Urethralsyndrom per Ausschluss aufspüren

Dr. Andrea Wülker; Foto: fotolia, bilionphotos.com

Frauen beklagen häufig unspezifische Harnwegs-Symptome - lässt sich kein akuter Infekt nachweisen, sollte man auch an das Urethralsyndrom denken. Mit NSAR und Kontinenz-Training lassen sich die Symptome beherrschen.

Der Begriff „Urethralsyndrom“ beschreibt einen Komplex mit den Komponenten:

  • Dysurie
  • Pollakisurie
  • Harndrang
  • Nykturie sowie
  • intermittierende oder chronische Schmerzen in der Harnröhre und/oder im kleinen Becken.


Aufgrund dieser unspezifischen Definition gibt es häufig Überschneidungen mit ähnlichen Erkrankungen (überaktive Blase, interstitielle Zystitis), schreiben Dr. Nici M. Dreger von der Klinik für Urologie und Kinderurologie des Helios Klinikums Wuppertal und Kollegen. Studien zufolge leiden 15 bis 30 % der Frauen mit Beschwerden im unteren Harntrakt an einem Urethralsyndrom.

Man nimmt heute an, dass verschiedene Faktoren zur Entwicklung des schmerzhaften Syndroms beitragen. Infektionen scheinen sekundär bei der Exazerbation der Beschwerden eine Rolle zu spielen. Die Leitlinie der European Association of Urology (EAU) beschreibt das Urethralsyndrom als eine neuropathische Hypersensitivität, die auf einer Harnwegsinfektion aufbaut.

Sterile Entzündung, Epithelschäden und Fibrosierung kennzeichnen das Urethralsyndrom

Manche Autoren vertreten die Ansicht, dass das Urethralsyndrom mur eine milde Form der interstitiellen Zystitis darstellt. Vor allem der Kaliumsensitivitätstest untermauert diese Hypothese, da er bei 79 % der Patientinnen mit interstitieller Zys­titis und bei 55 % der Urethralsyndrom-Betroffenen auf eine vermehrte Durchlässigkeit des Urothels hindeutet. Andere Autoren plädieren allerdings dafür, die beiden Krankheitsbilder getrennt zu betrachten.

Weitere Risikofaktoren werden als Trigger diskutiert. Urodynamische Untersuchungen wiesen eine Spastik des externen Schließmuskels nach. Auch der maximale urethrale Verschlussdruck scheint erhöht zu sein. Hypoöstrogenismus, Plattenepithelmetaplasien, Multiparität oder psychogene Faktoren könnten ebenfalls eine Rolle spielen. Demnach scheint es sich um ein multifaktorielles Geschehen mit gemeinsamer Endstrecke zu handeln: Geschädigtes Urothel verliert seine Barrierefunktion, es kommt zu bakteriellen und abakteriellen Entzündungsreaktionen, zu Spasmen und schließlich zu einer Fibrosierung.

NSAR und Harndrang-Training statt spezifischer Therapie

Das Urethralsyndrom lässt sich mit keinem diagnostischen Test direkt nachweisen. Daher geht es in der Dia­gnostik vor allem darum, andere Erkrankungen mit ähnlichen Beschwerden auszuschließen. Neben einer ausführlichen Anamnese (auch Miktions- und Sexualanamnese) ist ein Miktions-Trink-Protokoll über zwei Tage sinnvoll. Zur körperlichen Untersuchung gehören eine sorgfältige Inspektion des äußeren Genitals, eine vaginale Palpation und Einstellung und eine digital-rektale Untersuchung. Neben einer Urinkultur aus Mittelstrahlurin empfehlen die Autoren weitere gynäkologische und urologische Diagnostik (z.B. Abstriche, Zystometrie).

Eine spezifische Therapie exis­tiert bisher nicht. Fester Bestandteil des Behandlungskonzepts ist jedoch eine symptomatische Schmerztherapie, z.B. mit Paracetamol, NSAR, Antidepressiva oder Antikonvulsiva. Ziel ist aber auch die Besserung des häufigen Harndrangs, für die eine multimodale Therapie nach dem „Trial-and-Error“-Prinzip empfohlen wird.

Off-Label Rezeptorblocker lösen den Blasenspasmus

Eine Antibiose sollte mit Wirkstoffen erfolgen, die überwiegend über die Niere ausgeschieden werden und bakterizide Eigenschaften aufweisen. Eine niedrig dosierte Langzeitantibiose kann zur Exazerbationsprophylaxe diskutiert werden (z.B. Nitrofurantoin 50 mg/Tag, Cephalexin 250 mg/Tag, Ofloxacin 200 mg/Tag).

Alpha-Rezeptorblocker können off-label eingesetzt werden, um den erhöhten Muskeltonus im Blasenhals und den Harnröhrenspasmus zu reduzieren. Von einer ergänzenden anticholinergen Therapie profitieren Patientinnen mit häufigem Harndrang. Bei klinischen Zeichen eines Östrogenmangels sollte unbedingt eine lokale Östrogensubstitution z.B. mit Estriol-Vaginalzäpfchen eingeleitet werden, sofern keine gynäkologische Kontraindikation vorliegt, betonen die Autoren.

Begleitende Psychotherapie steigert den Langzeiterfolg

Falls die genannten Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg bringen, kommen eine intravesikale Therapie zum Wiederaufbau der Glykosaminglykanschicht oder ein operativer Therapieversuch in Betracht. Manche Patientinnen mit Urethralsyndrom entwickeln bei hohem Leidensdruck eine depressive Verstimmung. In diesem Fall – oder wenn vom Arzt eine affektive Störung vermutet wird – sollte dringend eine psychosomatische bzw. psychiatrische Mitbehandlung erfolgen. Auch alternative Verfahren können ergänzend in das Therapiekonzept miteinbezogen werden.

Quelle: Nici M. Dreger et al., Urologe 2015; 54: 1248-1255; DOI: 10.3238/arztebl.2015.0837

 

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