Wann ergeben molekulare Tests Sinn?

Friederike Klein

Um die richtige Strategie zu wählen ist es wichtig, vorher mögliche Mutationen mit molekularen Tests zu identifizieren. Um die richtige Strategie zu wählen ist es wichtig, vorher mögliche Mutationen mit molekularen Tests zu identifizieren. © Connect world – stock.adobe.com

Molekulare Marker bilden für einige Personen mit Pankreaskrebs die Grundlage für neue Behandlungsoptionen. Diese können aber nur eingesetzt werden, wenn auf die entsprechenden Alterationen getestet wird, weshalb sich Experten auf dem ESMO GI dafür aussprachen, ein Next Generation Sequencing bei allen Betroffenen durchzuführen.  

Für Erkrankte mit Pankreaskarzinom stehen nur wenige Therapieoptionen zur Verfügung.  Um ihnen neue Möglichkeiten zu eröffnen, sei eine umfassende Testung mittels Next Generation Sequencing (NGS) wichtig, betonte Prof. Dr. Thomas Seufferlein von der Universitätsklinik in Ulm. 

Bereits etabliert sind Testungen auf BRCA1/2-Keimbahnmutationen und Mikrosatelliteninstabilität (MSI). Liegt eine Erstere vor, kann die Erhaltungstherapie mit dem PARP-Inhibitor Olaparib nach einer platinbasierten Behandlung ein Pankreasadenokarzinom  (PDAC) länger stabilisieren. Die Alteration ist bei etwa 5 % der Patient:innen mit PDAC zu finden. 

Der Nachweis einer hohen MSI (MSI-H) eröffnet die Möglichkeit, Checkpoint-Inhibitoren einzusetzen. MSI-H-Tumoren sind allerdings sehr selten (< 1 %), die Immuntherapie spielt ansonsten beim meist „kalten“ Pankreaskarzinom kaum eine Rolle. Ähnlich selten kommen NTRK-Fusionen (< 1 % aller PDAC) vor. Können sie nachgewiesen werden, stehen NTRK-Hemmer als wirksame, zielgerichtete Substanzen zur Verfügung. 

Nur auf einzelne molekulare Veränderungen zu testen, reicht jedoch nicht aus. Sequenziert man das gesamte Exom sowie die RNA von Patient:innen mit fortgeschrittenen PDAC, finden sich in viel mehr Fällen potenziell therapierelevante Veränderungen, berichtete der Referent. In einer Studie wiesen 48 % der Erkrankten therapeutisch relevante Genveränderungen auf und bei 30 % führte das Testresultat zu einer Änderung des klinischen Managements. Das spricht für die breite Testung mit NGS, betonte Prof. Seufferlein. 

Dass eine auf das molekulare Ergebnis abgestimmte Strategie lohnt, zeigen Daten aus dem Register „Know Your Tumor (KYT)“. Darin wurden 677 Patient:innen mittels NGS untersucht. 189 Tumoren zeigten eine therapierelevante molekulare Veränderung, und 46 Erkrankte erhielten die passende Behandlung. Diese Personen lebten median 2,58 Jahre und damit signifikant länger als diejenigen mit Alteration, aber anderer Therapie (1,51 Jahre; HR 0,42) oder solche ohne Alteration (1,32 Jahre; HR 0,34). 

Substanzen, die weitere molekulare Veränderungen adressieren, rücken in greifbare Nähe. ­KRASG12C-Inhibitoren sind bereits für die Behandlung anderer Krebserkrankungen zugelassen. Atypische KRASG12R-Mutationen sind ebenfalls therapierelevant: Sie scheinen besonders sensitiv auf Cobimetinib plus Gemcitabin sowie Selumetinib zu reagieren, berichtete Prof. Seufferlein. Auch für Tumoren mit KRASG12D-Mutation befinden sich Hemmstoffe in der Entwicklung. 

Auf der anderen Seite tragen KRAS-Wildtyp-Tumoren viele andere, potenziell therapeutisch relevante Alterationen, beispielsweise NTRK, BRAF, ALK, RET oder NRG. Die Applikation des bispezifischen Antikörpers Zenocutuzumab führte in einer Phase 1/2-Studie bei 42 % der fortgeschrittenen NRG1-positiven PDAC zu einem partiellen Ansprechen. Weitere 50 % der Teilnehmenden wiesen eine stabile Erkrankung auf. In den USA wurde bereits eine bedingte Zulassung erteilt. 

Aktuell empfiehlt Prof. Seufferlein ein NGS insbesondere für Patient:innen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem PDAC – in dieser Situation könne man bei einem Viertel der Betroffenen adressierbare Veränderungen erwarten; ansonsten gäbe es als Alternative nur die Chemotherapie. Sind die Ressourcen begrenzt, schlägt er vor, zunächst auf KRAS-Alterationen zu testen, da für Tumoren mit ­KRASG12R- oder KRASG12C-Mutationen bereits Wirkstoffe verfügbar sind. Bei KRAS-Wildtyp sollte dann ein NGS und eine RNA-Sequenzierung oder ein Hybrid-Capture-Verfahren eingesetzt werden. Der beste Zeitpunkt für die Testung sei dann, wenn eine zugelassene Behandlung nicht mehr wirksam ist oder nicht infrage kommt.

Personalisierte Medizin in die Fläche bringen

Unterstützt vom Innovationsfond wurde kürzlich in Deutschland das Deutsche Netzwerk für Personalisierte Medizin (DNPM) ins Leben gerufen. Ausgehend von vier Zentren für personalisierte Medizin in Baden-Württemberg sollen zusammen mit den nationalen universitären Krebszentren, den Comprehensive Cancer Centers (CCCs), bundesweit an weiteren neun Standorten entsprechende Zentren für Personalisierte Medizin eingerichtet werden. Ziel ist die Entwicklung gemeinsamer Standards und die möglichst flächendeckende Etablierung molekularer Tumorboards, um Patient:innen bundesweit individualisierte Behandlungsansätze in hoher Qualität zugänglich zu machen.

Quelle: GBA-Innovationsausschuss: DNPM – Deutsches Netzwerk für Personalisierte Medizin;  zuletzt abgerufen am 06.07.2022

Wichtig sei, dass ein Zugang zu klinischen Studien mit entsprechenden zielgerichteten Therapien besteht und dass die Erkrankten noch einen guten Allgemeinzustand aufweisen, ergänzte Prof. Dr. Jordan D. Berlin vom Vanderbilt-Ingram Cancer Center in Nashville. Personen mit ECOG-Performancestatus von 2 oder 3 kämen für die Studienteilnahme in der Regel nicht mehr infrage. In seinem Krebszentrum wird routinemäßig bereits vor Beginn der Erstlinientherapie ein NGS durchgeführt und auch auf Keimbahnmutationen getestet. Weil das NGS einige Zeit dauert, erhalten die Betroffenen aber auch dann meist einen Zyklus einer platinhaltigen Chemotherapie bevor gegebenenfalls die zielgerichtete Behandlung starten kann.

Quelle: Seufferlein T. ESMO World Congress on Gastrointestinal Cancer 2022; Vortrag: „Debate: Molecular Changes in Pancreatic Ductal Adenocarcinoma: NGS in All Patients With (m)PDAC - PRO.

Kongressbericht: ESMO World Congress on Gastrointestinal Cancer 2022

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Um die richtige Strategie zu wählen ist es wichtig, vorher mögliche Mutationen mit molekularen Tests zu identifizieren. Um die richtige Strategie zu wählen ist es wichtig, vorher mögliche Mutationen mit molekularen Tests zu identifizieren. © Connect world – stock.adobe.com