Urologika – Mit welchen Neben- und Wechselwirkungen bei Senioren zu rechnen ist

Dr. Angela Speth

Gerade Senioren haben Probleme mit der Blasenspeicherung und -entleerung. Gerade Senioren haben Probleme mit der Blasenspeicherung und -entleerung. © fotolia/vchalup

Gewährleisten Präparate gegen Störungen der Blasenfunktion eine sichere Behandlung? Im Prinzip ja, sagen Studien. Und zwar Studien, die ausgerechnet diejenigen ausschließen, die am häufigsten betroffen sind: alte und multimorbide Menschen.

Welche Nebenwirkungen müssen Ärzte erwägen, wenn sie zur Verbesserung von Blasenspeicherung und -entleerung eine Therapie verordnen? Eine relevante Frage, konstatieren Urologen um Dr. Julia­ Wolfesberger­ vom Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien, denn bedingt durch den demographischen Wandel steigt vermutlich die Zahl solcher Störungen in den nächsten zwei bis drei Dekaden um 30–40 %. Die Studien jedoch berücksichtigen nur jüngere, sonst gesunde Menschen und differieren wegen methodischer Unterschiede stark. Und für manche Urologika fehlen Langzeitdaten.

α1-Blocker

Durch Absenken des Muskeltonus an Blasenhals und Prostata erleichtern a1-Blocker die Miktion. Sie haben zwar allgemein wenige, meist milde Nebenwirkungen. Im Einzelnen muss man jedoch Vorsicht walten lassen, z.B. bei kardiovaskulärer Komorbidität, weil diese Patienten besonders empfindlich sind für die begleitende Vasodilatation und Sympatholyse. Vor allem die wenig uroselektiven Substanzen Doxazosin und Terazosin können Schwäche, Hypotonie oder Schwindel hervorrufen. Weitere unerwünschte Wirkungen: Unwohlsein, Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden sowie eine Reduktion des Ejakulats, besonders durch Tamsulosin und Silodosin. Für Tamsulosin belegt ein Register zudem respiratorische Symptome, primär Rhinitis.

Bei Katarakt-OP kann sich die Iris vorwölben

Um die Verträglichkeit zu erhöhen, raten die Urologen zu einschleichender Dosierung und Einnahme vor dem Schlafengehen. Ferner erinnern sie daran, vor Kataraktoperation unbedingt den Augenarzt über die Medikation zu informieren, da a1-Blocker im Verdacht stehen, intraoperativ ein Floppy-Iris-Syndrom auszulösen. Es gibt jedoch auch wünschenswerte Effekte, nämlich auf die Spiegel von Glukose, LDL und Triglyzeriden.

Anticholinergika

Die auch Antimuskarinika genannten Parasympathikolytika sind seit über 20 Jahren in der Erstlinie gegen eine überaktive Harnblase zugelassen, verringern deren Kontraktilität und steigern die Kapazität. Die Nebenwirkungen variieren je nach Darreichungsform und Rezeptoraffinität, werden jedoch als so störend empfunden, dass 80–90 % der Patienten die Behandlung im ersten Jahr abbrechen. Das gilt für alle Substanzen, unabhängig von der Rate der häufigsten Nebenwirkung Mundtrockenheit. Mit Oxybutinin, dem ältesten Anticholinergikum, tritt sie in 16 % der Fälle auf. Zwar sinkt die Häufigkeit durch die Applikation per Pflaster oder Gel, allerdings oft um den Preis von Rötung und Juckreiz.

Interaktionen sind zu bedenken, wenn eine (anti)cholinerge Komedikation vorliegt, etwa mit Parkinsonmitteln, trizyklischen Antidepressiva, Neuroleptika, Antihistaminika oder Cholinesterasehemmern. Bei älteren Menschen besteht zudem die Gefahr, dass sich die kognitiven Leistungen verschlechtern. Tolterodin, Darifenacin, Solifenacin, Trospium oder Fesoterodin passieren anscheinend jedoch nicht die Blut-Hirn-Schranke. Oxybutinin verändert das EEG.

5α-Reduktase-Inhibitoren

Sie hemmen die Umwandlung von Testosteron mit der Folge, dass die Prostata fast um ein Drittel schrumpft und das PSA sich in etwa halbiert. Anders als α-Blocker bremsen sie damit den Krankheitsprozess und reduzieren die Rate an Harnverhalt und chirurgischen Eingriffen. Obwohl Finasterid nur die Typ-1-Reduktase angreift und Dutasterid zusätzlich die Typ-2-Reduktase, ähneln sich beide in den – insgesamt seltenen – Nebenwirkungen. Am häufigsten: erektile Dysfunktion (bis zu 6 %) und Libidoverlust, bei langfristiger Einnahme eventuell irreversibel.

Die Urologen mahnen, im Falle eines Post-Finasterid-Syndroms die erhöhte Anfälligkeit für Depressionen und Suizidgedanken nicht zu vernachlässigen. Weiterhin empfehlen sie regelmäßige PSA-Kontrollen, weil das Risiko für ein Prostatakarzinom generell zwar vermindert, speziell für hochgradige Tumoren aber leicht erhöht ist. Beobachtet wurden außerdem Gynäkomastie und dosis­abhängig Osteoporose, aber keine kardiovaskulären Effekte.

Phosphodiesterase-5-Inhibitoren

Hemmstoffe der Phosphodiesterase 5 entspannen die glatte Muskulatur von Detrusor, Prostata und Urethra. Der einzige zur Behandlung bei benignem Prostatasyndrom zugelassene Vertreter ist Tadalafil. Als Nebenwirkung nennen Dr. Wolfesberger und Kollegen u.a. Flush, Reflux und Kopfschmerzen.

Quelle: Wolfesberger J et al. Urologe 2017; 56: 456-464

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Gerade Senioren haben Probleme mit der Blasenspeicherung und -entleerung. Gerade Senioren haben Probleme mit der Blasenspeicherung und -entleerung. © fotolia/vchalup