
Welche Anämie verlangt nach Eisen?
Insbesondere bei Ihren älteren Patienten sind Sie oft mit erniedrigten Hämoglobinwerten und kleinen, blassen Erythrozyten konfrontiert. Und das diagnostische Dilemma betrifft vor allem diese Personen: Zum einen bilden ältere Menschen eine Risikogruppe für echten Eisenmangel, zum anderen weisen sie auch oft chronische Erkrankungen auf, die das Mangelbild nur vortäuschen – bei in Wahrheit bestens gefüllten Eisenspeichern.
Die Anämie der chronischen Erkrankungen (ACD) stelle – nach der echten Eisenmangel-Erkrankung – die zweithäufigste Anämieform dar, erklären Professor Dr. Georgia Metzgeroth und Dr. Jan Hastka von der Klinik für Hämatologie und internistische Onkologie der Universitätsmedizin Mannheim. Besonders häufig betroffen sind Patienten mit rheumatoider Arthritis (30–60 %) oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (6 %). Im Prinzip können alle entzündlichen und malignen Prozesse verantwortlich sein.
Alle entzündlichen Prozesse können Anämie verursachen
Als besonders erwähnenswert nennen die Autoren:
- Autoimmunerkrankungen (wie Arteriitis temporalis, rheumatoide Arthritis und systemischer Lupus erythematodes),
- chronische Nierenerkrankungen,
- chronische Infektionen (wie Tuberkulose, Endokarditis und Osteomyelitis) sowie
- Tumorerkrankungen.
Pathophysiologisch gibt es zwischen den beiden Formen der hypochromen mikrozytären Anämie entscheidende Unterschiede. Beim echten Eisenmangel herrscht – infolge verminderter oraler Zufuhr oder Blutverlust – in den Körperspeichern gähnende Leere. Dies ist bei entzündlichen Prozessen nicht der Fall, bloß bleibt das Eisen in den Zellen quasi eingesperrt (s. Kasten).
Zur Differenzialdiagnostik stehen Ihnen nun verschiedene Parameter zur Verfügung: Das Serumferritin spiegelt den Gesamtkörper-Eisenvorrat sehr gut wider. Seine Konzentration sinkt bereits beim puren Speichereisenmangel, auch wenn die Serumspiegel noch in Ordnung sind. Die erniedrigte Konzentration (<15 µg/l bei Männer, < 20 µg/l bei Frauen) genügt für die Diagnose „echter Eisenmangel“. Erhöhte Werte beweisen aber umgekehrt nicht die „vollen Speicher“: Infekte oder Tumoren treiben das Ferritin nämlich nach oben, was einen evtl. gleichzeitig bestehenden echten Eisenmangel verschleiern kann.
Läuse und Flöhe? |
Vorsicht Falle: Ältere Patienten leiden nicht nur häufiger unter chronischen Erkrankungen, die eine hypochrome Anämie auslösen. Gleichzeitig bilden sie – aufgrund von Ernährung oder Blutverlust – auch eine Risikogruppe für echten Eisenmangel. Das bedeutet für Sie, dass sie an zwei Schrauben drehen müssen: Grunderkrankung behandeln und, wenn nötig, Eisen ersetzen! |
Ferritin und Transferrin-Sättigung sind gute Marker
Wie viel „Funktionseisen“ zur Verfügung steht, zeigt die Transferrinsättigung an. Normalerweise ist das Transportprotein zu 16–45 % mit Eisen gesättigt, Werte darunter sprechen für eisendefizitäre Erythropoese. Allerdings schwanken auch diese Werte bei Entzündungen, was die Aussagekraft des Proteins einschränkt. Gut brauchbar für die Differenzialdiagnostik ist dagegen der lösliche Transferrinrezeptor (sTFR). Er liegt bei Eisenverwertungsstörung im Normbereich. Herrscht echter Mangel, wird seine Konzentration dagegen kompensatorisch hochreguliert.
Als Screeningparameter des gesamten Eisenstoffwechsels (echter Mangel und Verwertungsstörung) gilt wiederum das Zinkprotoporphyrin (ZPP). Es entsteht, wenn mangels Eisen stattdessen Zink ins Protoporphyrin IX eingebaut wird. Beim schweren Eisenmangel werden Werte über 1000 µmol/mol Häm gemessen. ZPP liefert verlässliche quantitative Information über den Schweregrad des Blutbildungsproblems.
Zinkprotoporphyrin misst Erythropoiese
Wie verschaffen Sie sich nun also Sicherheit, dass der hypochromen mikrozytären Anämie Ihres Patienten eine chronische Entzündung zugrunde liegt? Den Beweis liefert letztlich nur die Knochenmarkpunktion mit Eisenfärbung. Da eine solche Diagnostik in der Praxis nicht angemessen ist, behelfen Sie sich mit den o.g. Serumparametern.
Bereits zwei davon geben Ihnen genügend Auskunft, betonen die Mannheimer Kollegen. ZPP zeigt an, wie groß das Eisendefizit „aus Sicht“ der Erythropoiese ist – und zwar sowohl bei echtem Mangel als auch bei der Verwertungsstörung. ZPP-Konzentrationen über 200 µmol/mol Häm kommen bei ACD aber praktisch nie vor. Das sTFR befindet sich nur beim echten Eisenmangel außerhalb des Normbereichs (erhöht).
Eisen blockiert, Blutbildung gebremst – typisch ACD |
Bei der Tumor- und Infektanämie (Anämie der chronischen Erkrankungen, ACD) spielt das in der Leber gebildete Eiweiß Hepcidin (hepatic bactericidal protein) die Schlüsselrolle. Entzündungsmediatoren heizen die Produktion dieses Peptids an, welches einen Eisentransporter zerstört. So wird das im Körper reichlich vorhandene Eisen im Zellinneren festgehalten. Das eigentliche Ziel dieses Vorgangs: Eisen soll dem Pathogen bzw. dem entzündlichen Prozess entzogen werden. Leider sinken dadurch die Serumspiegel, sprich das Metallion steht auch für die Erythropoese nicht mehr zu Verfügung. Erschwerend hinzukommt, dass die Mediatoren der chronischen Entzündung (Interleukine, TNF-α) auch die Erythrozyten-Lebensdauer vermindern und die Erythropoese unterdrücken. |
Grunderkrankung behandeln und Eisen i.v.
Haben sie eine ACD diagnostiziert, stellt sich schließlich die Frage nach der therapeutischen Strategie. Ganz obenan steht die Behandlung der Grunderkrankung. Den Erfolg kontrollieren Sie anhand von ZPP und Hämoglobinwert, die sich im Lauf der Zeit normalisieren sollten. Leidet Ihr Infekt- oder Tumorpatient unter einer schweren symptomatischen Anämie, kommt man mitunter nicht um Transfusionen herum.
Eine Eisensubstitution macht Sinn, wenn neben der ACD gleichzeitig ein echter Mangel vorliegt. Dann bedarf es aber intravenöser Therapie. Denn oral zugeführtes Eisen wird wegen einer ACD-bedingten Transporterstörung enteral nicht aufgenommen. Last but not least stellt rekombinantes Erythropoietin – angesichts des endogenen Mangels – eine weitere Behandlungsoption dar.
Quelle: Georgia Metzgeroth et al., Internist 2015; 56: 978-988
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).