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Welcher Signalweg darf's denn sein?

Betrachtet man sich den Therapiealgorithmus der Leitlinien, stehen die neuen systemischen Wirkstoffe bei schwerer AD (Erwachsene) alle in der höchsten Empfehlungsklasse, betonte Prof. Dr. Andreas Wollenberg von der Dermatologie des Universitätsklinikums Augsburg. Grund dafür, keinem explizit den Vorzug zu geben, ist, dass man in der Leitlinie Platz lässt für die individuelle Situation des Patienten. Das zwingt einen aber auch dazu, sich individuell mit den verschiedenen Optionen auseinandersetzen zu müssen.
Die Th2-Mediatoren, allen voran IL-13, bringen bei einer atopischen Dermatitis das Immunsystem an spezifischen Punkten aus der Balance. Januskinasen kommen dagegen in verschiedenen Ebenen und Prozessen vor, erklärte Prof. Wollenberg. Das ist auch der Hauptunterschied hinsichtlich der Therapiekonzepte beider Klassen (gezieltes vs. breites Wirkspektrum).
Derzeit gibt es drei Th2-inhibierende Biologika. Dupilumab richtet sich gegen die Alphakette des IL-4- und IL-13-Rezeptors und blockiert beide Signalwege. Tralokinumab und der neue IL-13-Hemmer Lebrikizumab richten sich gegen das IL-13-Molekül selbst – sie sind damit spezifischer und könnten dadurch ein leicht besseres Sicherheitsprofil haben, sagte Prof. Wollenberg. Die Daten zu Lebrikizumab sind derzeit noch zu limitiert.
Als bekannte Nebenwirkung tritt bei den Th2-Antikörpern im Schnitt bei etwa 30 % der Patienten eine – allerdings gut behandelbare – Konjunktivitis auf, berichtete Prof. Wollenberg Zahlen aus seiner eigenen Erfahrung. Die in Dupilumab-Studien beobachtete Head-and-Neck-Dermatitis scheint IL-22-vermittelt zu sein, was das fehlende Ansprechen erklären würde: Sie fällt außerhalb des Zielbereichs von Dupilumab oder Tralukinumab und muss anders therapiert werden. Eine paradoxe Psoriasis wurde insbesondere beim Wechsel von Steroiden auf die Th2-Blocker beobachtet. Auch in diesem Fall wird eine zusätzliche Therapie nötig. Manchmal reicht das schmale Wirkspektrum einfach nicht aus, auch wenn die geringeren Nebenwirkungen von Vorteil sind, lautete das Fazit von Prof. Wollenberg.
Die Januskinaseinhibitoren (JAKi) greifen bei der atopischen Dermatitis breiter und auf verschiedenen Ebenen des Krankheitsprozesses ein. Sie interagieren u.a. mit den sensorischen Nerven, den Keratinozyten, dendritischen Zellen, T-Zellen, B-Zellen und Mastzellen. Das ist auch der Grund, warum sie so schnell wirken, fügte Prof. Wollenberg hinzu. Gleichzeitig braucht man die Januskinasen für viele physiologische Reaktionen und Prozesse, darunter Hämatopoese und antivirale Immunantworten. Es ist also keine gute Idee, die Moleküle zu stark oder komplett zu hemmen, ergänzte der Referent. „Wir wollen ihre Effektivität hinsichtlich der Signalweitergabe nur reduzieren.“
Zugelassen für die systemische Therapie der AD sind derzeit Abrocitinib (JAK1-Hemmer), Baricitinib (JAK1/2-Hemmer) und Upadacitinib (JAK1-Hemmer). Sie unterscheiden sich in ihrer Wirkung auf die einzelnen Kinasen und haben abweichende Sicherheitsprofile. Abrocitinib scheint z.B. mehr gastrointestinale Probleme zu verursachen, Upadacitinib dagegen mehr akneiforme Hautausschläge. Eine Zosterimpfung wird für alle JAK-Inhibitoren empfohlen, fasste Prof. Wollenberg zusammen.
Auch hinsichtlich ihrer Verstoffwechselung über die CYP450-Enzyme sind nicht alle JAKi gleich. Abrocitinib ist zwar der spezifischste JAKi für die bei AD wichtige Januskinase-1, er wird allerdings sehr komplex abgebaut. Da muss man bezüglich potenzieller Medikamenteninteraktionen den Überblick behalten, warnte der Referent. Upadacitinib zeigt die stärksten Effekte und wird hauptsächlich über CYP3A4 abgebaut, ähnlich zu Ciclosporin A. Es hat also viele, aber zumindest leichter vorherzusagende Interaktionen. Baricitinib wird dagegen zu einem großen Teil direkt ausgeschieden und stellt so seine beiden Mitstreiter zumindest hinsichtlich möglicher Interaktionen in den Schatten.
Fügt man die klinischen Daten zusammen, lassen sich einige Vorteile je nach Klasse herausarbeiten (siehe Tabelle). Eine Übersicht finde man auch in der europäischen Leitlinie, fügte Prof. Wollenberg hinzu. Für ihn haben alle derzeit zugelassenen Substanzen ihre Vor- und Nachteile. Missen möchte er deshalb keine der Optionen.
Stärken und Schwächen von | Th2-Blocker | JAKi |
Wirkspektrum | eng | breit |
Wirkeintritt | sich steigernd (aber langsam im Vergleich zu JAKi) | schnell |
Risiko für Off-target-Effekte | gering | moderat vorhanden |
Erfahrung mit der Substanzklasse | lange | lange (Rheumatherapie) |
Risiko für Medikamenteninteraktionen | nicht vorhanden | vorhanden (A, U) |
Mitbehandlung von Komorbiditäten | Asthma (D) | Alopezie (B) |
Risiko für Anti-Drug-Antibodies | gering | nicht vorhanden |
Nebenwirkungen | Konjunktivitis, Psoriasis, Reaktionen im Gesicht (D, T) | u.a. Akne, eingeschränkte antivirale Immunantwort |
Labormonitoring | nicht nötig | nötig |
Sonstiges | flexiblere Dosierung möglich, aber Risikogruppen beachten! | |
zugelassen für pädiatrische Patienten? | ja (D sogar ab 6 Monaten) | ja (U ab 12, B neu ab 2 Jahren) |
mögliche Einsatzgebiete (Beispiele) | hyperxerotische AD, Neigung zu Eczema herpeticum | palmoplantare hyperkeratotische oder dyshidrosiforme AD, nummuläre AD |
D: Dupilumab, T: Tralokinumab, A: Abrocitinib, U: Upadacitinib, B: Baricitinib |
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