Wenn das Sitzen zur Qual wird

Dr. Andrea Wülker

Botulinumtoxin lähmt den Piriformis und der Druck auf den Ischiasnerv lässt nach. Botulinumtoxin lähmt den Piriformis und der Druck auf den Ischiasnerv lässt nach. © VectorMine – stock.adobe.com

Schmerzen im Gesäß und am Oberschenkel, manchmal begleitet von Taubheitsgefühlen oder Kribbeln, können Zeichen eines Piriformis-Syndroms sein. Meist trifft es jüngere Menschen.

Traditionell versteht man das Piriformis-Syndrom als Folge einer Kompression des Nervus ischiadicus durch den Musculus piriformis, schreibt Dr. Heinrich Binsfeld, niedergelassener Anästhesist, Internist und Schmerzexperte aus Drensteinfurt. Der Muskel abduziert, streckt und stabilisiert das Hüftgelenk und beteiligt sich – abhängig vom Grad der Hüftbeugung – auch an der Außen- und Innenrotation.

Bei den meisten Menschen zieht der N. ischiadicus durch das Foramen infrapiriforme zum Gesäß. Bei Patienten mit Piriformis-Syndrom wird der Ischiasnerv im Foramen infrapiriforme komprimiert. Es gibt zudem verschiedene prädisponierende anatomische Varianten. Manchmal verläuft sogar der gesamte Nerv oder einer seiner Äste durch den M. piriformis hindurch, was zu den Problemen führen kann.

Taubheitsgefühl und Kribbeln bis in die Zehen

Das Piriformis-Syndrom tritt am häufigsten in der Altersgruppe der 30- bis 40-Jährigen auf, insbesondere bei Frauen. Die Betroffenen klagen über stechende, manchmal brennende Schmerzen in Gesäß und Oberschenkel, Muskelschwäche sowie über ein Taubheitsgefühl und Kribbeln, das bis in die Zehen reichen kann. Im Sitzen nehmen die Beschwerden zu, aber auch bei Belastung wie z.B. beim Treppensteigen. Auslöser ist in vielen Fällen eine verletzungsbedingte Überlastung des Piriformis-Muskels, beispielsweise eine Zerrung als Folge eines Sturzes. Auch dauerhafte Anspannung bei Fehlhaltung oder Fehlstellung bzw. Überanstrengung (vor allem in vornübergebeugter Haltung) können ein Piriformis-Syndrom triggern.

Auch an Endometriose oder Tumoren als Auslöser denken

Über verschiedene manuelle Tests wie das Beatty-Manöver lässt sich der Verdacht auf ein Piriformis-Syndrom bestätigen. Des Weiteren eignet sich eine hochauflösende Sonografie. Die meisten Patienten erhalten die Diagnose Piriformis-Syndrom aber als Ausschlussdiagnose, wenn sich für Ischiasbeschwerden keine anderen Ursachen finden ließen.

Differenzialdiagnostisch sollte man laut Dr. Binsfeld an Nervenwurzelreizsyndrome, Irritation des Ischiasnervs durch Tumoren im kleinen Becken und auch an eine extragenitale Endometriose denken. Tatsächlich kann der N. ischiadicus durch Endometrioseherde gereizt und komprimiert werden – Betroffene klagen in diesem Fall über zyklusabhängige Ischiasschmerzen.

Therapeutisch empfiehlt der Kollege eine Entlastung der betroffenen Region – wer Kraftsport ausübt, muss evtl. sein Trainingspensum drosseln. Dehnübungen sollten sinnvoll eingesetzt werden – nicht pauschal gegen die Schmerzen dehnen. Akute Schmerzen lassen sich mit NSAR lindern. Falls die Beschwerden über Wochen anhalten, kann man Botulinumtoxin unter CT-Kontrolle in den Muskel spritzen – aber nur, wenn andere Schmerzursachen ausgeschlossen wurden.

Botulinumtoxin kann helfen, ist aber nicht zugelassen

Botulinumtoxin lähmt den Piriformis und der Druck auf den Ischiasnerv lässt nach. Meist hält die Wirkung etwa drei Monate lang an. Geht die Muskelverdickung durch die Injektion zurück, kann die Muskelentspannung auch dauerhaft sein. Wichtig zu wissen ist, dass das Neurotoxin für diese Indikation nicht zugelassen ist. Darüber muss der Patient informiert und die Kostenübernahme geklärt werden.

Quelle: Binsfeld H. Schmerzmedizin 2023; 39: 54-57; DOI: 10.1007/s00940-022-4077-x

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Botulinumtoxin lähmt den Piriformis und der Druck auf den Ischiasnerv lässt nach. Botulinumtoxin lähmt den Piriformis und der Druck auf den Ischiasnerv lässt nach. © VectorMine – stock.adobe.com