
Warum man mit Fosfomycin überlegt umgehen sollte

Lange Zeit stand das Fluorchinolon Ciprofloxacin bei unkomplizierten Harnwegsinfekten an erster Stelle. Dann wurde vor zunehmenden Resistenzen gegen das Antibiotikum gewarnt. 2018 und 2019 folgten Rote-Hand-Briefe zu Fluorchinolonen im Allgemeinen, die vor den Risiken von Aortenaneurysmen und -dissektionen warnten sowie auf schwerwiegende Effekte auf das Nervensystem und auf mögliche Sehnenrupturen hinwiesen. Seitdem sind die Verschreibungszahlen bei den Fluorchinolonen deutlich zurückgegangen, schreibt ein Autorenteam um Dr. Rolf Tessmann von der Arbeitsgruppe Antibiotic Stewardship des MRE-Netzes Rhein-Main.
Inzwischen verschreiben die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen am häufigsten orales Fosfomycin. Grund für das geänderte Verordnungsverhalten ist u a. die praktische Einmalgabe dieses Antibiotikums, die bei Frauen und weiblichen Jugendlichen mit unkomplizierter Zystitis tatsächlich ausreichend ist. Bei anderen Infektionen ist orales Fosfomycin aber keinesfalls eine Option. Denn per os werden lediglich in den ableitenden Harnwegen therapeutisch wirksame Konzentrationen erreicht, nicht aber in den anderen Geweben.
Fosfomycin nicht effektiver als die anderen Substanzen
Dass Fosfomycin in den Leitlinien zur Zystitis der Frau an erster Stelle steht, ist allein dem Alphabet und nicht etwa der besseren Wirksamkeit geschuldet, stellt das Autorentrio klar. Die anderen dort genannten Antibiotika Pivmecillinam, Nitroxolin und Nitrofurantoin sind mindestens ebenso gute Alternativen. Auch Cotrimoxazol zeigt in neuen Untersuchungen eine bessere Wirksamkeit auf E. coli, den häufigsten Erreger von Harnwegsinfektionen.
Warum sehen Infektiologinnen und Infektiologen den breiten Einsatz von Fosfomycin trotz seiner guten Verträglichkeit und bisher niedrigen Resistenzraten mit Sorge? Grund ist, dass intravenös verabreichtes Fosfomycin bei vielen schweren Infekten eine ganz besondere und unverzichtbare Reserve darstellt. Als Breitspektrumantibiotikum vom Epoxid-Typ
- hat es keine Verwandtschaft mit anderen Antibiotika,
- deckt es ein weites Spektrum sowohl bei Gramnegativen als auch bei Grampositiven ab und
- ist bei multiresistenten Erregern wirksam.
Zudem penetriert das kleine Molekül extrem gut in sonst schwer zu erreichende Strukturen wie Knochen, Gelenke oder sogar ins zentrale Nervensystem. Selbst stark entzündete Gewebe werden gut erreicht. Zudem wirkt es synergistisch mit Antibiotika anderer Klassen.
Aus diesen Gründen hat die WHO 2018 Fosfomycin i. v. als Reserveantibiotikum eingestuft. Auch die Europäische Arzneimittelkommission EMA empfiehlt, die Anwendung von Fosfomycin einzuschränken und Fosfomycin i. v. nur bei schweren Infekten zu verwenden, wenn andere Antibiotika nicht mehr wirken. Es soll immer in Kombination verabreicht werden, um Resistenzen zu verhindern. Bei schweren Infektionen mit multiresistenten Erregern wie MRSA* oder VRE** wirkt Fosfomycin kombiniert mit anderen Antibiotika oft lebensrettend.
Die Wirksamkeit dieses wertvollen Reservemedikaments sollte nicht leichtfertig durch den übermäßigen Einsatz bei unkomplizierten Harnwegsinfekten aufs Spiel gesetzt werden – zumal bessere Alternativen zur Verfügung stehen. Sorgen bereitet, dass in den vergangenen Jahren der Einsatz von oralem Fosfomycin sogar in Krankenhäusern deutlich zugenommen hat.
*methicilinresistenter Staphylococcus aureus
**vancomycinresistente Enterokokken
Quelle: Teßmann R et al. Hess Ärztebl 2024; 6: 332-335
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