualität erheblich einschränken. Je nach Ursache stehen konservative Therapien wie Physiotherapie oder medikamentöse Behandlungen zur Verfügung. Reichen diese nicht aus, helfen operative Eingriffe wie TVT, künstlicher Sphinkter oder Botulinumtoxin-Injektionen.

Unwillkürlicher Urinverlust kann das Berufs- und Privatleben empfindlich stören und zur sozialen Isolation führen. Doch es gibt eine Reihe von Behandlungsmöglichkeiten. Wenn konservative Maßnahmen ausgeschöpft sind, sollte man unbedingt über eine operative Therapie nachdenken.

Rund zehn Millionen Menschen sind in Deutschland von Inkontinenz betroffen, Frauen häufiger als Männer. Doch nur jede fünfte betroffene Frau traut sich, mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt über das Problem zu sprechen, schreibt Prof. Dr. Tilman Kälble vom Klinikum Fulda. Das sei bedauerlich, denn eine Harninkontinenz könne immer gelindert und sehr oft beseitigt werden.

Belastungsinkontinenz

Urinabgang beim Lachen, Husten oder Pressen spricht für eine Stress- bzw. Belastungsinkontinenz. Betroffene Frauen profitieren zumindest bei leichteren Formen von einer Physiotherapie für den Beckenboden. Außerdem können eine Stuhlregulierung und (bei adipösen Frauen) eine Gewichtsabnahme hilfreich sein. Sofern keine Kontraindikationen wie etwa ein Mammakarzinom vorliegen, kann man postklimakterischen Frauen eine lokale Östrogentherapie empfehlen. Harnröhre und Beckenboden lassen sich von der Vagina aus mit einem Pessar unterstützen.

Bleibt die konservative Therapie wirkungslos oder ist die Stressinkontinenz bereits sehr ausgeprägt, gilt heute eine minimal-invasive Schlingenoperation wie TVT (tension-free vaginal tape) oder TOT (transobturator tape) als Methode der Wahl. Der Eingriff dauert knapp eine halbe Stunde und lässt sich oft ambulant durchführen. Eine solche Schlingenoperation führt in 80–90 % langfristig zum Erfolg, vorausgesetzt, eine Dranginkontinenz wurde sicher ausgeschlossen. Bei hohem OP- oder Anästhesierisiko können sogenannte bulking agents in die Submukosa der Harnröhre gespritzt werden, jedoch sind die Erfolgsaussichten mit 26 % eher mäßig. Bei Frauen mit einem urogenitalen Deszensus oder Prolaps sollte eine anatomische Korrektur erfolgen, die allerdings eine De-novo-Stressinkontinenz auslösen kann. Auch in diesen Fällen hilft ein suburethrales Band (TVT oder TOT).

Männer können ebenfalls eine Stressinkontinenz entwickeln – meist nach einer radikalen Prostatektomie. Zunächst müssen diese Patienten mit Hilfsmitteln (Inkontinenzmaterialien) versorgt werden. Unmittelbar nach der Prostata-OP hilft auch Physiotherapie, ggf. unterstützt durch eine Elektrostimulationstherapie. Als weitere konservative Maßnahmen nennt Prof. Kälble Biofeedback, Elektromagnetfeldstimulation und medikamentöse Therapien.

Wenn konservative Methoden nicht den gewünschten Erfolg bringen, stehen verschiedene operative Therapien zur Verfügung. Die umfangreichsten Langzeiterfahrungen liegen zum artifiziellen Blasenschließmuskel vor. Bei diesem Verfahren wird eine Silikonmanschette um die Harnröhre gelegt, die der Patient von Hand über eine kleine Pumpe öffnen und somit die Blase entleeren kann. Damit kann die Kontinenz bei 80 % der Betroffenen wiederhergestellt werden. Allerdings sind die Revisionsraten nach dieser OP im Langzeitverlauf mit bis zu 29 % relativ hoch.

Eine Alternative zum künstlichen Sphinkter sind Operationen, bei denen adjustierbare oder nicht adjustierbare Schlingen eingelegt werden. Sie sollen dafür sorgen, dass die hintere Harnröhre mit dem Blasenhals wieder in die ursprüngliche Position kommt bzw. die bulbäre Harnröhre angehoben wird. Die Langzeitergebnisse sind aber nicht so gut wie beim künstlichen Schließmuskel.

Dranginkontinenz

Was tun, wenn Frauen über eine Dranginkontinenz klagen? Hier ist häufig ein Östrogenmangel im Spiel. Daher sollte die Frauenärztin oder der Frauenarzt entscheiden, ob lokal oder systemisch Östrogene substituiert werden können. Zudem lässt sich die Dranginkontinenz mit Parasympatholytika behandeln, die aber oft zu Mundtrockenheit und Verstopfung führen. Besser verträglich, jedoch nicht ganz so wirksam, ist das Sympathomimetikum Mirabegron. Wenn die genannten Medikamente nicht ausreichend helfen, kann Botulinumtoxin via Zystoskopie in den Blasenmuskel gespritzt werden. Das bremst die Überaktivität der Blase sehr gut und senkt die Miktionsfrequenz. Allerdings muss Botulinumtoxin alle sechs bis neun Monate erneut injiziert werden. Ein aufwendiges Verfahren zur Behandlung der overactive bladder ist die sakrale Neuromodulation. Sie sollte allerdings spezialisierten Kliniken vorbehalten bleiben.

Eine überaktive Blase bei Männern kann als Folge einer vergrößerten Prostata (BPH) auftreten, durch die die Blasenentleerung gestört ist. Andererseits kommt es im Alter zu Veränderungen der muskulären und nervalen Strukturen, sodass auch ohne BPH eine overactive bladder resultieren kann. Bei der Diagnostik hilft die urodynamische Messung: Ergibt diese neben einer motorischen Detrusoraktivität bei einer gewissen Füllung einen hohen Blasendruck, muss zuerst der subvesikale Auslasswiderstand durch eine transurethrale Prostataresektion oder Laserenukleation beseitigt werden. Ist dies nicht der Fall, kann man auf die Entfernung der Prostata verzichten und Parasympatholytika bzw. Mirabegron geben. Auch Botulinumtoxin wirkt. Jedoch ist das Risiko eines Harnverhalts nach Injektion bei Männern deutlich höher als bei Frauen.

Quelle: Kälble T. Hessisches Ärzteblatt 2024; 85: 656-659

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Unwillkürlicher Urinverlust kann das Berufs- und Privatleben empfindlich stören und zur sozialen Isolation führen. Unwillkürlicher Urinverlust kann das Berufs- und Privatleben empfindlich stören und zur sozialen Isolation führen. © lijphoto - stock.adobe.com