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Vorsicht! Fallen bei Senioren-Bauchschmerz
Nicht selten präsentieren sich bei geriatrischen Patienten auch schwere Krankheitsbilder atypisch oder symptomarm, unterstreichen Dr. Bernd Richter und Professor Dr. Cornel Sieber vom Institut für Biomedizin des Alterns der FAU Erlangen-Nürnberg. Der zweite Fallstrick: Eine „ordentliche“ Anamnese lässt sich oft – etwa wegen Demenz – nur schwer erheben. Daher werden initial oft falsche Diagnosen gestellt.
Typische Symptome einer Erkrankung fehlen
Eine typische Kolik-Symptomatik fehlt oft bei Schmerzen im rechten Oberbauch und dem ebenfalls häufigen „Übeltäter Galle“. Daher ist besondere Vorsicht im Hinblick auf die akute Cholezystitis geboten: Auf die klassischen Symptome wie Fieber, rechtsseitiger Oberbauchschmerz mit lokaler Druckempfindlichkeit bzw. Abwehrspannung können Sie sich bei geriatrischen Patienten nicht verlassen.
Trotz ausgeprägter Krankheitsverläufe fehlen möglicherweise Fieber und Abwehrspannung, warnen die Experten. Meist tritt die akute Cholezystitis bei Senioren als Komplikation einer Cholelithiasis mit Verlegung des Ductus cysticus auf.
Bei Reflux Inappetenz statt Sodbrennen
Ebenfalls als Komplikation einer Gallengangsverlegung kann es zur akuten Cholangitis mit Schmerzen, Fieber und Ikterus kommen. Differenzialdiagnostisch zu erwägen sind: Gallestau durch Gallengangskarzinom, Pankreaskopfkarzinom oder hepatische Filiae.
Klagt Ihr betagter Patient über Drücken und Brennen im Epigastrium, gilt die Refluxösophagitis als eine der wichtigsten Differenzialdiagnosen. Die „Refluxkrankheit“ wird bei älteren Menschen leicht übersehen, weil bei ihnen klinisch häufig nur Inappetenz und eine leichte hypochrom-mikrozytäre Anämie im Vordergrund stehen. Bei Karzinomen der Speiseröhre oder am Mageneingang besteht meist zusätzlich eine Dysphagie.
NSAR-Ulzera oft völlig schmerzfrei
Aber auch die akute Gastritis bzw. Ulzera in Magen und Zwölffingerdarm sind bei Oberbauchschmerzen wichtige Differenzialdiagnosen. Um klinisch nichts zu übersehen, ist es ratsam, beim leisesten Verdacht anamnestisch nach dem „Risikofaktor NSAR“ zu fragen: Geriatrische Patienten entwickeln – besonders unter NSAR – teils ausgedehnte Ulzera mit geringer oder fehlender Schmerzsymptomatik, warnen Dr. Richter und Prof. Sieber. Nehmen die Beschwerden zu oder strahlen in den Rücken aus, kann auch eine gedeckte oder freie Perforation vorliegen.
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Ileus, Ulkus, Gallenstein und Aneurysma oft gut maskiert
Als weitere Notfallsituation nennen die Kollegen das rupturierte Aortenaneurysma: Starker akuter Bauchschmerz mit Ausstrahlung in Rücken oder Flanken gelten als Alarmsignale. Die Prävalenz von Bauchaortenaneurysmen beträgt bei Senioren immerhin bis zu 8 %. Ab einer gewissen Größe (5–6 cm) liegt die Rupturrate bei 10 % pro Jahr.
Jeder zehnte Blinddarm meldet sich im Alter
Auch der Blinddarm sollte klinisch in Betracht gezogen werden: Etwa 10 % der akuten Appendizitiden betreffen Patienten über 70 Jahre – mit typischem Schmerz im Mittelbauch, der sich nach rechts unten verlagert. Bei Senioren finden sich häufig atypische bzw. afebrile Verläufe, warnen die Kollegen.
Sitzt der Unterbauchschmerz mehr in der Mitte, kommen Rektumprozesse, eine akute Zystitis oder auch ein Harnverhalt infrage. „Linker Unterbauch“ lenkt hingegen den Verdacht auf eine Divertikulitis. Neben vielen anderen Ursachen kann auch eine „Nierenpathologie“ (Steine, akute Pyelonephritis) hinter den Abdominalschmerzen stecken.
Eine relevante Senkung der Mortalität lässt sich nur durch konsequente frühe Diagnostik erreichen, betonen die Geriater. Daher empfehlen sie, bei betagten Patienten die Indikation zur abdominellen Sonographie und Computertomographie großzügig zu stellen.
Ileus durch Verwachsungen Insbesondere beim Ileus ist die große Variabilität der Schmerzlokalisation diagnostisch irreführend, heben die Geriater hervor. Der Dünndarm-Ileus imponiert mit diffusen, teils kolikartigen Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Die Totenstille folgt erst später im Verlauf, in der frühen Phase können die Darmgeräusche gesteigert sein. Bei älteren Menschen sind meist Verwachsungen die Ursache für einen Dünndarmverschluss (bis zu 70 %), am zweithäufigsten finden sich Hernien. Der Dickdarmileus geht oft auf ein Kolonkarzinom oder eine Divertikulitis zurück. |
Bernd Richter, Cornel Sieber, Therapeutische Umschau 2011; 68: online first
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