Welche Therapie greift bei der Alopezie?

Dr. Carola Gessner, Foto: thinkstock

Um die Behandlung des androgenetischen Haarausfalls kursieren viele Gerüchte. Riskieren Männer Prostata- und Brustkrebs? Und welches Konzept bietet sich für weibliche Betroffene an? Ein Experte klärt auf.

Ein häufiges Problem in der Praxis: Etwa 50 % aller Männer und 10–20 % aller Frauen leiden unter androgenetischer Alopezie (AGA). Die polygen vererbte Störung bedingt eine Überempfindlichkeit von Kopfhaarfollikeln gegenüber Androgenen, wie Professor Dr. Hans Wolff von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie der Ludwig-Maximilians-Universität München erläutert. Auf den X-chromosomal codierten, veränderten Androgenrezeptor wirken die Hormone verstärkt ein – bei Männern schrumpfen in der Folge die Kopfhaarfollikel, bis am Ende nur noch ein fibröser Strang übrig bleibt.

Bei Frauen präsentiert sich die Störung anders, nicht alle Haarfollikel einer Kopfregion sind involviert. Klinisch findet man eine diffuse Ausdünnung der  Haare mit miniaturisierten Follikeln im Mittelscheitelbereich. Weist eine Patientin stärker ausgeprägte Alopezie, Zyklusunregelmäßigkeiten und Hirsutismus auf, empfiehlt sich eine Hormondiagnostik (s. Kasten).

Therapie beim Mann

Um der Bildung von Geheimrats­ecken und Glatze beim Mann entgegenzuwirken, bieten sich im wesentlichen zwei Therapieprinzipien an: 

  •     5α-Reduktasehemmer und
  •     Minoxidil.


Alles andere, was in den Medien so angepriesen wird, stuft der Kollege als wirkungslos ein.

Keine schlüssigen Belege für erhöhtes Krebsrisiko

Der 5α-Reduktasehemmer Finasterid senkt den Dihydrotestosteron-Spiegel (DHT). DHT, erläutert der Experte, wirkt nur präpartal bei männlichen Individuen günstig, indem es für die korrekte Ausprägung des Genitals sorgt. Nach der Geburt bereitet es eher „Unbill“, indem es Akne, Prostatahyperplasie und eben den Haarausfall fördert. Also bietet es vor allem Vorteile, die Spiegel durch Finasterid (um rund 70 %) zu reduzieren, sollte man meinen.

Wie Studien zeigten, trifft das in puncto Kopfhaar auch zu. Durch tägliche orale Einnahme von 1 mg Finasterid lässt sich bei etwa 90 % der Männer die Alopezie stoppen und in 50–60 % der Fälle eine Verdichtung des Schopfes erreichen. Doch Diskussionen (meist im Internet) über Risiken von Unfruchtbarkeit, Prostata- und Brustkrebs durch Finasterid – „verwirrende und ärgerliche“ Botschaften, wie Prof. Wolff findet – weckten in der Bevölkerung große Verunsicherung.

Reicht bei Frauen
 die Blickdiagnose?

Die charakteristische Lichtung der Haare im Mittelscheitelbereich macht es leicht, bei Frauen eine androgenetische Alopezie (AGA) zu diagnostizieren. Mehr als nur der Blickdiagnostik bedarf es bei ausgeprägter AGA. Notwenig sind dann:

 

  •  Vorstellung beim Gynäkologen, insbesondere wenn Zyklusunregelmäßigkeiten und Hirsutismus bestehen

  •  Bestimmung von Östrogenen und Androgenen im Serum

 

Der Grund für die Miniaturisierung der Haarfollikel liegt aber meist nicht in einer Hyperandrogenämie, sondern in einer genetisch bedingten Überempfindlichkeit der Follikel gegenüber den Hormonen.

Bleibt sie gesichert – z.B. bei Z.n. Tyreoidektomie oder permanenter manifester Hypothyreose –, sollte man in Erwägung ziehen, das angestrebte TSH allmählich anzuheben. Aktuelle Leitlinien empfehlen für über 70-Jährige ein Ziel von 4–6 mU/l.  Bei etwa 75 % der Patienten mit einer subklinischen Hypothyreose ist das TSH nur leicht (max. 10 mU/l) erhöht. Außerdem kann eine ganze Reihe anderer Faktoren eine

Eine Präventionsstudie mit Finasterid 5 mg an fast 19 000 gesunden Männern über 55 Jahre hatte die Diskussion um die Krebsgefahr ausgelöst. In der Verumgruppe traten – bei insgesamt geringerer Inzidenz des Prostatakarzinoms als unter Placebo – vermehrt höhermaligne Tumoren auf. Hierbei handelte es sich jedoch bei näherer Betrachtung vermutlich um einen Studienartefakt, so Prof. Wolff.

Auch der Verdacht auf einen Zusammenhang mit Brustkrebs wurde vermutlich unverhältnismäßig hochgepuscht. Eine Studie zeigte lediglich einen statistisch nicht signifikanten Trend zu höherer Inzidenz in der Verumgruppe. In einer anderen Untersuchung traten in einem Zeitraum von 12 Jahren insgesamt drei dieser Malignome nach Therapiebeginn mit Finasterid auf – zwei davon bereits nach zwei Wochen, was einen kausalen Zusammenhang unwahrscheinlich macht. Alles in allem sei die Verursachung von Mammakarzinomen durch Finasterid in keinem Fall schlüssig belegt, so der Experte. Eher aus medizinjuristischen Gründen empfiehlt er, das Medikament bei gehäuftem Brustkrebs in der Familienanamnese nicht einzusetzen.

Dichteres Haar bei 50 % der behandelten Personen

Was die Befürchtungen der Unfruchtbarkeit angeht, so wurde im  Rahmen der Zulassungsstudien Spermiogramme der Studienteilnehmer erstellt. Finasterid in der 1-mg-Dosis rief, wie sich zeigte, keine Veränderungen hervor. Und wenn man einen anderen 5α-Reduktasehemmer einsetzt? Dutasterid senkt den DHT-Spiegel im Serum noch stärker als Finasterid und wirkt gegen die androgenetische Alopezie mindestens ebenso gut. Es ist allerdings nur zur Behandlung der Prostatahyperplasie zugelassen, sodass Prof. Wolff dessen Einsatz – ebenfalls aus juristischen Gründen – nicht unbedingt empfiehlt.

Als die zweite gut wirksame Therapieoption gegen den männlichen Haarausfall kommt Minoxidil 5 % in Betracht, das topisch als Lösung oder Schaum angewendet wird. Wie Finasterid kann die Substanz den Haarausfall bei ca. 90 % der Patienten stoppen, in 50 % resultiert sogar eine sichtbare Verdichtung der Haare. Bereits nach sechs Monaten ist der maximale Effekt erreicht (bei Finasterid nach ein bis zwei Jahren). Die Wirkung hält bei beiden Medikamenten so lange, wie das jeweilige Präparat angewendet wird.

Therapie bei der Frau

Für die androgenetische Alopezie der Frau stehen ebenfalls zwei Behandlungsoptionen zur Verfügung. Minoxidil kommt bei weiblichen Patienten in 2%iger Löung zum Einsatz. Es stoppt den Haarverlust in den meisten Fällen, in 50 % vermehrt es sogar die Haardichte wieder. Der 5%ige Minoxidil-Schaum kann im Rahmen eines individuellen Heilversuchs angewandt werden (weniger Irritation der Kopfhaut als bei der Lösung). Patientinnen mit Hyperandrogenämie erhalten die antiandrogene Pille – mit Cyproteronacetat, Chlormadininacetat oder Dienogest.

Quelle: Hans Wolff, Internist 2015; 56: 1196-1208

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