Neue Antidiabetika: Kardioprotektive Effekte für Patienten besser nutzen

Manuela Arand

Zwei SGLT2-Hemmer und zwei GLP1-Analoga konnten ihren Herzschutz beweisen. Zwei SGLT2-Hemmer und zwei GLP1-Analoga konnten ihren Herzschutz beweisen. © fotolia/Chinnapong

Für das Wohl von Herz- und Zuckerkranken wird es Zeit, sich mit den neuen Antidiabetika zu befassen. Denn unterschiedliche kardiovaskuläre Schutzeffekte zählen zu den wichtigsten Entscheidungskriterien für deren Einsatz.

Seit einigen Jahren müssen für jedes neue Antidiabetikum alsbald kardiovaskuläre Sicherheitsdaten vorgelegt werden, erinnerte Professor Dr. Alexander Niessner von der Abteilung Innere Medizin II der Medizinischen Universität Wien. Mit den SGLT2-Inhibitoren und einigen GLP1-Analoga ist nicht nur das gelungen, sie reduzieren offenbar sogar das kardiovaskuläre Risiko. Wie sich diese Wirkstoffe differenziert einsetzen lassen und was es dabei zu beachten gilt, erläuterte Prof. Niessner am Beispiel eines seiner Patienten.

Der Mann hat eine Dreigefäßerkrankung, in einem langen Stent in der rechten Koronararterie hat sich schon vor einem Jahr eine Re­stenose entwickelt. Nun kommt er wegen pektaginöser Beschwerden zur perkutanen koronaren Intervention des Ramus interventricularis anterior. Der Patient bringt den ganzen Strauß des metabolischen Syndroms mit: unkontrollierte Hypertonie (150/90 mmHg), Adipositas (BMI 29,5 kg/m2) und Hypercholesterinämie mit einem LDL knapp über der Zielmarge von 70 mg/dl. Das HbA1c liegt mit 8,2 % deutlich über dem Ziel. Die Niere funktioniert noch recht gut (eGFR 61 ml/min). Ins Auge fällt das mit über 3400 pg/ml stark erhöhte NT-proBNP. Im Echo findet sich eine mäßig erniedrigte LVEF von 40 %.

Bisher nur Metformin in der Medikation

Den HbA1c-Wert weiter zu senken, hält Prof. Niessner für ein wichtiges Ziel. Er erhofft sich davon, dass dies den Progress der Arteriosklerose bremst und mikrovaskulären Schäden vorbeugt. Bisher bekommt der Patient neben einer bunten Palette kardiovaskulärer Medikation nur Metformin als Antidiabetikum.

Zwei SGLT2-Hemmer, Empagliflozin und Canagliflozin, und zwei GLP1-Analoga, Liraglutid und Semaglutid, haben bisher in randomisierten klinischen Studien den Beweis geliefert, dass sie das kardiovaskuläre Risiko senken. Ob es sich bei den SGLT2-Hemmern um einen Klasseneffekt handelt, lässt sich noch nicht beurteilen. Bei den GLP1-Analoga scheint das nicht der Fall zu sein, denn zwei andere Wirkstoffe (Exenatide und Lixisentide) haben neutrale Ergebnisse geliefert. Wie übrigens auch die DPP4-Inhibitoren als dritte der neuen Antidiabetikaklassen.

Die European Society for Cardiology hat im vergangenen Jahr ein Positionspapier formuliert, in dem sie explizit rät, bei Typ-2-Diabetikern mit manifester kardiovaskulärer Erkrankung nach Metformin auf eine der Substanzen mit nachgewiesener Schutzwirkung zu setzen. Bei der Auswahl sind klassen- und substanzspezifische Effekte zu berücksichtigen. So hat Canagliflozin zwar das Herzkreislaufrisiko um absolut knapp 0,5 % gesenkt. Dagegen steht aber eine knapp 0,3%ige Zunahme von Amputationen, was unter Empagliflozin bisher nicht zu beobachten war. „Bei Patienten mit erhöhtem Amputationsrisiko etwa infolge einer PAVK müssen wir mit Canagliflozin vorsichtig sein“, meinte Prof. Niessner.

Genitalinfektionen als unerwünschte Wirkung

Was in dem vorliegenden Fall für SGLT2-Hemmer spricht, ist die Tatsache, dass sie das Risiko für eine Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz signifikant reduzieren (unter Empagliflozin um ein Drittel). GLP1-Analoga leisten das nicht. Beide Substanzklassen bringen außerdem eine Reihe sekundärer Effekte mit, sie senken Körpergewicht und Blutdruck. SGLT2-Hemmer wirken stärker auf den Blutdruck als GLP1-Analoga, die dafür zusätzlich das LDL senken.

Zu bedenken sind ferner mögliche unerwünschte Effekte. Bei den SGLT2-Inhibitoren fallen primär die Genitalinfektionen ins Gewicht. Zudem ist speziell bei älteren Patienten Vorsicht geboten, weil der Wasserverlust infolge der Glukosurie von etwa 1 l/Tag zur Dehydratation führen kann. „Wir sollten bei älteren Patienten deshalb die niedrigere Dosis von Empagliflozin wählen und kontrollieren, ob der Patient zusätzlich Diuretika nimmt“, riet Prof. Niessner. Diabetische Ketoazidosen kommen vor, wenn auch selten. Vorsicht ist also geboten bei akuten Infektionen oder Operationen, bei denen sogar eine Therapiepause zu erwägen ist.

Bei den GLP1-Analoga droht Ungemach vonseiten des Gastrointestinaltrakts: Sie können nicht nur Übelkeit und Erbrechen auslösen, bei Liraglutid wurden auch akute Gallensteine und Cholezystitiden beschrieben.

Liraglutid bietet keinen Schutz in Sachen Herzinsuffizienz

Im beschriebenen Fall entschieden sich die Wiener Kollegen für Empagliflozin (10 mg/Tag) aufgrund der Herzinsuffizienzdaten und der diuretischen Wirkung, aber auch wegen der zu erwartenden positiven Effekte auf Gewicht und Blutdruck. Liraglutid käme prinzipiell ebenfalls infrage und würde bei der LDL-Senkung helfen, es hat aber in puncto Herzinsuffizienz keinen Schutz zu bieten. Anders sähe es aus, hätte der Patient eine stärker reduzierte Nierenfunktion: Empagliflozin kann nur bis zu einer eGFR von 45 ml/min gegeben werden, während für Liraglutid keine Einschränkung besteht.

Quelle: ESC* Congress 2018

* European Society of Cardiology

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Zwei SGLT2-Hemmer und zwei GLP1-Analoga konnten ihren Herzschutz beweisen. Zwei SGLT2-Hemmer und zwei GLP1-Analoga konnten ihren Herzschutz beweisen. © fotolia/Chinnapong