Was zu tun ist, wenn ein Kind Anzeichen für einen körperlichen Missbrauch aufweist

Dr. Susanne Gallus | Isabel Aulehla

Hat sich das Kind einfach nur gestoßen oder wurde es misshandelt? Hat sich das Kind einfach nur gestoßen oder wurde es misshandelt? © pridannikov – stock.adobe.com

Wer viel mit Kindern zu tun hat, weiß, dass aufgeschlagene Knie, Schrammen oder blaue Flecken zum Alltag gehören. Im Normalfall lassen sich diese schnell von den Eltern oder den Kindern erklären. Doch was, wenn die Beteiligten über den Verletzungshergang schweigen?

Laut Statistik sind immerhin 10 % der Kinder von körperlicher Gewalt betroffen. „Eine Prävalenz, die höher liegt als die von  vielen chronischen Erkrankungen. Jeden zweiten Tag stirbt ein Kind in Deutschland an Misshandlungen, erklärt Prof. Dr. Sibylle
­Winter in einer neuen Folge von O-Ton Allgemeinmedizin. Sie ist stellvertretende Klinikdirektorin der  Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. 

Verletzungen – vor allem Hämatome –, die nicht erklärt werden können, wecken den Verdacht,  dass ein Kind Gewalt erfährt. Ist es in einem Alter, in dem es sich selbst zu potenziellen Vorkommnissen äußern kann, sollte man am besten unter vier Augen nachfragen, rät die Expertin. „Ich frage alle Kinder, ob sie Gewalt erleben.“ Dabei sollte man einerseits nicht unnötig um den heißen Brei herumreden, sich aber andererseits an die kindliche Sprache anpassen. Die Kinderpsychologin rät, Wörter zu nutzen, die das Kind selbst verwendet und kennt. 

Vor allem in zwei Fällen hellhörig werden

In zwei Fällen sollte man hellhörig werden: Zum einen, wenn ein Kind Aussagen zu Gewalterfahrungen macht, seien sie nun konkret oder vage, zum anderen, wenn man das Gefühl hat, das Kind ist extrem belastet, verunsichert und/oder es idealisiert die Eltern extrem. Kinder sind sehr loyal den Eltern gegenüber. 90 % von ihnen schützen sie, auch wenn sie Missbrauch erfahren, so Prof. Winter. Sie und ihr Team erleben dies in der Kinderschutzambulanz jeden Tag. 

Im Gespräch mit Prof. Dr. Sibylle M. Winter

Kinder- und Jugendpsychiaterin und -psychotherapeutin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Oberstes Ziel muss sein, dass die Gefährdung für das betroffene Kind endet. Von den meist überforderten Eltern wird körperliche Gewalt oft als Erziehungsmaßnahme gesehen. Ändern lässt sich das nur, wenn man der Sache nachgeht und mit den Sorgeberechtigten spricht. Als Arzt über den Kopf des Kindes hinweg zu entscheiden und ohne dessen Zustimmung die Eltern zu konfrontieren, sei allerdings nicht richtig und insbesondere bei sexualisierter Gewalt der falsche Weg, so die Expertin. 

Um einen Weg aus dieser Zwickmühle zu finden, könne man sich Unterstützung holen, bei privaten Organisationen, zum Beispiel der medizinischen Kinderschutzhotline oder bei der Fachkraft des zuständigen Jugendamtes. Dieses Angebot sollte man als Niedergelassener durchaus in Anspruch nehmen, meint Prof. Winter. Dies sei insbesondere deshalb sinnvoll, weil in der eng getakteten Sprechstunde sehr oft die Zeit fehlt, sich intensiv mit den Fällen auseinanderzusetzen.

Ärzte kommt beim Aufdecken eine wichtige Rolle zu

Nach Meinung von Prof. Winter spielen Ärzte eine wichtige Rolle beim Erkennen von Kindesmisshandlung. Viele Fälle würden durch Mediziner aufgedeckt. Dennoch, nach Angaben der WHO werden immer noch 90 % der Kindesmisshandlungen übersehen. „Ich würde mir wünschen, dass das noch mehr zum Thema gemacht und mitgedacht wird, auch wenn es nicht das erfreulichste Thema ist. Aber die Kinder haben keine Chance sonst.“ Mehr über das richtige Vorgehen in Verdachtsfällen erfahren Sie in der aktuellen Folge O-Ton Allgemeinmedizin.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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