Volksdroge Methamphetamin in Schokolade verpackt

Cornelia Kolbeck, Foto: fotolia

Wer denkt, Chrystal Meth sei ein modernes Suchtmittel, der irrt. Schon während der Zeit des Nationalsozialismus war Methamphetamin, damals bekannt als Pervitin, eine Volksdroge. Auch "Patient A." – Adolf Hitler – war drogenabhängig, ebenso wie viele seiner engsten Mitstreiter.

Norman Ohler hat in seinem Buch "Der totale Rausch – Drogen im Dritten Reich" die deutsche Rauschszene von 1933 bis 1945 beleuchtet. Beim diesjährigen Suchtkongress in Berlin gewährte er noch einmal Einblicke in die medizinhistorische Geschichte, die er u.a. durch das Studium des Nachlasses von Hitlers Leibarzt und von archivierten US-Geheimdienstakten aufarbeiten konnte. Detailliert beschreibt er zudem, wie der Methamphetamin-Gebrauch das Handeln des deutschen Heeres und der deutschen Luftwaffe beeinflusste.

Der Autor beginnt seine Beschreibungen mit seinem Weg nach Berlin-Adlershof, denn hier befand sich die Arzneimittelfabrik Temmler. Wo heute nur noch eine Ruine steht, wurden ab 1938 Woche für Woche Millionen Pervitin-Pillen gepresst. Chef-Pharmakologe Dr. Fritz Hauschild hatte auf der Suche nach einem leistungssteigernden Mittel die Volksdroge Pervitin entwickelt, die bedeutend stärker war als das amerikanische Vorbild Benzedrin. (1957 erhielt der Forscher dafür den Nationalpreis der DDR.)

Angeblich waren 40 % der Berliner Ärzte heroinsüchtig

Die Firma Temmler setzte mit ihrer Produktion eine Industrietradition fort. Im Kapitel "Deutschland, Land der Drogen" wird deutlich, wie sich Deutschland 1926 zum Exportweltmeister bei Heroin entwickelte. 98 % der Produktion wurde ins Ausland geliefert, das entsprach 40 % des Weltmarktes. Merck, Boehringer und Knoll beherrschten 80 % des Weltmarktes für Kokain. Die Alkaloid-Industrie veredelte trotz Opiumabkommen des Völkerbundes zur Beschränkung der Herstellung und zur Regelung der Verteilung von Opium 1928 noch 200 Tonnen der Droge.

In Berlin wurde erstmals großflächig für Pervitin geworben u.a. in der U-Bahn und in Bussen. Temmler-Vertreter besuchten Praxen und Kliniken. Der Zuspruch im Volk war riesig. Pervitin gab es sogar in einer Pralinensorte. Der Leser erfährt über die Hauptstadt: "Filme über Kokain und Morphium liefen in den Kinos und an den Straßenecken gab es sämtliche Drogen rezeptfrei. Angeblich waren 40 % der Berliner Ärzte heroinsüchtig."

Ab 1933, mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten, änderte sich das Bild. Drogenkonsum wurde hart bestraft. Ärzte, die Rauschmittel konsumierten, konnten mit Berufsverboten bis zu fünf Jahren belegt werden, das Ärztegeheimnis zu illegalen Substanzen wurde aufgehoben und Ärzte wurden von der Kammer aufgefordert, Meldungen zu machen, wenn sie einem Patienten länger als drei Wochen Betäubungsmittel verordneten.

1936 nahm die Reichszentrale zur Bekämpfung von Rauschgiftvergehen ihre Arbeit auf. Jeder Bürger sollte an Rauschgiftsucht leidende Angehörige und Bekannte melden. "Drogenkonsumenten landeten bald auch in Konzentrationslagern", schreibt Ohler.

Das Kapitel "Sieg High – Blitzkrieg ist Methamphetaminkrieg (1939- 1941)" gibt Einblick in die Wirkungen von Pervitin bei Kämpfen der Wehrmacht. Zudem geht es um Forschungen am Wehrphysiologischen Institut, einer Abteilung der Militärärztlichen Akademie in der Berliner Invalidenstraße, wo Sanitätsoffiziersanwärter ausgebildet wurden. Beschrieben werden vom Autor die ersten sys­tematischen Drogenversuche der Militärgeschichte. Hierbei wurde Pervitin als Schlafbeseitigungsmittel getestet – in der Hoffnung, die natürliche Ermüdung bei Soldaten im Einsatz vorübergehend zu beseitigen.

Hitler ließ sich vom Leibarzt fast täglich behandeln

Die Wehrmacht bestellte schließlich bei Temmler 35 Mio. Methamphetamin-Tabletten für Heer und Luftwaffe. Pervitin, auch damals als "Fliegersalz" bekannt, erwies sich, wie der Autor schreibt, als idealer Begleiter im Schlachtfeld: Es "schaltete Hemmungen aus, wodurch das Kämpfen leichter fiel". Zitiert wird der Historiker Dr. Peter Steinkamp: "Der Blitzkrieg war methamphetamingesteuert. Um nicht zu sagen, der Blitzkrieg war methamphetaminbegründet."

Einen Großteil des Buches widmet Ohler "Patient A." und seinem Leibarzt Dr. Theodor Gilbert Morell. Erstmals trafen beide 1936 bei einem Essen in München aufeinander. Der Reichskanzler klagte nebenbei über Magen- und Darmbeschwerden.

Für den Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten Dr. Morell wurde seine daraufhin erfolgte Verordnung eines Darmbakteriums der Schlüssel zur Reichskanzlei und zugleich der Beginn einer Karriere als Promi-Arzt. Zu seinen Patienten zählten Max Schmeling und Hans Albers.

Allerdings hatte der gebürtige Hesse bald kaum noch Zeit für seine Praxis am Berliner Kurfürs­tendamm, da er zunehmend vom Reichskanzler in Anspruch genommen wurde. Nachzulesen ist, dass der von Göring als "Reichsspritzenmeister" bezeichnete Dr. Morell den Führer von 1941 bis 1945 fast täglich behandelte. 1100-mal seien Medikamente notiert, zudem 800 Spritzen. Injiziert wurden vor allem Vitamine und das Opiat Eudokal.

1944 kam durch den HNO-Arzt Dr. Erwin Giesing Kokain hinzu. Hitler war schließlich laut Ohler "im Dauernebel" und litt unter starken Nebenwirkungen. Berichtet wird im Buch zudem über den teils exzessiven Drogenkonsum in Hitlers Führungsriege. 


Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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