Welche Therapie bei Endometriumkarzinom mit hohem Risiko?

Birgit-Kristin Pohlmann

Bei der Behandlung von Hochrisiko-Patientinnen mit schlecht differenziertem G3-Karzinom oder seröser bzw. klarzelliger Histologie sind noch einige Fragen offen und werden kontrovers diskutiert. Das eigentliche Problem ist jedoch, dass evidenzbasierte Studiendaten fehlen.

Eine geplante, große randomisierte Phase-III-Studie ist ein „Jahrhundertwerk“, betont Professor Dr. Günter Emons von der Universitätsfrauenklinik Göttingen im Gespräch mit Medical Tribune Onkologie  n  Hämatologie. Die Fachgesellschaften verschiedener europäischer Länder, inkl. der deutschen AGO, wollen in Kooperation mit der EORTC und verschiedenen US-amerikanischen Zentren weltweit Patientinnen mit Hochrisiko-Endometriumkarzinom – also jene mit G3 bzw. seröser oder klarzelliger Histologie – randomisieren.

Für gute klinische Studien zu wenig Geld vorhanden

In mehreren Randomisierungsschritten sollen wichtige Fragestellungen geklärt werden, wie z.B. der Stellenwert der Lymphonodektomie (LNE) sowie der Stellenwert und das Ausmaß der adjuvanten Behandlung. Prof. Emons: „Die Studie ist extrem wichtig, droht aber in Deutschland an der Finanzierung zu scheitern, weil öffentliche Geldgeber fehlen.“

Für den klinischen Alltag empfiehlt Prof. Emons, sich derzeit an den aktualisierten Leitlinien der AGO zu orientieren. Prätherapeutisch sind Histologie und Endome-triumbiopsie für das weitere Vorgehen entscheidend. Nicht erforderlich sind eine CA-125-Bestimmung, ein CT des Abdomens sowie eine MRT des Beckens. Über die weitere operative und adjuvante Therapie entscheidet das operative Staging.

Wann Lymphonodektomie und wann können die Lymphknoten drin bleiben?

Kontrovers diskutiert wird der Stellenwert der LNE. In Ermangelung evidenzbasierter Daten empfiehlt Prof. Emons in Anlehnung an die AGO-Leitlinie nur bei Niedrigrisiko-Patientinnen (Stadium pT1 G1+2) auf die LNE zu verzichten.

Ist dagegen mehr als die Hälfte des Myometriums infiltriert (ab pT1b), besteht ein hohes Risiko von bis zu 40 %, dass die Lymphknoten befallen sind. Die Lymphbahnen ziehen vom äußeren Myometrium direkt in die paraaortalen Lymphknoten hoch und können so sehr früh lymphogen streuen, erläutert der Experte.

Bei Hochrisiko-Patientinnen mit G3-Karzinom bzw. serösem oder klarzelligem Karzinom (Typ II) sind sowohl die pelvinen als auch die paraaortalen Lymphknoten bis zur Nierenvene sowie das Omentus majus zu entfernen. Aus dem Peritoneum sollten mehrere Biopsien entnommen werden.

Laparoskopie ist genau so sicher - wenn der Operateur sie beherrscht

„Früher“, so der Experte, „haben wir alle Frauen mit Endometriumkarzinom radikal operiert. Heute wissen wir, dass die Niedrigrisiko-Patientinnen diese radikale Operation aufgrund ihrer per se guten Prognose nicht benötigen.“  

Die Niedrigrisiko-Patientinnen, so Prof. Emons, sind mit einer laparoskopisch oder offen durchgeführten Hysterektomie plus Adnexexstirpation ausreichend behandelt und erreichen mit diesem Vorgehen eine 5-Jahres-Überlebensrate von 95 %.

Für die Hochrisiko-Patientinnen gilt dies jedoch nicht, betont er. Bei diesen Frauen müssen die Lymphknoten systematisch entfernt werden; ein Lymphknoten-Sampling ist nicht adäquat. Die radikale Hysterektomie zzgl. Entfernung der Parametrien sollte dagegen nur bei Zervix-Stromabefall durchgeführt werden. Das operative Staging kann laut Prof. Emons offen oder laparo-skopisch oder kombiniert laparo-skopisch und vaginal erfolgen. Standardverfahren ist das offene Vorgehen. Die Laparoskopie ist jedoch genauso sicher, wenn sie der Operateur gut beherrscht. Vorteil der Laparoskopie ist die geringere Kurzzeitmorbidität, speziell bei adipösen Frauen. Die Laparoskopie hat jedoch eine große Lernkurve, sagt Prof. Emons.

Individuelle Anatomie nicht unterschätzen

Größere Eingriffe, wie z.B. die LNE, sollten daher im Zweifelsfall offen durchgeführt werden. Um eine LNE laparoskopisch gut zu machen, muss der Operateur viel Erfahrung haben. Nicht zu unterschätzen ist, dass die Frauen während der Laparoskopie fast auf dem Kopf stehen, was gerade adipöse, ältere und komorbide Patientinnen nicht immer gut vertragen. Evidenzbasierte Daten zur Gesamtüberlebenszeit gibt es laut Prof. Emons nicht.

Bestrahlung oder Chemotherapie als adjuvante Therapie?


Zunehmend wird der Einsatz der adjuvanten Bestrahlung in Zweifel gezogen. Studiendaten weisen darauf hin, dass die Patientinnen bei Indikation für eine adjuvante Therapie von der perkutanen Bestrahlung nicht adäquat profitieren und die adjuvante Chemotherapie +/- Brachytherapie prognostisch die besseren Ergebnisse bringt.

„Bei den Hochrisiko-Patientinnen, die frühzeitig außerhalb des Beckens metastasieren, ist eine lokale Behandlung mit Operation und Bestrahlung des Beckens wahrscheinlich insuffizient“, erklärt Prof. Emons. Zukünftige Studien müssen den Stellenwert der perkutanen Bestrahlung des Beckens und der paraaortalen Region bzw. der Chemotherapie +/- Brachytherapie validieren.

Erst das Ergebnis der Lymphknotenentfernung abwarten

Die AGO empfiehlt, bei Niedrigrisiko-Patientinnen auf eine adjuvante Therapie zu verzichten. Bei den Hochrisiko-Patientinnen sollte das Ausmaß der adjuvanten Therapie vom Ergebnis der LNE abhängig gemacht werden. In Göttingen wird in der Regel eine adjuvante Chemotherapie +/- Brachytherapie durchgeführt. „Dies“, so Prof. Emons, „ist ein weltweit anerkanntes Vorgehen. Die Patientinnen sterben an den Fernmetastasen“, betont er, „und die können wir nur mit der Chemotherapie verhindern.“ Die Brachytherapie dient dazu, das lokale Rezidivrisiko zu reduzieren.

Trotz der offenen Fragen sinkt die Mortalitätsrate beim Endometriumkarzinom bundesweit. Prof. Emons führt dies insbesondere darauf zurück, dass die Patientinnen immer häufiger in Zentren behandelt werden. Er empfiehlt, alle Patientinnen  in ein Zentrum zu überweisen.

Mortalitätsrate beim endometrium-Ca sinkt obwohl gute Studien fehlen

Untragbar ist, dass es für ein so häufiges Karzinom wie das Endometriumkarzinom kaum kontrollierte klinische Studien gibt, weil die Gelder dafür fehlen. Prof. Emons: „Wir geben derzeit viel Geld für die Behandlung aus, ohne dass die Therapie dabei optimiert wird! Etwa 80 % der Hochrisiko-Patientinnen werden lymphonodektomiert. Keiner weiß, ob das wirklich notwendig ist, aber wir empfehlen es, weil wir das Rezidivrisiko nicht eingehen können.“ Die Kosten wären seinen Worten zufolge nicht höher, wenn man stattdessen eine vernünftige Studie finanzieren würde, um offene Fragen zu beantworten. Prof. Emons abschließend: „Jedes Jahr erkranken in Deutschland über 10 000 Frauen an einem Endometriumkarzinom und keiner weiß, wie sie wirklich optimal behandelt werden sollten. Das müssen wir systematisch aufarbeiten. Wir arbeiten daran, in Deutschland ein Herz für die Versorgungsforschung zu entwickeln."

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