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Weg mit den Antikörpern bei der Fatigue

Die Immunadsorption entfernt Partikel wie Antikörper aus dem Blut. Sie wird inzwischen bei einigen rheumatischen Erkrankungen angewendet. Im Rheumazentrum Rheinland-Pfalz kam sie innerhalb von knapp drei Jahren bei 153 Patienten 592 Mal zum Einsatz, berichteten Matthias Ehl vom Schwerpunkt Rheumatologie und klinische Immunologie, Universitätsmedizin Mainz, und Kollegen. Die mit Abstand häufigste Grunderkrankung der Betroffenen war die rheumatoide Arthritis (RA, 70 % der Fälle), gefolgt vom systemischen Lupus erythematodes (SLE, 13 %). Erforderlich wurde die Immunadsorption vor allem aufgrund hoher Antikörpertiter, fehlenden Therapieansprechens und Fatigue sowie zum Bridging, berichtete Ehl.
In der Summe führte die Behandlung zu einer etwa 30–40%igen Reduktion der IgG-, IgM- und IgA-Antikörper. Auch der Rheumafaktor sank bei den RA-Patienten um ca. 30 %. Bei vier Patienten mit Fatigue wurden vor und nach der Immunadsorption zudem die mit Fatigue assoziierten Anti-NR2-Antikörper gemessen. In allen Fällen kam es zu einem Absinken der Titer zwischen 7 % und 70 %. Auch wenn die Daten natürlich keine statistische Aussagekraft haben, geben sie dennoch einen ersten Hinweis darauf, dass das Prinzip vielversprechend ist, meinte Ehl.
Die klinische Relevanz der Antikörperreduktion demonstrierte der Kollege am Fall einer 32-jährigen SLE-Patientin mit ausgeprägter Fatigue. Wiederholte Immunadsorptionen verbesserten ihre Beschwerden jeweils deutlich. Ihre Glukokortikoiddosis konnte im Verlauf auf < 5mg/d Prednisolon gesenkt werden, wobei sie Hydroxychloroquin als Basistherapie weiter bekam. Die Immunadsorption kann in schwierigen Fällen – wie einer Fatigue – eine gute Option sein, lautete das Fazit von Ehl. Um den klinischen Effekt genauer zu bemessen, seien jedoch weitergehende Studien erforderlich.
Patienten mit ME/CSF haben vermehrt GCPR-Antikörper
Die Daten zur Immunadsorption sind bisher recht spärlich, erklärte Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen vom Institut für Medizinische Immunologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Sie und ihre Arbeitsgruppe beschäftigen sich schon geraume Zeit mit den Zusammenhängen von postinfektiöser ME/CFS* (siehe Kasten) und dem Antikörperstatus sowie dem Effekt einer Immunadsorption.
Postinfektiöse Syndrome sind häufig
Viele virale oder bakterielle Infektionen ziehen postinfektiöse Syndrome wie ein ME/CFS nach sich. Dazu gehört aufgrund der großen Verbreitung natürlich SARS-CoV-2 mit dem Post-COVID- oder Long-COVID-Syndrom. Weitere postinfektiöse, oft mit Fatigue verbundene Syndrome sind:
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Post-Polio-Syndrom
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Post-Dengue-Fatigue-Syndrom
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Post-Lyme-Syndrom
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Guillain-Barré-Syndrom
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Chronisches Fatigue-Syndrom nach EBV-Infektion
Patienten mit ME/CFS weisen vermehrt Antikörper (AK) gegen adrenerge und muskarinerge Rezeptoren (GCPR**-AK) auf, die mit der Schwere der Symptome und Veränderungen im Gehirn korrelieren. Antikörper gegen den Beta-2-adrenergen Rezeptor (b2AR) führen beispielsweise dazu, dass die agonistische Funktion der Beta-2-Rezeptoren vermindert wird, führte Prof. Scheibenbogen aus. Das erklärt, warum die Steuerung der Durchblutung bei ME/CFS-Patienten vermindert ist und warum Post-COVID-Patienten mit ME/CFS häufig eine Raynaud-Symptomatik entwickeln.
GCPR-AK sind allerdings nicht generell mit einer Fatigue assoziiert, betonte die Expertin. Untersuchungen an Betroffenen mit Fatigue ergaben, dass dieser Zusammenhang nur bei der speziellen Untergruppe von Patienten mit ME/CSF vorliegt. Bei ihnen waren die Spiegel der GCPR-AK, insbesondere des b2AR-AK, klar mit dem Ausmaß ihrer Fatiguebeschwerden assoziiert.
Um die Effekte der Antikörper bei ME/CFS besser zu verstehen, müssen sie raus aus dem Patienten, sagte Prof. Scheibenbogen plakativ. Dazu unternahm ihr Team schon 2015 zwei Studien. Es zeigte sich, dass es vielen Menschen durch die Immunadsorption rasch besser ging. Allerdings verschwanden die Antikörper nicht permanent, nach etwa vier Wochen waren sie wieder zurück, und auch die Beschwerden stellten sich wieder ein.
Leider konnte der ursprüngliche Ansatz damals aufgrund mangelnder Finanzierung nicht weiterverfolgt werden. Mittlerweile gibt es allerdings Fördermittel für mehrere Studien am Charité Fatigue Centrum. In einer Beobachtungsstudie wird derzeit geprüft, ob eine wiederholte Immunadsorption über fünf Tage bei Post-COVID-Patienten mit ME/CFS und erhöhten b2AR-AK die körperliche Funktion verbessert. Bei positivem Ausgang soll eine Studie mit Schein-Immunadsorption angeschlossen werden. Die Interimsanalyse der ersten zehn Fälle zeigt, dass sich der Zustand der meisten Patienten nach Immunadsorption verbesserte – gemessen am Short-Form-Gesundheitsfragebogen SF-36. In diesem Score stehen 100 Punkte für Gesundheit, 0 Punkte für Bettlägerigkeit. Die Patienten starteten im Mittel mit einem Score von 25, der nach der Immunadsorption um ca. 15 Punkte anstieg. Drei Patienten sprachen auf die Behandlung nicht an. Die Responder zeigten dafür aber eine teils dramatische Besserung, berichtete Prof. Scheibenbogen. So nahmen z.B. die Muskelschmerzen signifikant ab.
Im Fokus der laufenden Studien stehen außerdem die B-Zellen. Denn parallel zum Absinken der Antikörper veränderte die Immunadsorption bei ME/CFS-Patienten auch das B-Zell-Kompartiment. Weitere Studien mit sequenzieller Immunadsorption und B-Zell-Depletion sollen in diesem Punkt Klarheit schaffen.
Das eigentliche Ziel ist eine spezifische Behandlung
Positive Ergebnisse würden die Türen öffnen, bei dieser schweren Erkrankung gezielt mit CD19- oder CD20-Antikörpern gegen B-Zellen vorzugehen. Das ist natürlich das eigentliche Ziel, sagte Prof. Scheibenbogen. „Denn die Immunadsorption ist keine Behandlung, die wir allen Patienten anbieten können – selbst wenn sie wirksam ist.“
Die Daten der Studie des Landesrheumazentrums Rheinland-Pfalz sind im Rahmen der bisher nicht veröffentlichten Dissertation von Matthias Ehl erhoben worden.
* Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom
** G protein-coupled receptor
Quelle: Kongressbericht Deutscher Rheumatologiekongress 2023
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