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Welche Koanalgetika sich wann eignen
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Unter Koanalgetika werden jene Arzneimittel zusammengefasst, die zwar nicht für die Indikation „Schmerz“ entwickelt wurden, aber zusätzlich zu Schmerzmitteln einen positiven Effekt haben. Es lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: Zum einen gibt es Substanzen, die die Wirkung von Analgetika unterstützen. Dazu zählen Alpha-2-Agonisten, Antidepressiva, anfallssupprimierende Medikamente und Bisphosphonate. Zum anderen nutzt man Adjuvanzien wie Laxanzien, Antiemetika und Protonenpumpenhemmer, um die Nebenwirkungen der Schmerzmittel zu lindern. Prof. Dr. Hans Heppner vom Klinikum Bayreuth stellte die Vor- und Nachteile einiger der bekanntesten Koanalgetika vor.
Substanzen zur Wirkverbesserung
Alpha-2-Agonisten wie Clonidin unterstützen die Wirkung von Opioiden und verbessern die opioidinduzierte Hyperalgesie. Es kann allerdings zu einer ausgeprägten Mundtrockenheit, Obstipation und einer Blutdruckreduktion kommen.
Die GABA-Analoga Gabapentin oder Pregabalin gelten als sinnvolle Ergänzung bei neuropathischen Schmerzen sowie bei diabetischer Neuropathie. Die Anfallssuppressiva können jedoch zu Schwindel, Schläfrigkeit, Gangstörungen sowie kognitiven und koordinativen Störungen führen. Bei Patientinnen und Patienten mit einer bereits bestehenden kognitiven Einschränkung würde unter einer solchen Medikation diese Problematik deutlich zunehmen, erklärte Prof. Heppner. Zudem ist die Gabe mit dem Risiko eines neu auftretenden Vorhofflimmerns assoziiert. In solch einem Fall kann es ratsam sein, Pregabalin oder Gabapentin abzusetzen.
Kommt es nach einem Herpes zoster zur Post-Zoster-Neuralgie, empfiehlt sich ebenfalls die Gabe eines anfallssupprimierenden Medikaments. Die Therapie lässt sich laut Leitlinie mit einem Antidepressivum wie Amitriptylin kombinieren. Das ist Prof. Heppner zufolge aber ein schon etwas gefährlicherer Cocktail. Bei solch einer Kombination müsse man die Betroffenen sehr gut im Auge behalten.
Antidepressiva lassen sich insgesamt für die Behandlung von neuropathischen Schmerzen, nozizeptiven Rückenschmerzen, Spannungskopfschmerzen und Tumorschmerzen nutzen. In geringer Dosis haben sie zudem eine schlafanstoßende Wirkung, was für Patientinnen und Patienten einen positiven Nebeneffekt bedeuten kann.
Amitriptylin gilt als Mittel der ersten Wahl bei neuropathischen Schmerzen. Man sollte jedoch daran denken, dass es sich dabei um eine delirogene Substanz handelt, betonte der Referent. Amitriptylin wirkt anticholinerg. Insbesondere bei älteren Menschen kann das trizyklische Antidepressivum zu Wesensveränderungen führen.
Substanzen wie der selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Duloxetin (z. B. bei diabetischer Polyneuropathie) können eine Hyponatriämie hervorrufen, was wiederum entsprechende Komplikationen bedingt. Zudem erhöht sich unter Serotonin-Wiederaufnahmehemmern das Blutungsrisiko, da Serotonin für die Thrombozytenaggregation nötig ist. Vor allem bei Patientinnen und Patienten, die wegen einer kardiovaskulären Erkrankung zusätzlich antikoaguliert werden, ist besondere Vorsicht geboten, so Prof. Heppner. Außerdem ist bei Antidepressiva das Ein- bzw. Ausschleichen wichtig.
Mit Muskelrelaxanzien lassen sich akute und chronische Kreuzschmerzen lindern. Die Gabe sollte man jedoch auf Einzelfälle und eine kurze Anwendungsdauer begrenzen. Methocarbamol wird beispielsweise bei schmerzhaften Muskelverspannungen, insbesondere bei Lumbago, angewandt. Es wirkt allerdings sedierend, weshalb man ggf. auf eine eingeschränkte Fahrtüchtigkeit hinweisen muss, betonte der Referent. Die Studienlage zur Nutzen-Risiko-Relation ist zudem noch dünn.
Tolperison sollte nur der Therapie von Spastizität nach einem Schlaganfall dienen. Für Muskelverspannungen bei einer Erkrankung der Wirbelsäule liegt keine Indikation vor. Das Muskelrelaxans birgt eine Reihe von Nebenwirkungen, darunter schwere Hautreaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock. Einsetzen würde Prof. Heppner das Myotonolytikum nicht.
Auch Topika mit Capsaicin oder Lidocain können Schmerzen lindern. In dazu durchgeführten Studien kam es unter der Lokaltherapie zu einer Besserung von Schmerz, Schlaf und Lebensqualität. Allerdings kann im Applikationsgebiet ein starkes Hautbrennen auftreten.
Koanalgetika zur Linderung der Nebenwirkungen
Ulzerationen der Magenschleimhaut unter NSAR versucht man meist über Protonenpumpeninhibitoren entgegenzuwirken. Laxanzien helfen bei opioidinduzierter Obstipation. Zu ihren Vertretern zählen u. a. Macrogol, Lactulose, Natriumpicosulfat und Bisacodyl. Auch diese Wirkstoffe haben mitunter Nebenwirkungen. So können unter Lactulose beispielsweise Blähungen auftreten. Daher sollte man mit den Betroffenen unbedingt besprechen, was für sie gut funktioniert, so Prof. Heppner. Laxanzien gehören zwar in die OTC-Gruppe, im Zusammenhang mit einer Opioidtherapie sind sie jedoch auch durch die gesetzlichen Kassen erstattungsfähig.
Bei analgetikaprovoziertem Erbrechen und Übelkeit bieten sich Antiemetika an, z. B. Procainamid-Derivate, Antihistaminika, Neuroleptika, Glukokortikoide oder Serotoninantagonisten bei zytostatikainduzierter Übelkeit. Bei unspezifischer Übelkeit nutzt man u. a. das Procainamid-Derivat Metoclopramid, allerdings weniger für die Langzeittherapie. Im angloamerikanischen Raum wird dies etwas anders gehandhabt, so der Referent. Dort setze man den Wirkstoff über Wochen bis Monate ein, wodurch es häufiger zu extrapyramidalen Störungen komme. Auch Neuroleptika, zum Beispiel Haloperidol, reduzieren in geringer Dosierung die Übelkeit.
Neben den klassischen Vertretern finden auch cannabishaltige Medikamente Anwendung in der Schmerztherapie – allerdings eher bei chronischen neuropathischen Schmerzen. Im Falle von Akut- oder Gewebeschmerzen zeigen Cannabinoide eine eher geringe Wirkung. Die Präparate können Menschen unter einer Chemotherapie gegen Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen helfen. Zudem haben cannabishaltige Mittel eine antispastische Wirkung.
Beim Einsatz von Koanalgetika kommt der Arzt-Patienten-Kommunikation eine besondere Bedeutung zu. Liest sich eine Patientin oder ein Patient zu Hause den Beipackzettel durch und stellt fest, dass ein Antidepressivum oder Neuroleptikum verschrieben wurde, ist dies ohne das entsprechende Hintergrundwissen nicht behandlungsfördernd, erklärte Prof. Heppner. Man müsse vorab die Betroffenen darüber aufklären, dass das verordnete Mittel ursprünglich für eine andere Indikation entwickelt wurde.
Auch wenn die Koanalgetika die Schmerzen nicht komplett auslöschen, können sie die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten bei richtiger Anwendung verbessern, so der Experte. Man sollte jedoch immer daran denken, dass die Substanzen mit einem entsprechenden Nebenwirkungsprofil einhergehen, über das man aufklären muss, betonte er abschließend.
Quelle: Wundkongress 2024
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