Vegetarier sind seltener chronisch krank

Dr. Andrea Wülker

Vegetarische Ernährung beugt chronischen Krankheiten vor. Vegetarische Ernährung beugt chronischen Krankheiten vor. © Thinkstock

Derzeit soll es in Deutschland 7 % Vegetarier und 1,2 % Veganer geben. Einige von ihnen verzichten aus gesundheitlichen Gründen. Doch schützt vegetarisches Essen wirklich vor chronischen Erkrankungen? Oder ist es eher bedenklich, weil Nährstoffmängel drohen?

 In den letzten Jahren verzichten immer mehr Menschen auf Fleisch und Fisch oder sie ernähren sich sogar ganz ohne Lebensmittel tierischen Ursprungs. Ein Trend, der vor allem bei gebildeten jungen Menschen beobachtet wird. Die Gründe sind meist ethischer, gefolgt von gesundheitlicher Natur. Gesünder mit vegetarischer Kost? Dr. Alexander Ströhle und Professor Dr. Andreas Hahn vom Institut für Lebensmittelwissenschaft und Humanernährung der Gottfried-Wilhelm-Leibniz Universität Hannover haben die aktuelle Studienlage kritisch unter die Lupe genommen.

Niedrigerer BMI, bessere Insulinsenitivität

Vegetarische Kostformen sind sehr unterschiedlich und umfassen u.a. den Lakto-Ovo-Vegetarismus, den Lakto-Vegetarismus sowie die vegane Ernährungsweise. Üblicherweise essen Vegetarier vermehrt Obst, Gemüse, Vollkornprodukte und Nüsse – alles Nahrungsmittel, denen ein Schutzeffekt zugeschrieben wird.

Schaut man sich den BMI von den Fleisch-Verzichtern an, liegt dieser im Mittel ein bis zwei Einheiten unter demjenigen der Mischköstler. Dafür gibt es verschiedene Gründe, schreiben die Autoren. Einerseits ist vegetarische Kost reich an Ballaststoffen und weist eine relativ geringe Energiedichte auf. Andererseits sind Vegetarier meist bewegungsfreudiger als Fleischesser und ihr Bildungsgrad ist überdurchschnittlich hoch. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Vegetarier ein um 40 bis 50 % reduziertes Risiko für Typ-2-Diabetes aufweisen. Im Vergleich zu Fleischessern haben sie einen um 5 bis 6 mg/dl geringeren Nüchternblutzucker, was für eine bessere Insulinsensitivität spricht. Eine Studie mit indischen Migranten hatte jedoch ergeben, dass Vegetarismus nicht per se vor Typ-2-Diabetes schützt.

Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen treten bei Vegetariern seltener auf: Ihr Risiko für ischämische Ereignisse ist signifikant um 25 % reduziert. Aufgrund ihres gesundheitsbewussteren Lebensstils weisen sie weniger kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Übergewicht, Bewegungsmangel, Bluthochdruck und Rauchen auf – und ihr Lipidprofil ist meist deutlich günstiger als das von Mischköstlern. Die Wahrscheinlichkeit an kardiovaskulären Erkrankungen zu sterben, ist jedoch gleich.

 Nährstoffmangel bei vegetarischer Kost vermeiden

NährstoffEmpfehlungen
Vitamin D
  • Auf regelmäßige Sonnenexposition achten.
  • Im Winter Vitamin D supplementieren: ca. 20 bis 50 µg/Tag; der Calcidiol-Spiegel im Serum sollte mindestens 50 nmol/l, besser ≥ 75 nmol/l betragen.
Vitamin B12
  • Veganer sollten mit Vitamin B12 angereicherte Lebensmittel verzehren oder Supplemente nehmen.
  • Hefe enthält kein für den Menschen verfügbares Vitamin B12, Algen vorwiegend unwirksame Analoga.
Eisen
  • Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln ist meist deutlich schlechter ­verfügbar als aus Fleisch. Ausnahme: Eisen aus Sauerkraut.
  • Vegetarier benötigen eine um den Faktor 1,8 höhere Eisenzufuhr als Mischköstler. Dies entspricht bei Erwachsenen einer Menge von 22 mg Eisen/Tag.
Zink
  • Vegetarier sollten 50 % mehr Zink zuführen als Fleischesser.
Iod
  • Iodsalz verwenden und Brot/Backwaren bevorzugen, die Iodsalz enthalten.
  • Veganer können ihren Iodbedarf durch kleine Mengen an Speisealgen decken.
Langkettige Omega-3-Fettsäuren
  • Vegetarier sollten ihre Zufuhr an alpha-Linolensäure (ALA) um 50 % steigern.
  • Lein-, Raps- und Walnussöl sind reich an ALA.

Das Risiko für Krebserkrankungen ist bei Vegetariern im Vergleich zu Fleischkonsumenten um 8 %, bei Veganern sogar um 15 % reduziert. Bei der Gefahr für kolorektale Tumoren, Brust-, Prostatakarzinom sowie der Krebsmortalität besteht hingegen kein Unterschied zwischen den Ernährungsformen. Die Wissenschaftler vermuten den Lebensstil und nicht die Ernährungsweise als Ursache.

Was die Knochengesundheit anbelangt, so ist die Knochenmineraldichte von Vegetariern und insbesondere von Veganern meist geringer als diejenige von Mischköstlern. Das Frakturrisiko von Lakto-Ovo-Vegetariern unterscheidet sich nur marginal von Fleischessern – Veganer weisen jedoch eine um 30 % erhöhte Wahrscheinlichkeit auf.

Die Lebenserwartung von Vegetariern ist im Allgemeinen höher als diejenige der Durchschnittsbevölkerung – dies gilt aber auch für ähnlich gesundheitsbewusst lebende Menschen, die Fisch und/oder geringe Mengen an Fleisch essen.

Reduktion tierischer Lebensmittel tut‘s auch

Sind Vegetarier anfällig für bestimmte Nährstoffmängel? Eine lakto-ovo-vegetarische Kost mit einer breiten Lebensmittelauswahl dürfte den Körper im Allgemeinen gut mit Nährstoffen versorgen – mit einigen Ausnahmen: Vitamin D, Iod und evtl. Eisen, Zink und langkettige Omega-3-Fettsäuren. Bei Veganern ist das Risiko einer mangelhaften Nährstoffversorgung größer. Der Konsum angereicherter Lebensmittel oder eine gezielte Supplementierung können helfen (s. Tabelle).

Das bloße Weglassen von Fleisch und Fisch bietet in der Regel keine gesundheitlichen Vorteile, fassen die Ernährungswissenschaftler zusammen. Für die meisten Menschen dürfte eine vorwiegend pflanzliche Kost mit moderaten Mengen an Fisch, Geflügel, Milchprodukten und Eiern empfehlenswerter sein.

Ströhle A et al. Therapeut. Umschau 2016; 73: 659-672

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