Vier Alternativen im Fokus

Nina Arndt

Dr. Moritz Ronicke vom Uniklinikum Erlangen erklärte, woran Strategien möglicherweise scheitern. Dr. Moritz Ronicke vom Uniklinikum Erlangen erklärte, woran Strategien möglicherweise scheitern. © Yurii Kibalnik - stock.adobe.com

Trotz moderner Medikamente bleibt die Therapie der Hidradenitis suppurativa oft erfolglos. Nanobodies, JAK-Hemmer und mTOR-Targeting eröffnen neue Perspektiven. Auch die Ernährung spielt eine entscheidende Rolle für den Behandlungserfolg.

Bei der Hidradenitis suppurativa (HS) bilden sich schmerzhafte Knoten, Abszesse und Fisteln unter den Achseln, in der Leisten- oder Anogenitalregion. Oft können Antibiotika und Biologika eine Progression verhindern – aber nicht immer. Dr. Moritz Ronicke vom Uniklinikum Erlangen erklärte, woran Strategien möglicherweise scheitern.

1. Gelangen die Wirkstoffe nicht an die Läsionen?

Möglicherweise bedarf es einer besseren Gewebepenetration. Nanobodies sind Antikörper, die nur aus einer Domäne bestehen. Abgeleitet wurden sie von den Schwere-Kette-Antikörpern der Kamele, denen die leichten Ketten fehlen. Nanobodies sind kleiner als herkömmliche Immunglobuline. Sie gelangen daher ggf. besser in das betroffene Gewebe. 

Der Effekt des trivalenten Nanobodies Sonelokimab wird derzeit in einer Phase-3-Studie untersucht. Der Antikörper richtet sich gegen IL-17A, IL-17F und Serumalbumin. Letzteres dient lediglich dazu, die Halbwertszeit zu verlängern.

2. Richten sich die eingesetzten Arzneimittel nicht gegen die eigentliche Ursache?

Die Serin/Threonin-Kinase mTOR („mammalian target of rapamycin“) ist in den HS-Läsionen deutlich überexprimiert. Zudem korreliert die Expression mit der Krankheitsschwere. Die Ergebnisse zur HS decken sich mit dem, was über Acne vulgaris bekannt ist: So können sich die Symptome verschlechtern, wenn Betroffene häufig Milchprodukte oder rotes Fleisch zu sich nehmen. Die dadurch gesteigerte Aufnahme von IGF-1 und den verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin führen zu einer erhöhten Aktivierung von mTOR.

Neben der Ernährung kann es sich lohnen, bei Menschen mit HS den Mikronährstoffspiegel im Blick zu haben. Denn auch ein Zink- und Vitamin-D-Mangel scheint den Krankheitsverlauf zu beeinflussen. 

Adipositas ist ebenfalls mit Hidradenitis suppurativa assoziiert; Gewichtsreduktionen könnten sich positiv auswirken. Eine dänische Studie zeigte, dass die Zahl der betroffenen Areale sich bei Teilnehmenden nach einer bariatrischen OP von im Mittel 1,93 auf 1,22 reduzierte. Zudem berichtete Dr. Ronicke von einem Patienten, bei dem sich unter dem GLP1-Agonisten Liraglutid die selbsteingeschätzte Lebensqualität besserte. Ein ähnlicher Effekt zeigte sich bei dem vom Behandelnden bewerteten Schweregrad.

3. Ist die gewählte Therapie zu spezifisch?

Derzeitige Optionen richten sich gegen spezifische Interleukinrezeptoren; mit Januskinasehemmern könnte man mehrere Signalwege inhibieren. In Phase-3-Studien wird daher die Wirkung der JAK1-Inhibitoren Upadacitinib und Povorcitinib zur Therapie der HS untersucht. Für die topische Behandlung gibt es als möglichen Kandidaten den JAK1/2-Hemmer Ruxolitinib. 

Eine weitere Zielstruktur bietet der Acryl-Hydrocarbon-Rezeptor (AhR). Der AhR-Agonist Tapinarof ist in den USA für die topischen Behandlung von Plaquepsoriasis zugelassen. Er reduziert die Expression von proinflammatorischen Zytokinen wie IL-17A/F, wirkt antioxidativ und unterstützt die Hautbarriere, indem er die für die Keratinisierung wichtigen Proteine hochreguliert.

4. Gibt es Vorgänge in der Pathogenese, die man übersehen hat?

IL-1b sowie IL-17 und Komponenten des Inflammasoms wie NLRP3 und CASP1 sind in den HS-Läsionen überexprimiert. Zu potenziellen Therapiekandidaten zählen daher die IL-1b-Hemmer Anakinra und Canakinumab sowie der IL-1a/b-Antagonist Lutikizumab. Für Anakinra gib es eine Kann-Empfehlung in der Leitlinie.

Zudem ließen sich bei Menschen mit HS Autoantikörper entdecken, die man normalerweise bei Erkrankungen wie Lupus erythematodes oder Dermatomyositis vermuten würde. Die B-Zellen könnten daher bei der Pathogenese der Hidradenitis suppurativa eine Rolle spielen, erklärte Dr. Ronicke. Rituximab, das sich gegen das CD20-Antigen auf B-Zellen richtet, zeigte sich bei einem kleinen Patientenkollektiv als aussichtsreich: Von insgesamt zehn Teilnehmenden erreichten vier eine komplette Remission. Weitere Ansätze bieten die Inhibition der Milztyrosinkinase durch Fostamtinib und der Bruton-Tyrosinkinase-Hemmer Remibrutinib, denn beide Proteine spielen eine Rolle in der Signaltransduktion der B-Zelle. 

Anknüpfen könnte man auch am Hippo-Signalweg. Dessen Überaktivierung scheint die Entwicklung von Keloiden und hypotrophen Narben zu beeinflussen.

Abschließend erklärte Dr. Ronicke, dass man unter Umständen vom organbasierten Konzept der entzündlichen Erkrankungen abkommen und zu einem Modell der Zytokinsignatur übergehen sollte. Die Entzündungssignatur mit TNF-a als zentrales Standbein könne je nach Krankheit um die jeweiligen spezifisch überexprimierten Zytokine ergänzt werden.

Quelle: Wundkongress 2024

Was empfiehlt die S2k-Leitlinie?

Seit Veröffentlichung der letzten europäischen S1-Leitlinie zur Therapie der Acne inversa 2015 hat sich einiges getan: weitere Klassifikationssysteme, Biologikazulassungen und eine steigende Relevanz oraler Tetrazykline. Die neue europäische S2k Leitlinie „Hidradenitis suppurativa/ Acne inversa Teil 2: Therapie“ von der European Hidradenitis Suppurativa Foundation, Dessau, will diesen Neuerungen nachkommen.

Wie viel Entzündung ist im Gewebe vorhanden?

Relativ neu ist die Abgrenzung zwischen einer aktiv entzündlichen und einer inaktiv vorwiegend nicht-entzündlichen Hidradenitis suppurativa (HS). Erstere lässt sich anhand des IHS4*-Scores besser einschätzen als mit der bisher genutzten Hurley-Klassifikation, da die Entzündungskomponenten Knoten, Abszesse und Fisteln im Fokus stehen. Die Hurley-Stadien I bis III behält man sich vor, um operative Maßnahmen abzuwägen, hauptsächlich in vorwiegend nicht-entzündlichen Zuständen.

Für alle aktiven Krankheitsverläufe können Tetrazykline peroral für maximal drei Monate verschrieben werden. Bei moderaten bis schweren Verläufen (IHS4 ≥ 4) sind sie definitiv die Therapie der Wahl – gemäß deutscher Leitlinie: Doxycyclin. Clindamycin kann laut europäischem Gremium peroral (2 x 300 mg/d) für zwölf Wochen gegeben werden – in zeitkritischen Fällen ab IHS4 ≥ 4 i.v. (3 x 600 mg/d) für fünf Tage. Die Empfehlung für die Kombination mit Rifampicin besteht weiterhin, allerdings zeigten Studien keinen deutlichen Vorteil gegenüber den Tetrazyklinen mono. Letztere werden daher als Alternative zum Antibiotikaduo hervorgehoben.

Bei milder (IHS4 ≥ 3) bis moderater (IHS4 4–10), entzündlicher HS ohne drainierende Tunnel setzt man in der Erstlinie auch auf eine topische Applikation, z. B. Clindamycin 1 % als Lotion oder Resorcinol 15 % als Peeling sowie Triamcinolon intraläsional. Eine offene Empfehlung gilt für Zinkgluconat in der Zweitlinie, gefolgt von Dapson und einer PDT. Isotretinoin wird nicht empfohlen.

Inzwischen ist man bei moderatem bis schwerem Verlauf nicht mehr auf Antibiotika angewiesen. Neben diesen besitzt Adalimumab von der EMA eine Zulassung ab zwölf Jahren, Secukinumab und Bimekizumab für Erwachsene bei unzureichendem Ansprechen der konventionellen Therapie. Alle weiteren Substanzen sind off label.

Bei Therapieversagen schlägt die Expertengruppe Infliximab als dritte Wahl vor. Adalimumab-Biosimilars, Anakinra (IL-1), Ustekinumab (IL-12/23), Brodalumab (IL-17), Spesolimab (IL-36) sowie die JAK-Hemmer Povorcitinib und Upadacitinib erhielten in der Leitlinie nur eine Kann-Empfehlung. Für Ciclosporin fehlen ausreichend Daten zu Tagesdosis und Einnahmedauer, heißt es in den Richtlinien. Bei schwerwiegender HS und zum präoperativen Downstaging kann man eine Drittlinientherapie mit Ertapenem erwägen.

Von einigen Biologika rät das Expertenpanel explizit ab, darunter Etanercept, Certolizumab pegol (beide TNF-a) sowie Bermekimab (IL-1a), Guselkumab (IL-23) und Risankizumab (IL-23). Auch eine Therapie mit humanem Immunglobulin (i.m.) sollte nicht erfolgen.

Opiate bei HS ungeeignet

Analgetika werden ergänzend eingesetzt, eine Empfehlung besteht für Paracetamol. NSAR, Pregabalin und Gabapentin haben nur einen „Kann“-Status. Von Opiaten, SSRI sowie topischen Analgetika wie Diclofenac rät das Gremium ab. Gleichzeitig sind lebensstilverändernde Strategien sinnvoll. Rauchen gilt als Katalysator, erklärte Dr. Felix­ Sponagl­, Facharzt für Dermatologie und Venerologie aus Heerbrugg, ein Rauchstopp daher ratsam. Auch Übergewicht sollten Betroffene versuchen abzubauen. Weniger klar ist die Haltung gegenüber psychologischen Interventionen.

Enge Kleidung und Rasur können über mechanische Reize zu Triggerfaktoren werden – die Anzug- mit der Jogginghose tauschen, hilft manchmal, so Dr. Sponagl­. Zudem gibt es eine offene Empfehlung für die Depilation mittels Lichtbehandlung (z. B. Nd:YAG Laser) ab Hurley Grad 1.

Kommt es im Rahmen der Progredienz zur Gewebsdestruktion (Hurley 2) wird chirurgisches Eingreifen erforderlich: Ggf. parallel zur Pharmakotherapie sollen akute Abszesse inzidiert und drainiert werden. Bei vereinzelten Tunneln reicht ein Deroofing, kommt es zur ausgeprägten Tunnel- und Narbenbildung rät die Gruppe zu radikaler Exzision. Meist heilen die Wunden sekundär ab. Eine Spalthauttransplatation und/oder Vakumtherapie sind zusätzlich möglich. Ob ein Primärverschluss sinnvoll ist, hängt von den betroffenen Regionen ab. Für den Remissionserhalt bietet sich die Gabe von Adalimumab an.

* International Hidradenitis Suppurativa Severity Score System

Quelle: Zouboulis C et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2024; doi: 10.1111/jdv.20472

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