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Vocal-Cord-Dysfunction raubt die Luft
Belastungsdyspnoen, für die sich organisch keine klare Ursache finden, dazu die bislang erfolglose Maximaltherapie eines „schweren belastungsabhängigen Asthma bronchiale“ – mit dieser Vorgeschichte kommt das Mädchen in die Fachkliniken Wangen.
Auch hier sind die durchgeführten Tests allesamt unauffällig: Es finden sich Normwerte im klinischen, immunologischen und allergologischen Labor und im Schweißtest, unauffällige Lungenfunktionsparameter sogar im Metacholintest (bei subjektiver Atemnot), normale Blutgase und normales Stickoxid (NO). Ein gastroösophagealer Reflux kann mittels Langzeit-pH-Metrie ausgeschlossen werden.
Allein die psychosoziale Anamnese erscheint auffällig. Schon im Kindergarten ist das Mädchen durch seinen Geltungsdrang aufgefallen, in der Grundschule hat es wegen Bauchschmerzen häufig gefehlt und musste deshalb eine Klasse wiederholen. Mit Gleichaltrigen kommt es nur noch schlecht klar, in die Schule will es nicht. Die Eltern sind nach schwieriger und gewalttätiger Trennungsphase geschieden, der neue Partner der Mutter lebt in der Familie.
Vocal-Cord-Dysfunction wird oft als psychische Störung verkannt
Angesichts der erhobenen Vorgeschichte, der Befunde und einer erneuten Synkope mit Luftnot während einer Gruppenaktivität in der Klinik diagnostizieren die Pädiater eine Vocal-Cord-Dysfunction (VCD). Sie entspricht einer intermittierenden, funktionellen, atemnotinduzierenden laryngealen Obstruktion während der In- oder Exspiration.
Bis 1980 galt die Vocal-Cord-Dysfunction als rein psychiatrisch, in den letzten Jahren wird es jedoch zunehmend differenzierter betrachtet, erklärt Dr. Thomas Spindler von der Kinderklinik der Fachkliniken Wangen. Betroffen sind auch Kinder und Jugendliche. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 14½ Jahren, die Patienten sind zu 85 % weiblich.
Symptome der Vocal-Cord-Dysfunction sind oft durch Anstrengung hervorgerufen
Die Symptome der Vocal-Cord-Dysfunction können bei den Patienten reproduziert werden, sie sind oft durch Anstrengung induziert. Viele Betroffene fallen durch hohen Ehrgeiz und Leistungsorientierung auf. Häufig gehören sie einem Sportverein an, stehen unter sozialem Stress. Viele haben Schwierigkeiten, sich von der Familie zu lösen. Die Inzidenz von Angststörungen ist erhöht.
In vielen Fällen erfolgt vor der Diagnose der Vocal-Cord-Dysfunction eine maximale Therapie, meist unter der Prämisse Asthma bronchiale. Vorausgegangene Intubationen und sogar Tracheotomien sind keine Seltenheit, berichtet Dr. Spindler.
Tatsächlich geht die Vocal-Cord-Dysfunction gehäuft mit einem Asthma und/oder einem gastroösophagealen Reflux einher. Neben einer Diagnostik mit Laryngoskopie und pH-Metrie sowie ggf. Bronchoskopie helfen einige klinische Kriterien wie z.B. nächtliche Beschwerden oder Besserung auf Betamimetika dabei, die beiden Krankheiten voneinander abzugrenzen (s. u.).
Bei der Vocal-Cord-Dysfunction keinesfalls verstärkt auf Medikamente setzen
Therapeutisch steht bei der Vocal-Cord-Dysfunction die Aufklärung von Patient und Eltern im Vordergrund. Im Akutfall gilt es vor allem, die Ruhe zu bewahren, betont Dr. Spindler. Gelingt es nicht, den Anfall zu durchbrechen, kann die Gabe von Midazolam oder niedrig dosiertem Propofol indiziert sein.
In der Dauertherapie der Vocal-Cord-Dysfunction werden Entspannungstechniken, Verhaltens- und Psychotherapie zur Bearbeitung von Konflikten bzw. Traumata eingesetzt. Außerdem helfen Atem- und Sprechtherapie.
Auf keinen Fall sollte eine bestehende Asthmamedikation gesteigert werden. Ziel ist vielmehr, jegliche evtl. überflüssige Medikation abzusetzen, lautet die klare Forderung von Dr. Spindler.
Hat der Patient eine Vocal-Cord-Dysfunction oder ein Asthma?
Asthmaanfall | Vocal-Cord-Dysfunction | |
---|---|---|
Exspiratorisches Giemen, evtl. inspiratorischer Stridor | Inspiratorischer Stridor, evtl. exspiratorisches Giemen | |
Trigger: körperliche Belastung, Infekte, Allergien, Metacholin | Trigger: körperliche Belastung, Gerüche, Geschmack, Metacholin | |
manchmal Hyperventilation | oft Hyperventilation | |
Beginn und Ende meist protrahiert | Beginn und Ende meist abrupt | |
Luft anhalten nicht möglich | Luft anhalten möglich | |
oft Beschwerden in der Nacht |
| |
erniedrigte Sauerstoffsättigung | normale Sauerstoffsättigung | |
Besserung auf Betamimetika | keine Besserung auf Betamimetika | |
Vortrag auf dem 38. Herbst-Seminar-Kongress des BVKJ
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