
Tinnitus, Hörstörungen, Schwindel?
Ototoxizität bedeutet reversible oder irreversible Störungen der Innenohrfunktionen infolge der Einwirkung von chemischen, biologischen oder physikalischen Noxen. In vielen Fällen gehen Störungen der Innenohrfunktion auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zurück. Aber auch andere Faktoren wie Virusinfekte („Grippeotitis“), Strahlentherapie, Gefahrstoffe am Arbeitsplatz oder Genussmittel können das Innenohr schädigen (s. Kasten).
Hohes ototoxisches Potenzial von Aminoglykosid-Antibiotika
Die Substanzgruppe der Aminoglykosid-Antibiotika (z.B. Gentamicin, Neomycin, Amikacin, Tobramycin, Kanamycin und Netilmicin) ist bezüglich ihrer ototoxischen Auswirkungen am besten untersucht. Die antiinfektiösen bzw. antimikrobiellen Mittel sind u.a. gegen Staphylokokken, Enterobakterien und Pseudomonas aeruginosa hocheffektiv. Die Substanzen werden bei schweren bakteriellen Infektionen, z.B. Endokarditis, Lungeninfektionen, Meningitis und bei Patienten mit zystischer Fibrose eingesetzt.
Gefahrstoffe am Arbeitsplatz als Ursachen |
Im klinischen Alltag spielen medikamenteninduzierte ototoxische Wirkungen die wichtigste Rolle. Hör- und Gleichgewichtsfunktion können aber auch durch bestimmte Gefahrstoffe am Arbeitsplatz oder Genussmittel beeinträchtigt werden:
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Doch Aminoglykoside schädigen die äußeren Haarzellen in der Cochlea und im Gleichgewichtsorgan irreversibel. Während Gentamicin vor allem vestibulotoxisch wirkt, steht bei Amikacin, Neomycin und Kanamycin der cochleotoxische Effekt im Vordergrund, erläutern der in Sulzbach niedergelassene HNO-Facharzt Professor Dr. Leif Erik Walther und Kollegen.
Symptome erst nach antibiotischer Therapie
Da Aminoglykoside in der Innenohrflüssigkeit langsamer abgebaut werden als im Serum, treten mögliche ototoxische Symptome wie Tinnitus, Hörstörungen und „Schwindel“ meist erst nach einer Latenzzeit auf – oder sogar nach Beendigung der antibiotischen Therapie. Wichtig zu wissen ist, dass für Aminoglykosid-Antibiotika Ototoxizitäts-Grenzdosen bekannt sind. Werden diese Gesamtdosen eingehalten, ist das Risiko einer Innenohrschädigung relativ gering (s. auch Fachinformationen).
Aus der Gruppe der Salizylate gehört Acetylsalicylsäure (ASS) zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Medikamenten. Salizylate hemmen die zelluläre Motilität der äußeren Haarzellen, außerdem drosselt ASS die Durchblutung der Cochlea und fördert die Apoptose. Bei Einnahme hoher ASS-Dosierungen (> 2 bis 3 g/Tag) kann es zu Symptomen wie Hörminderung, Tinnitus oder „Schwindel“ kommen. Nach Absetzen des Medikaments bilden sich diese unerwünschten Arzneimitteleffekte wieder zurück.
Ebenfalls reversibel sind die durch Schleifendiuretika wie Furosemid ausgelösten ototoxischen Wirkungen. Schleifendiuretika blockieren in der Cochlea einen Natrium-Kalium-Ionentransporter und führen im Gleichgewichtsorgan zu einer Elektrolytverschiebung sowie zu Veränderungen der Potenzialdifferenz. Klinisch macht sich die Ototoxizität der Schleifendiuretika vor allem als reversible Hörminderung und Tinnitus bemerkbar.
Synergismus zwischen Lärm und ototoxischer Hörstörung
Ototoxische Nebeneffekte sind auch unter der Therapie mit verschiedenen antineoplastischen Chemotherapeutika beschrieben, beispielsweise unter platinhaltigen Zytostatika. So führt Cisplatin zu Störungen im cochleären Antioxidanziensystem. Eine gleichzeitige Bestrahlung im Kopfbereich kann das Hörvermögen zusätzlich schädigen.
Schäden am Innenohr sind ggf. auch durch eine Exposition gegenüber ototoxischen Substanzen am Arbeitsplatz bedingt. Styrol, ein ungesättigter aromatischer Kohlenwasserstoff, der zur Herstellung von Kunststoffen verwendet wird, ist eine solche Substanz, ebenso Toluol, das u.a. in Kraftstoffen enthalten ist. Als flüchtige Lösungsmittel können beide über die Lunge in den Körper gelangen. Kommt eine Lärmbelastung am Arbeitsplatz hinzu, steigt das Risiko für eine Hörminderung, denn zwischen ototoxischen Hörstörungen und Lärm besteht ein Synergismus.
Quelle: Leif Erik Walther et al., HNO 2015; 63: 315-326
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