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Von der Amyloidbremse profitiert auch das Herz

Die Transthyretin-Amyloid-Kardiomyopathie (ATTR-CM) ist eine Erkrankung mit verheerender Prognose: Drei Jahre nach der Diagnose ist jeder zweite Patient tot. Bei mutiertem Transthyretin (TTR) verläuft die Krankheit noch rascher, beim Wildtyp etwas langsamer. Pathogenetisch liegt eine Akkumulation von Amyloidfibrillen zugrunde, die aus fehlgefaltetem TTR bestehen. Am Herzen führt das zu einer restriktiven Kardiomyopathie und schließlich zu einer rasch progredienten Herzinsuffizienz. ATTR lagert sich jedoch nicht nur im Herzmuskel ab, sondern auch in anderen Geweben, vor allem im Nervensystem.
Die ATTR-CM gilt als Orphan Disease, aber so selten kommt sie vermutlich gar nicht vor, meinte Professor Dr. Claudio Rapezzi von der Universität Bologna. Nachdem die Myokardszintigraphie als nicht-invasive Diagnostik etabliert wurde, haben Studien ergeben, dass ca. 15 % der Patienten, die wegen einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion hospitalisiert werden oder bei denen eine schwere Aortenstenose per Katheter repariert wird, eine ATTR-CM aufweisen. Bei herzinsuffizienten Patienten mit Alarmzeichen (siehe Kasten) würde man zweifellos noch öfter fündig.
Warnsignale der ATTR-Kardiomyopathie
- Karpaltunnelsyndrom, vor allem bei beidseitigem Befall
- Spinalstenosen
- Glaukom, abnorme Blutgefäße, unregelmäßige Pupillen
- Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion, Wandverdickungen ohne Ventrikeldilatation
- progrediente symmetrische periphere sensorimotorische und autonome Neuropathie
Neuropathiepatienten profitieren bereits
Therapeutisch sah die Situation bisher mau aus. Außer Supportivmaßnahmen gab es nichts, was den Patienten anzubieten war. Das hat sich mit der Phase-III-Studie ATTR-ACT, die Prof. Rapezzi präsentierte, schlagartig geändert. Das darin getestete Medikament, Tafamidis, schützt TTR davor, in Monomere zerlegt zu werden, und hemmt damit einen entscheidenden Schritt der Amyloidbildung. Für die Behandlung der ATTR-Neuropathie ist es schon seit einigen Jahren zugelassen. Für die Indikation Herz wurde es aber bisher noch nie in einer großen Studie getestet. An ATTR-ACT haben 441 Patienten mit ATTR-CM teilgenommen, die 30 Monate lang 20 oder 80 mg Tafamidis oral oder Placebo erhielten. (In der sich anschließenden Langzeitverlängerung nehmen alle Patienten den TTR-Stabilisator, Ergebnisse liegen noch nicht vor.) Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie waren der bioptische Nachweis von Amyloid (nicht zwingend im Herzmuskel), von TTR-Vorläuferprotein per Immunhistochemie oder Massenspektrometrie, einer kardialen Wandverdickung im Echo sowie einer Herzinsuffizienz mit einem NT-proBNP über 600 pg/ml und einer Sechsminutengehstrecke über 100 m. Die Endpunkte wurden in hierarchischer Reihenfolge analysiert, beginnend mit der Gesamtmortalität, gefolgt von Hospitalisierungen wegen kardiovaskulärer Komplikationen. Beide traten unter Tafamidis hoch signifikant seltener auf (p<0,001), wobei die Unterschiede bereits zwölf bis 18 Monate nach Studienbeginn zutage traten. Die Gesamtmortalität ging um fast ein Drittel zurück (30 % versus 43 %), die Hospitalisierungsrate ebenfalls (0,48 versus 0,7 pro Patientenjahr).Vorsicht bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz
Außerdem nahmen körperliche Leistungsfähigkeit und Lebensqualität wesentlich langsamer ab als unter Placebo. Das alles bei einer Sicherheit, die Prof. Rapezzi als „fantastisch“ bezeichnete. „Das ist die erste Phase-III-Studie, die Patienten mit dieser schrecklichen Krankheit neue Chancen eröffnet“, so der italienische Kardiologe. Professor Dr. Jacob George vom Herzzentrum am Kaplan Medical Center in Revohot kam die Aufgabe zu, die Studie zu diskutieren. Er befand die Ergebnisse für eindrucksvoll und überzeugend, wies aber darauf hin, dass es Subgruppenanalysen zufolge Probleme bei Patienten mit fortgeschrittener Pumpschwäche geben könnte. Bei ihnen kam es unter Tafamidis häufiger zu Hospitalisationen. Wie immer bei Subgruppenanalysen gilt: Das ist nur ein Hinweis, kein Beweis. Es mahnt aber zur Vorsicht. Der israelische Kollege verwies außerdem auf die Ähnlichkeit der Krankheitsprozesse bei TTR-Amyloidosen und der Alzheimer-Erkrankung. Möglicherweise ließen sich aus dem Erfolg mit Tafamidis auch Konzepte für andere Amyloidosen ableiten.Quelle: ESC (European Society of Cardiology) Congress 2018
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