Welches Antidiabetikum ist im Alter sicher?

Dr. Dorothea Ranft, Foto: fotolia

Viele ältere Diabetiker sind multimorbid und gebrechlich. Das kann bei antihyperglykämischen Therapien schnell zur Gefahr werden. Ein Spezialist erläutert, wie Sie den Stoffwechsel Ihrer betagten Klientel sicher einstellen.

Vor dem Therapiestart sollten Sie sich vergewissern, dass Ihr Patient die anvisierte Behandlung im Alltag noch bewältigt. Mithilfe des geriatrischen Assessments lassen sich störende Komorbiditäten (Depression, Demenz) ebenso erfassen wie Seh- und Hörstörungen. Per Geldzähltest können Sie innerhalb weniger Minuten herausfinden, ob sich ein Diabetiker noch selbstständig Insulin spritzen kann, schreibt Dr. Andrej Zeyfang vom Agaplesion Bethesda Krankenhaus Stuttgart.

Das Blutzuckerziel sollte mit jedem Diabetiker individuell besprochen werden. Dabei geht es nicht um eine Verlängerung des Lebens, sondern um eine Verbesserung der Lebensqualität. Auch den täglichen Zeitaufwand für die Behandlung spricht der Diabetologe an, ebenso Ängste, mit der Therapie nicht mehr zurecht zu kommen. Gerade für ältere Patienten spielt die Sicherheit eine wichtige Rolle.

Selbstständigkeit mit Geldzähltest erfassen

Früher häufig eingesetzte Sulfonylharnstoffe (SH) der ersten Generation (z.B. Glibenclamid) gelten aufgrund der hohen Hypoglykämie-Rate heute als obsolet. Auch andere SH wie Glimepirid scheinen gegenüber den älteren Substanzen keine Vorteile aufzuweisen. Dem dürfte auch die für 2016 geplante Revision der FORTA*-Liste Rechnung tragen, die Sulfonylharnstoffe nur noch in Kategorie C (ungünstige Nutzen-Risiko-Relation) einstuft, so Dr. Zeyfang, der zum Expertenpanel gehört.

Metformin dagegen behauptet seinen Stellenwert v.a. bei älteren Diabetikern mit Adipositas und Insulinresistenz. Es birgt keine Hypoglykämiegefahr und ist neuerdings in reduzierter Maximaldosis (1 g/Tag) bis zu einer Kreatinin-Clearance von 45 ml/min zugelassen. Allerdings gilt es, die Kontraindikation zu beachten (z.B. Absetzen bei schwerer Erkrankung). Die FORTA-Liste bescheinigt unverändert Kategorie B, das bedeutet nachgewiesene Wirksamkeit bei älteren Menschen, aber eingeschränkte Sicherheit.

DPP4-Hemmer bergen kaum Hypoglykämiegefahr

Zunehmende Bedeutung in der Therapie betagter Typ-2-Diabetiker zeigen die Dipeptidylpeptidase-4(DPP4)-Hemmer. Selbst in Kombination mit anderen oralen Antidiabetika (außer Sulfonylharnstoffen) besteht kaum Akkumulations- und Hypoglykämiegefahr. In reduzierter Dosis können einige Gliptine auch bei Niereninsuffizienz verordnet werden. Zudem werden Saxagliptin und Sitagliptin auch in fixer Kombination mit Metformin angeboten.

Die Autoren der FORTA-Liste planen ein Upgrading von Kategorie C auf A, so Dr. Zeyfang. Auch bei den SGLT-2-Hemmern (z.B. Dapagliflozin, Empagliflozin) besteht keine Hypoglykämie-Gefahr. Die Gliflozine senken den Blutzuckerspiegel durch eine vermehrte Glukose-Ausscheidung über die Niere. Dadurch kommt es zu einem leichten katabolen Effekt. Nachteil der Gliflozine: Das Therapieprinzip wirkt nur bei ausreichender Nierenfunktion und es treten vermehrt Urogenitalinfekte auf.

Wenn die Monotherapie nicht mehr genügt, sollte man das weitere Vorgehen mit dem Patienten besprechen: Bevorzugt er eine orale Zweier- oder Dreierkombination oder den Insulinstart? Mit geeigneter Schulung und einfachem Schema ist die Hormontherapie auch im Alter sicher, betont Dr. Zeyfang. Zudem führt oft kein Weg daran vorbei, denn bei geriatrischen Patienten steht oft der Insulinmangel im Vordergrund und mit der zunehmenden Niereninsuffizienz fallen wichtige orale Optionen aus.

Was das Regime betrifft, möchten die meisten Senioren so wenige Spritzen wie möglich. Klassische Insuline (Human, NPH) wurden in den letzten Jahren eher seltener eingesetzt, so Dr. Zeyfang. Mit kurzwirksamen Analoga entfällt der Spritz-Ess-Abstand und bei schwer abschätzbarer Essensmenge können sie postprandial injiziert werden. Das langwirksame Insulin glargin darf auch morgens gespritzt werden, z.B. durch den Pflegedienst.

Postprandiale Insulingabe bei nicht abschätzbarer Essmenge

Konzentrierte Analoga wie die U-200-Insuline bieten älteren Patienten mit hochdosierter Therapie Vorteile bezüglich Preis und Einstichfrequenz. Außerdem helfen sie, Stoffwechselschwankungen durch Lipohypertrophien zu vermeiden. U-300-Analoga verringern zusätzlich die nächtliche Hypoglykämie-Gefahr.

Auch Inkretinmimetika bieten älteren Typ-2-Diabetikern Vorteile. Sie müssen zwar wie Insulin gespritzt werden, haben aber einen anderen Wirkmechanismus: Sie sorgen für bedarfsgerechte Insulinfreisetzung ohne Hypoglykämiegefahr und sorgen zugleich für eine Gewichtsabnahme. Inzwischen gibt es GLP-1-Agonisten, die nur einmal wöchentlich appliziert werden müssen.

Derzeit ist vor allem die Kombination aus Insulintherapie und oralen Antidiabetika (BOT) bei älteren Patienten verbreitet. Aber auch die orale Dreifachkombination (Dapagliflozin, Metformin, Saxagliptin) vermochte in einer Studie das HbA1c um fast 1,5 % zu senken, bei sehr geringer Hypoglykämie-Rate.

*Fit for the Aged

Quelle: Zeyfang A. Internist 2016; 57: 502–507, online first

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