Gestationsdiabetes: Stoffwechselerkrankung hat bei Schwangeren Hochkonjunktur

Dr. Angelika Bischoff

Innerhalb von zehn Jahren entwickeln 40 % der Mütter mit Gestationsdiabetes einen manifesten Typ 2. Innerhalb von zehn Jahren entwickeln 40 % der Mütter mit Gestationsdiabetes einen manifesten Typ 2. © fotolia/fovito

In den letzten 15 Jahren hat sich hierzulande die Zahl der Frauen mit Gestationsdiabetes mehr als verdreifacht. Eine alarmierende Entwicklung, denn sowohl für die Mutter als auch für das Kind bringt er ungünstige akute und chronische Folgen mit sich.

Laut Perinatalstatistik gab es im Jahr 2016 bei 5,38 % aller Schwangerschaften einen Ges­tationsdiabetes. Im Jahr 2002 hatte die Rate nur bei 1,47 % gelegen. Pathophysiologisch unterscheidet sich diese Diabetesform nicht vom Typ-2-Diabetes. Hormone wie das humane Plazentalaktogen, Cortisol, Progesteron und Östrogene erhöhen die Insulinresistenz. Kann dies nicht durch eine Mehrsekretion von Insulin kompensiert werden, entwickelt sich ein Gestationsdiabetes.

In Deutschland werden alle Schwangeren zwischen der 24. und 28. Woche mit einem oralen Glukosetoleranztest (oGTT) mit 75 g Glukose auf Diabetes gescreent. Laut Dr. Gregor Weisser von der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie am Klinikum Stuttgart ist verstärkt gefährdet, wer

  • einen BMI über 30 kg/m2 mit in die Schwangerschaft bringt,
  • bereits bei einer vorherigen Schwangerschaft einen Diabetes entwickelt hat,
  • eine familiäre Belastung hat,
  • ein polyzystisches Ovarsyndrom (PCO) aufweist oder
  • wer bereits mehrere Fehlgeburten hinter sich hat.

Nachsorge mittels oGTT

Etwa sechs bis zwölf Wochen postpartal wird erneut ein standardisierter oraler Glukosetoleranztest (oGTT) durchgeführt. Dieser ist in 20 % der Fälle pathologisch und 5 % der Frauen haben dann bereits einen manifesten Diabetes entwickelt. Fällt der oGTT normal aus, sollte er alle zwei bis drei Jahre wiederholt werden. Wenn die Frau wieder schwanger wird, sollte das Diabetes-Screening schon im ersten Trimenon erfolgen.

Insulineinstellung richtet sich nach der Kindsgröße

Mit gesunder Ernährung und Bewegung lässt sich der Gestationsdiabetes in zwei Dritteln der Fälle so gut kontrollieren, dass man Insulin vermeiden kann. In der Insulintherapie werden mehr und mehr auch kurz- und langwirksame Analoga eingesetzt. Die Einstellung richtet sich nach der Größe des Kindes, die mittels Sonographie anhand des Abdominalumfangs gemessen wird. Orale Antidiabetika und subkutan applizierte GLP-1-Analoga sind in Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert. Eine Ausnahme bildet Metformin, das zunehmend bei Schwangeren mit Diabetes und PCO gegeben wird – allerdings off label, erinnerte Dr. Weisser. Schwangere mit Gestationsdiabetes sollten in einer Klinik mit Neonatologie entbinden, vor allem, wenn sie mit Insulin behandelt werden. Wiegt das Kind mehr als 4,5 kg, wird primär eine Sectio angestrebt. Akute Folgen des Gestationsdiabetes für die Mutter sind Infektionen insbesondere im Urogenitaltrakt, ein erhöhtes Risiko für Hypertonie und Präeklampsie. Auch peripartal treten vermehrt Probleme wie Dammrisse, Kaiserschnitt-Entbindung oder transfusionsbedürftige Blutungen auf. Auf lange Sicht droht der manifeste Typ-2-Diabetes. Innerhalb von zehn Jahren erkranken fast 40 % der Frauen daran. Das Risiko, in einer zweiten Schwangerschaft erneut die Stoffwechselstörung zu entwickeln, beträgt 40 %. Akutfolgen für das Kind resultieren vor allem aus der Hyperglykämie. Diese führt dazu, dass die fetale Insulinsekretion steigt. Die Surfactant-Bildung hingegen nimmt ab. Der anabole Effekt des Insulins sorgt dafür, dass die Kinder überdurchschnittlich groß werden. Eine Makrosomie entwickeln 15–45 %. Zudem steigt das Risiko eines intrauterinen Fruchttodes und für Frühgeburtlichkeit. Postpartal entwickeln die Babys oft eine Hypoglykämie. Denn plötzlich fehlt das mütterliche Überangebot an Zucker, doch die Insulinsekretion des Sprösslings läuft noch auf Hochtouren. Atemstörungen durch Surfactant-Mangel, Polyglobulie, Elektrolytstörungen und neonataler Ikterus zählen zu den weiteren unmittelbaren Problemen. Doch auch langfristig haben die Kinder schlechtere Karten: Sie entwickeln häufiger Adipositas und Glukosestoffwechselstörungen.

Langes Stillen bewahrt den Sprössling vor Spätfolgen

Bewahren kann die Mutter ihr Kind vor einigen Langzeitfolgen, indem sie mindestens sechs Monate lang stillt. Je mehr Übergewicht eine Mutter vor der Schwangerschaft aufweist, desto mehr profitiert das Kind von einer langen Stilldauer. Die Rea­lität zeigt, dass gerade Adipöse mit Gestationsdiabetes vergleichsweise wenig stillen, so Dr. Weisser. Dabei profitieren auch die Mütter selbst: Das Risiko, später einen Diabetes zu entwickeln, kann auf das normale Maß gesenkt werden, wenn sie neun Monate die Brust geben.

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Innerhalb von zehn Jahren entwickeln 40 % der Mütter mit Gestationsdiabetes einen manifesten Typ 2. Innerhalb von zehn Jahren entwickeln 40 % der Mütter mit Gestationsdiabetes einen manifesten Typ 2. © fotolia/fovito