Wenn der Darm leckt

Dr. Franziska Hainer

Bei der Proteinverlust-Enteropathie mangelt es im Blut hauptsächlich an Albumin und Globulinen. Bei der Proteinverlust-Enteropathie mangelt es im Blut hauptsächlich an Albumin und Globulinen. © eranicle – stock.adobe.com

Patienten mit einem enteralen Proteinverlust fallen meist durch Hypoproteinämie und Ödeme auf, bei Kindern kommen Gedeihstörungen hinzu. Ursachen für Eiweißverluste über den Darm gibt es viele. Ihnen auf die Spur zu kommen, ist oft schwierig.

Pathophysiologisch können zwei Mechanismen eine Proteinverlust-Enteropathie auslösen: Entweder ist die intestinale Mukosa geschädigt oder der gastrointestinale Lymphabfluss gestört. Je nach Art des Defekts unterscheidet man die zugrunde liegenden Erkrankungen, schreiben Prof. Dr. ­Ahmet ­Ozen von der Marmara University in Istanbul und Dr. Michael­ Lenardo­, National Institutes of Health, Bethesda, in ihrer Übersichtsarbeit.

Erosive Mukosadefekte sind bei einer großen Anzahl von Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts für den Proteinverlust verantwortlich (siehe Kasten). Gleiches gilt für Eiweißverluste, die im Rahmen einer Sarkoidose oder einer Graft-versus-Host-Erkrankung auftreten oder bei AIDS-Patienten mit Kaposi-Sarkom und Organtransplantierten.

Wann mit Proteinverlusten zu rechnen ist

Bei diesen gastrointestinalen Erkrankungen kommt es durch erosive Mukosadefekte zu Proteinverlusten über den Darm:

  • chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn)

  • pseudomembranöse Colitis, Darminfektionen

  • peptische Ulzera, erosive Gastritis, Zollinger-Ellison-Syndrom

  • gastrointestinale Karzinome 

  • gastrointestinale Amyloidose

Zu viel Gewebsflüssigkeit erhöht Proteinverlust weiter

Entzündungen, Infektionen, allergische Reaktionen oder genetische Ursachen rufen vor allem nicht-erosive Mukosadefekte hervor. In diesen Fällen ist nicht nur die epitheliale Permeabilität erhöht. Die durch lokale Reaktionen ausgelöste  Zunahme der interstitiellen Flüssigkeit verstärkt den Eiweißverlust zusätzlich. Beispiele für Erkrankungen mit diesem Pathomechanismus sind neben dem Sjögren-Syndrom auch die Purpura Schönlein-Henoch, der Pemphigus vulgaris oder der systemische Lupus erythematodes, aber auch verschiedene Nahrungsmittelallergien, eosinophile Gastritis und die Zöliakie.

Eiweißverluste drohen auch bei einem gestörten lymphatischen Rückfluss. Durch den Rückstau der Lymphe erweitern sich die Lymphgefäße, was bis zu ihrer Ruptur führen kann. Im Rahmen einer solchen intestinalen Lymphangiektasie treten Proteine, Lipide und Lymphozyten über das zentrale Lymphgefäß der Darmzotten in das Darmlumen aus. Gründe für die Dilatation der intestinalen Lymphgefäße gibt es viele.

Bei den primären Störungen liegt der Defekt innerhalb des Lymph­systems. Zahlreiche genetische Veränderungen führen zu unterschiedlich gearteten Malformationen der Lymphgefäße mit nachfolgendem Proteinverlust. Dazu gehören z.B. die tuberöse Sklerose, die Lymph­angioleiomyomatose und das Hennekam-Syndrom. Forscher haben unlängst mit dem Morbus CHAPLE­ eine primäre intestinale Lymph­angiektasie definiert. Dabei führt das Fehlen des CD55-Proteins u.a. dazu, dass das Komplementsystem mangels Kontrolle die Lymphgefäße beschädigt.

Zu den sekundären Ursachen für eine intestinale Lymphangiektasie gehören externe Blockaden wie Malignome oder Beeinträchtigungen des Lymph­flusses durch kardiovaskuläre Erkrankungen. Auch Infektionen belasten die Lymphgefäße gelegentlich bis zur intestinalen Lymphangiektasie. Das ist bei Morbus Whipple oder opportunistischen Darm­infektionen bei Patienten mit AIDS der Fall. Zudem führen Thrombosen manchmal zu Lymphangiektasie und Proteinverlust – umgekehrt begünstigt eine Proteinverlust-Enteropathie die Entstehung von Thrombosen.

Die Proteinverlust-Enteropathie ist eine Ausschlussdiagnose, bei der zunächst andere Ursachen einer Hypo­proteinämie wie Leber- oder Nierenerkrankungen abzuklären sind, erläutern Prof. Ozen­ und Dr. Lenardo­. Hinweis auf einen enteralen Proteinverlust ist Alpha-1-Antitrypsin im Stuhl. Das liegt daran, dass das Glykoprotein weder in den Darm sezerniert noch daraus aufgenommen wird. Für die Ursachensuche müssen bildgebende Verfahren (MRT, CT), Endoskopie und Biopsien herangezogen werden. In Einzelfällen können eine Lymphangiografie oder eine Gendiagnostik weiterhelfen. 

Die zugrunde liegende Erkrankung behandeln und den Eiweißverlust mit seinen Folgen in den Griff bekommen – das sind die beiden Säulen beim Management eines enteralen Proteinverlusts. Im Mittelpunkt steht dabei der Ausgleich von Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Nährstoffhaushalt. Bei Ödemen können Kompressionsstrümpfe und Hautpflege hilfreich sein. 

Die Albumingabe ist nur von kurzfristigem Nutzen

Zur Reduktion des Proteinverlusts kommen verschiedene Medikamente wie Octreotid, Glukokortikoide oder Sirolimus zum Einsatz – die Effekte sind allerdings widersprüchlich. Albumintransfusionen sind nur von kurzfristigem Nutzen und müssen genauso wie Immunglobulingaben individuell abgewogen werden. 

Vermutlich wirksam ist eine Ernährung mit einem hohen Anteil an Proteinen (> 2 g Protein pro kgKG/d) und wenig Fett (< 25 g Fett/d, hauptsächlich mittelkettige und kurzkettige Triglyceride), schreiben Prof. Ozen und Dr. Lenardo­. Sie hoffen, dass auf Basis der molekularwissenschaftlichen Erkenntnisse neue spezifische Therapien für die Proteinverlust-Enteropathie entwickelt werden können. 

Quelle: Ozen A, Lenardo MJ. N Engl J Med 2023; 389: 733-748; DOI: 10.1056/NEJMra2301594

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Bei der Proteinverlust-Enteropathie mangelt es im Blut hauptsächlich an Albumin und Globulinen. Bei der Proteinverlust-Enteropathie mangelt es im Blut hauptsächlich an Albumin und Globulinen. © eranicle – stock.adobe.com