Was ändert sich bei der ambulant erworbenen Pneumonie?

Dr. Sascha Bock, Foto: fotalia, Ocskay Bence

Kriterien zur Risikoeinschätzung, Wahrscheinlichkeit für Resistenzen und Nachsorgeempfehlungen - ein Überblick über die wichtigsten Änderungen in der kommenden S3-Leitlinie.

Wie filtert man die Risikopatienten heraus? Wann behandelt man lieber stationär? Die neue Leitlinie ging bei der Risikobewertung zu einem Konzept der Funktionseinschränkungen über, erklärte Prof. Dr. Tobias Welte von der Klinik für Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover.

Als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal gilt fortan der Parameter „Bettlägerigkeit“.

O2-Sättigung auch in der Praxis dokumentieren

Eine gute bis ausreichende Funktionaliät ist demnach definiert als Bettlägerigkeit < 50 % des Tages. Erkranken Personen dieser Gruppe an einer Pneumonie, erfolgt die Schweregradbestimmung wie gehabt mit dem CRB-65-Score (s. Kasten), ergänzt durch die Messung der Oxygenierung.

CRB-65-Index: Ambulant oder stationär behandeln?
Jeweils 1 Punkt für folgende Kriterien:
  • Bewusstseinstrübung (Confusion)
  • Atemfrequenz (Respiratory Rate) ≥ 30/min
  • Blutdruck diastolisch ≤ 60 mmHg oder systolisch < 90 mmHg
  • Alter ≥ 65 Jahre

Bei einem Score ≥ 1 sollte eine stationäre Einweisung erwogen werden.

„Auch in der Praxis sollte die Sättigung dokumentiert werden“, betonte Prof. Welte. Etwaige Komorbiditäten tragen ebenfalls zur Entscheidung ambulante/intensivierte Therapie vs. Hospitalisation bei.

Als potenziell instabil bezeichnete der Referent Patienten mit schlecht eingestelltem Diabetes, schwerer Nieren- oder Leberinsuffizienz, schwerer KHK bzw. Herzinsuffizienz sowie maligner Arrhythmie. Unter einem Pneumonieereignis können diese Grunderkrankungen schnell dekompensieren, weshalb eine stationäre Behandlung erfolgen sollte. 15 % aller Pneumoniepatienten sterben an akuter kardialer Dekompensation, so Prof. Welte.

Bei schlechter Funktionalität gestaltet es sich schon problematischer, diejenigen herauszufiltern, die man sicher zu Hause lassen kann. CRB-65, Oxygenierung und Komorbiditäten liefern in diesem Fall keinen prädiktiven Wert. Der Kollege riet alleine aufgrund der Bettlägerigkeit, eine stationäre Einweisung zu erwägen.

Bei Palliativ-Patienten gilt es den Einzelfall zu prüfen

Eine weitere Gruppe stellen palliative Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie dar. Hier muss die Sinnhaftigkeit einer Therapie bei jedem Einzelnen hinterfragt und mit den Angehörigen diskutiert werden, erklärte der Pneumologe. Die Indikation für eine Einweisung ergibt sich nur aus pflegerischer Sicht. Zur Basisdiagnostik einer Pneumonie gehören neben eingehender klinischer Untersuchung und CRB-65 weiterhin Röntgen-Thorax, Labor und bei entsprechender Expertise eine Thoraxsonografie.

Risiko für definierte Erreger einer ambulanten Pneumonie
KomorbiditätErreger
chronische HerzinsuffizienzEnterobakterien
(z.B. Klebsiella pneumoniae, E. coli)
ZNS-Erkrankungen (mit Schluckstörungen)S. aureus (Methicillin-sensibel), Enterobakterien, Anaerobier
Schwere COPD (GOLD IV und/oder häufige Exazerbationen), BronchiektasenP. aeruginosa
Bettlägerigkeit, PEGS. aureus, Enterobakterien, P. aeruginosa

Therapeutisch gibt es ebenfalls kaum Neuerungen. Prof. Welte betonte jedoch, dass orale Cephalosporine keinen Platz in der Primärbehandlung haben. Außerdem mahnte er dazu, die Vitalparameter von Risikopatienten intensiver zu kontrollieren – auch im ambulanten Bereich. Komplikationen, die erst im Verlauf auftreten, können so rechtzeitig erfasst werden.

Pneumonie nach Reise? An resistente Keime denken!

Multiresistente Keime sind und bleiben ein großes Problem. Doch kann man bei Patienten im Pflegeheim voraussagen, welche (multiresistenten) Erreger vorliegen? Oder gilt jeder Altenheimbewohner als Risikopatient und bekommt gleich mehrere Antibiotika? Letzteres wäre laut Prof. Welte nicht vernünftig. Denn bestimmte Grunderkrankungen begünstigen bestimmte Erreger (s. Tabelle). Um etwaige Resistenzen zu entdecken, reicht es, im Alltag nach vorheriger Hospitalisierung sowie vorhergegangener Antibiose zu fragen.

„Und machen Sie eine Reiseanamnese“, forderte der Referent. Eine Pneumonie nach Auslandsaufenthalt sei bis zum Beweis des Gegenteils durch einen multiresistenten Keim bedingt – die Wahrscheinlichkeit liege bei 90 %!

Erstmals werden auch Nachsorgeempfehlungen verankert: Dazu zählen Rauchstopp, ggf. Kortikoid-Dosisreduktion bei COPD-Kranken und die frühzeitige Diagnose einer Dysphagie. „Denken Sie gerade bei alten bettlägerigen Patienten an eine Schluckstörung“, warnte Prof. Welte.

Auch die Indikation von Medikamenten gehört nach einer Pneumonie kritisch überprüft. Vor allem Protonenpumpenhemmer begünstigen ein Keimwachstum im Gastrointestinaltrakt und erhöhen das Pneumonierisiko.

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