Wenn der Darm zum Braustübchen wird

Dr. Vera Seifert

Menschen mit dem Eigenbrauersyndrom haben Hefepilze im Darm, die sich unkon­trolliert vermehren und Ethanol produzieren. Menschen mit dem Eigenbrauersyndrom haben Hefepilze im Darm, die sich unkon­trolliert vermehren und Ethanol produzieren. © Foto: nobeastsofierce – stock.adobe.com (generiert mit KI)

Benommenheit, verwaschene Sprache und eine Alkoholfahne – wer bei diesen Symptomen behauptet, nichts getrunken zu haben, wirkt wenig glaubwürdig. Und doch könnte es stimmen. Das zeigt die folgende Kasuistik.

Eine 50-jährige Frau aus Kanada suchte immer wieder ärztliche Hilfe wegen extremer Schläfrigkeit und dadurch verursachten Stürzen. Jedes Mal fielen eine undeutliche Sprache und ein hoher Alkoholspiegel im Blut auf. Sie beteuerte jedoch, keinen Alkohol getrunken zu haben, berichtete Vasiliki Zlatou von der Gastroenterologie am Malteser Waldkrankenhaus St. Marien in Erlangen. Die Frau wurde mehrfach internistisch und psychiatrisch untersucht. Ein CCT war unauffällig, die Leberenzyme normal. Nachdem sie mit der Diagnose akute Alkoholintoxikation entlassen worden war, konnte sie für ein bis zwei Wochen arbeiten, dann trat das Phänomen erneut auf. Erst bei der siebten Konsultation wurde das sogenannte Eigenbrauersyndrom in Betracht gezogen.

Bei diesem Krankheitsbild handelt es sich um eine seltene Stoffwechselerkrankung. Dabei sorgen Hefepilze oder – weniger häufig – Bakterien im Darm für die Entstehung von Alkohol. Normalerweise kontrollieren gutartige Bakterien im Darm das Wachstum dieser Mikroorganismen. Wenn diese jedoch überhandnehmen, können sie aus den aufgenommenen Kohlenhydraten Alkohol produzieren. Es kommt also ein Gärprozess in Gang, ähnlich wie beim Bierbrauen. Die entstandenen Alkohole gelangen ins Blut und machen betrunken.

Ursächlich sind verschiedene Hefepilze der Gattungen Candida und Saccharomyces, seltener Klebsiellen und Enterococcus faecalis. Es gibt zahlreiche Risikofaktoren, die ein Bierbrauersyndrom begünstigen. Dazu gehören:

  • einseitige und zuckerreiche Ernährung
  • die Einnahme von Breitbandantibiotika, Antidepressiva, Kortison oder Antidiabetika
  • hormonelle Veränderungen (z. B. Menstruation)
  • Adipositas
  • Typ-2-Diabetes
  • Reizdarmsyndrom
  • schwaches Immunsystem 

Die beschriebene Patientin hatte in der Vergangenheit wegen rezidivierender Harnwegsinfekte Ciprofloxacin und Nitrofurantoin eingenommen.

Ohne Diagnose drohen den Betroffenen rechtliche Folgen

Da zunächst übermäßiger Alkoholkonsum unterstellt wird, müssen die Betroffenen mit sozialen und rechtlichen Folgen rechnen, z. B. einer Verurteilung wegen Alkohol am Steuer. Zur Diagnose einer endogenen Alkoholproduktion kommt man aufgrund der Anamnese im Zusammenhang mit Laborwerten. Beweisend ist ein positiver Glukoseprovokationstest mit 100–200 g Glukose und anschließender Bestimmung der Alkoholkonzentration in der Atemluft oder im Blut in verschiedenen Zeitintervallen. Wichtig ist auch die Endoskopie des oberen und unteren Gastrointestinaltrakts mit Stufenbiopsien und Anlage von Erregerkulturen.

Es gärt auch in der Blase

Vasiliki Zlatou beschrieb auch den Fall einer 61-jährigen US-Amerikanerin mit Leberzirrhose. Ihr wurde eine Lebertransplantation verweigert, weil sie erhöhte Alkoholwerte im Urin aufwies. Sie gab jedoch an, keinen Alkohol zu trinken. Man wies schließlich erhöhte Mengen an Candida­ glabrata­ im Urin nach, was zu der Diagnose Blasengärungssyndrom führte. Bei diesem Krankheitsbild produzieren Mikroorganismen nicht im Darm, sondern in der Harnblase Alkohol.

Die vorgestellte Patientin war nach Therapie mit Fluconazol (100 mg zweimal pro Tag) und Einhaltung einer kohlenhydratarmen Diät über vier Wochen symptomfrei. Nach vier Monaten ohne Beschwerden wagte sie erneut den Konsum von Kohlenhydraten – was erneut zu den Beschwerden führte. Die bewährte Therapie wurde wieder gestartet, ergänzt durch Probiotika.

Wegen steigender ALT-Spiegel musste das Fluconazol nach sechs Wochen abgesetzt werden. Drei Tage danach zeigte sich in der Endoskopie kein Pilzwachstum mehr. Auch der sechs Wochen später durchgeführte Glukoseprovokationstest fiel negativ aus. Die Kohlenhydrataufnahme wurde schrittweise gesteigert und man riet der Frau, nach Möglichkeit keine Breitspektrumantibiotika einzunehmen. Bei chronischen Rückfällen sollte man eine Stuhltransplantation erwägen, ergänzte die Referentin abschließend.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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Menschen mit dem Eigenbrauersyndrom haben Hefepilze im Darm, die sich unkon­trolliert vermehren und Ethanol produzieren. Menschen mit dem Eigenbrauersyndrom haben Hefepilze im Darm, die sich unkon­trolliert vermehren und Ethanol produzieren. © Foto: nobeastsofierce – stock.adobe.com (generiert mit KI)