
Was muss wann abgeklärt werden?
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Die Gynäkomastie resultiert aus einem Ungleichgewicht zwischen Testosteron und Östrogen. Physiologisch kommt das bei Neugeborenen durch transplazentare Übertragung von Östrogenen vor. Auch in der Pubertät kann eine Gynäkomastie auftreten, bedingt durch ein verzögertes Einsetzen der Testosteronproduktion, ebenso bei älteren Männern durch absinkende Konzentrationen freien Testosterons. In diesen Fällen bedarf es nur selten einer weiteren Abklärung, schreiben James Daniels von der British Army und Kollegen.
Zu den nicht-physiologischen Ursachen einer Gynäkomastie gehören:
- lebensstilbedingte Veränderungen im Hormonstoffwechsel, z.B. durch Übergewicht oder Alkoholmissbrauch
- chronische Erkrankungen wie Leberzirrhose und Niereninsuffizienz
- primärer oder sekundärer Hypogonadismus, Hyperthyreose, Cushing-Syndrom oder andere endokrine Störungen
- selten Malignome von Hoden, Leber, Nebenniere und Lunge
- Medikamente (siehe Kasten)
Diese Wirkstoffe können eine Gynäkomastie verursachen
20–25 % aller Fälle einer Gynäkomastie lassen sich auf Medikamente zurückführen. Bevor man weitere Abklärungsschritte unternimmt, sollte man diese potenziellen Ursachen prüfen:
ACE-Hemmer, Amiodaron, Amphetamine, Anabolika, Androgenrezeptorantagonisten, antiretrovirale Substanzen, Benzodiazepine, Calciumantagonisten, Cannabis, Chemotherapeutika, Digoxin, Finasterid, GnRH-Analoga, Haloperidol, Heroin, Histaminantagonisten, Ketoconazol, Metoclopramid, Metronidazol, Olanzapin, Opioide, Protonenpumpenhemmer, Risperidon, Spironolacton, trizyklische Antidepressiva.
Eventuell lässt sich die Gynäkomastie leicht durch einen Stopp oder Wechsel der Substanzen beheben.
Männer, die wegen einer Gynäkomastie den Arzt aufsuchen, empfinden das Anschwellen der Brustdrüsen vor allem als Bedrohung ihrer Männlichkeit und ästhetisches Problem. Auch Schmerzen können vorhanden sein. Abgeklärt werden muss zunächst, wann und wie schnell die Symptome aufgetreten sind und wie lange sie schon andauern. Die Wahrscheinlichkeit für ernsthafte Erkrankungen ist höher, wenn die Schwellung rasch kam.
Echte Gynäkomastie von Pseudovariante unterscheiden
Differenzialdiagnostisch in Betracht kommt vor allem bei älteren Männern ein Mammakarzinom. Das Lebenszeitrisiko für diesen Tumor liegt zwar insgesamt mit 0,1 % extrem niedrig, vervielfacht sich jedoch bei Vorliegen von BRCA1- oder BRCA2-Mutationen. Verdächtig ist insbesondere eine einseitige Brustschwellung. Auch ekzematöse Hautveränderungen, Sekretion aus der Brustwarze oder Retraktion der Brustwarze gelten als Warnsignale. Auf endokrine Ursachen weisen Gewichtszunahme oder -abnahme, Diarrhö, Tremor, Palpitationen oder sexuelle Dysfunktionen hin.
Eine einfache Tastuntersuchung genügt, um zwischen einer echten und einer Pseudogynäkomastie zu unterscheiden. Letztere wird verursacht durch eine übermäßige Ansammlung von weichem Fettgewebe. Der Untersucher palpiert die Brustwarze zwischen Daumen und Zeigefinger. Wenn sich dabei beide Finger aneinanderbringen lassen, kann man von einer Pseudogynäkomastie ausgehen. Bei der echten Gynäkomastie gelingt das nicht, weil festes glanduläres Gewebe im Weg ist.
Dauer und Ausprägung der Gynäkomastie entscheidend
Zur körperlichen Untersuchung gehören die komplette Palpation beider Brüste einschließlich axillärer und supraklavikulärer Lymphknoten. Zudem sollte man nach Zeichen für eine endokrine Störung suchen, z.B. Verlust von Körperhaaren, Sarkopenie, Hodenatrophie sowie Stigmata für Hyperthyreose und Leber- oder Niereninsuffizienz.
Eine weitere Abklärung wird angeraten, wenn
- die Schwellung rasch zunimmt,
- schlanke Männer im Alter über 20 Jahren erst kürzlich eine Gynäkomastie entwickelt haben,
- eine schmerzhafte Schwellung länger als sechs Monate persistiert,
- Heranwachsende eine massive Gynäkomastie bekommen,
- eine Gynäkomastie bei Heranwachsenden länger als 18 bis 24 Monate anhält.
Am Anfang der weiterführenden Diagnostik steht eine laborchemische Untersuchung von TSH, Leberfunktionsparametern, Harnstoff, Elektrolyten, Testosteron, AFP, Beta-hCG und Estradiol. Ergänzt wird das Wertespektrum eventuell durch FSH, LH, Prolaktin, Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG) und Albumin. Erhöhtes Estradiol, Beta-hCG oder AFP können auf Hodenkrebs hinweisen. Die Patienten benötigen eine Hodensonografie und sollten rasch zum Urologen überwiesen werden.
Medikamentös ausgelöste Gynäkomastien bilden sich nach dem Absetzen der Substanzen meist binnen Wochen oder Monaten von selbst zurück. In der akuten Phase hat sich die tägliche Gabe von 10–20 mg Tamoxifen als sehr effektiv erwiesen. Daher wird es – obwohl dafür nicht zugelassen – manchmal off label eingesetzt. Diese Therapie sollte aber in der Hand des Spezialisten bleiben. Denn sie geht mit Nebenwirkungen wie Hitzewallungen, sexueller Dysfunktion und Kopfschmerzen einher.
Wenn das Brustdrüsengewebe bereits fibrotisch geworden ist – meist nach etwa zwei Jahren – kann nur der Chirurg Abhilfe schaffen. Ein Eingriff kommt infrage, wenn Schmerzen persistieren oder die Lebensqualität dauerhaft leidet.
Quelle: Daniels J et al. BMJ 2022; 379: e069771; doi: 10.1136/bmj-2021-069771
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