Fünf Antibiotika, die beim Harnwegsinfekt noch greifen

Dr. Dorothea Ranft

Diese Patientin hat es im Urin: Zahlreiche Leukozyten versuchen, die Bakterien zu vernichten. Diese Patientin hat es im Urin: Zahlreiche Leukozyten versuchen, die Bakterien zu vernichten. © UroSurf – Ein interaktives Lernprogramm zur Urindiagnostik, www.urosurf.ch, @ Universität Bern

Angesichts zunehmender Resistenzen stellt sich die Frage, mit welchen Antibiotika man die unkomplizierte Zystitis noch behandeln kann. Oder genügt eventuell sogar eine Schmerztherapie? In der frisch aktualisierten S3-Leitlinie fasst die Deutsche Gesellschaft für Urologie die wesentlichen Neuerungen in der Akuttherapie zusammen.

Bei der unkomplizierten Zystitis besteht das wichtigste Therapieziel darin, das Abklingen der lästigen Symptome (Algurie, imperativer Harndrang, Pollakisurie etc.) zu beschleunigen. Dies gelingt mit einer Antibiotika-Therapie nachweislich schneller als mit Placebo, auch wenn die Spontanheilungsrate mit 30–50 % innerhalb einer Woche relativ hoch ist. Die Leitlinien-Autoren sind sich deshalb einig, dass der Patientin eine Antibiotikatherapie angeboten werden sollte. Bei leichten bis mittelgradigen Beschwerden kommt auch eine symptomatische Therapie mit Ibuprofen infrage.

Kurzzeittherapie mit Antibiotika anbieten

Mit NSAR wurden in einer aktuellen Studie 70 % der Patientinnen innerhalb einer Woche beschwerdefrei, mit Antibiotikum 80 %. Ein weiteres Argument für die antibakterielle Therapie: Wenn die Infektion auf die Harnblase beschränkt bleibt, entwickeln sich erfahrungsgemäß auch bei Rezidiven keine schweren Komplikationen.

Die antibiotische Behandlung der akuten unkomplizierten Zystitis sollte bei prämenopausalen Frauen möglichst als Kurzzeittherapie (1 bis 3 Tage) erfolgen. Die Wahl des Wirkstoffs richtet sich nach dem Risiko des Patienten, nach der Empfindlichkeit der Erreger, möglichen Nebenwirkungen und Kollateralschäden (z.B. Selektion von Resis­­tenzen). Nach Ansicht der Urologen ist ein Antibiotikum nicht mehr für die Therapie der akuten unkomplizierten Zystitis geeignet, wenn die Empfindlichkeitsrate unter 80 % sinkt, empfohlen wird sogar ein Grenzwert von über 90 %.

Weit davon entfernt sind die Aminopeniclline Ampicillin und Amoxicillin mit Resistenzraten > 40 %. In Kombination mit dem Betalaktamase-Inhibitor Clavulansäure weist Amoxicillin allerdings noch Empfindlichkeitsraten knapp unter 90 %. Wegen fraglicher Wirksamkeit in der Kurzzeittherapie wird diese Kombination dennoch nicht mehr als 1. Wahl für die empirische Kurzzeittherapie empfohlen.

Kompliziert oder nicht?

Als unkompliziert gilt ein HWI, wenn keine relevanten Anomalien im Harntrakt vorliegen, die Nierenfunktion nicht wesentlich gestört ist und keine Vor- oder Begleiterkrankungen bestehen, die HWI und schwere Komplikationen begünstigen. Entsprechend wird ein HWI auch bei stabil eingestellten Diabetikern ohne relevante Begleiterkrankungen als unspezifisch eingestuft.

Ebenfalls nicht mehr 1. Wahl bei der Indikation unkomplizierte Zys­titis sind Fluorchinolone und Cephalosporine – jedoch aus anderen Gründen: Bei diesen beiden Substanzklassen ist die Gefahr einer Selektion multiresistenter Erreger und des Auftretens einer C.-difficile-Diarrhö am höchsten. Gleichzeitig werden diese Wirkstoffe als Breitspektrum-Antibiotika zur Behandlung schwerer Infektionen dringend gebraucht. Zur Erstlinientherapie von Patientinnen mit unkomplizierter Zystitis empfiehlt die Leitlinie fünf Antibiotika: Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin und Pivmecillinam sowie ggf. auch Trimethoprim (hausärztliche Behandlung). Für Fosfomycin-Trometamol sprechen das anhaltend gute Ansprechen, 2015 lag die Resistenzrate für E. coli laut RKI bei 1,3 %. In einer Metaanalyse erzielte die orale Einmalgabe von 3 g Fosfomycin ebenso gute Ergebnisse wie Vergleichssubstanzen in ein bis zwei Wochen.

Kaum Resistenzen gegen Fosfomycin und Mecillinam

Nitrofurantoin zeigt ebenfalls Empfindlichkeitsraten von über 90 % für E. coli, allerdings ist ein weiterer Erreger, Proteus mirabilis, intrinsisch resistent. Eine Fünftagestherapie mit retardiertem Nitrofurantoin ist ebenso effektiv wie eine Dreitagestherapie mit Cotrimoxazol. Die seltenen pulmonalen Nebenwirkungen (z.B. Lungenfibrose) treten in der Regel erst nach längerer Gabe (> 6 Monate) auf, so die Leitlinienautoren. Im dritten Trimenon der Schwangerschaft ist Nitrofurantoin wegen einer möglichen hämolytischen Anämie des Neugeborenen kontraindiziert. Schon seit den 1960er-Jahren verfügbar ist Nitroxolin. Dieses Anti­biotikum erfasst neben den klassischen Erregern eines Harn­wegsinfekts (HWI) auch Mycoplasma hominis, Ureaplasma urealyticum und Candida-Spezies. In einer Metaanalyse bei unkomplizierter Zystitis wurden Erfolgsraten über 90 % erzielt, außerdem zeigte sich Nitroxolin Cotrimoxazol und Norfloxacin nicht unterlegen.

Zystitis zügig loswerden

  • Fosfomycin: 1 x 3000 mg, 1 d
  • Nitrofurantoin: 50 mg 4 x täglich, 7 d
  • Nitrofurantoin (Retardform): 100 mg 2 x täglich, 5 d
  • Nitroxolin: 250 mg 3 x täglich, 5 d
  • Pivmecillinam: 400 mg 2–3 x täglich, 3 d
  • Trimethoprim: 200 mg 2 x täglich, 3 d

Nach Fosfomycin-Trometamol ist Mecillinam das HWI-Antibiotikum mit der zweitgeringsten Resistenzrate, schreiben die Urologen. Die orale Applikationsform Pivmecillinam ist in Deutschland seit 2016 auf dem Markt und wird in anderen europäischen Ländern häufig genutzt. Eine Dreitagestherapie (2x täglich 200 mg) schnitt in Studien ebenso gut ab wie eine gleichlange Behandlung mit Norfloxacin. Eine empirische Therapie mit Trimethoprim kommt wie bei anderen Antibiotika auch nur infrage, wenn die Resistenzrate für E. coli unter 20 % liegt. Aktuellen Daten zufolge ist dies mit 17,5 % im hausärztlichen Bereich noch der Fall, höhere Raten des RKI (22,6 %) berücksichtigten wahrscheinlich vermehrt komplizierte Fälle, so die Leitlinienautoren. Trimethoprim kann also bei der unkomplizierten Zystitis als ein Mittel der 1. Wahl eingesetzt werden. Von der Kombination mit Sulfameth­oxazol ist man wegen der erhöhten Nebenwirkungsrate bei gleicher Wirkung abgekommen.

Ältere Damen wie junge Frauen behandeln

Bei postmenopausalen Frauen mit unkomplizierter Zystitis entsprechen Auswahl und Dosierung der Antibio­tika den bei jüngeren Frauen eingesetzten Regimen, heißt es in der Leitlinie. Die Kurzzeittherapie ist noch nicht so gut etabliert, Studien eröffnen jedoch auch hierfür Möglichkeiten. So erzielte die Einmaltherapie mit Fosfomycin-Trometamol bei postmenopausalen Frauen mit akuter Zystitis in 87 % der Fälle eine Erreger­elimination und in 96 % eine klinische Wirksamkeit.

Leitlinienprogramm DGU: Interdisziplinäre S3 Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harn­wegsinfektionen bei erwachsenen Patieten; AWMF Register-Nr. 043/044

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Diese Patientin hat es im Urin: Zahlreiche Leukozyten versuchen, die Bakterien zu vernichten. Diese Patientin hat es im Urin: Zahlreiche Leukozyten versuchen, die Bakterien zu vernichten. © UroSurf – Ein interaktives Lernprogramm zur Urindiagnostik, www.urosurf.ch, @ Universität Bern