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Gestationsdiabetes: Fehler im gängigen zweistufigen Screening?

Pro Jahr entwickeln 10 % mehr Frauen einen Gestationsdiabetes (GDM) als im Vorjahr. Dieser Zuwachs betrifft die vergangenen drei Jahre, wobei auch die steigenden Geburtenzahlen eine Rolle spielen. Auf 1000 Geburten kommen etwa 60 GDM-Fälle. Die Prävalenz steigt bei einem Lebensalter über 30 Jahre und bei einem BMI über 30 kg/m2 deutlich an, berichtete der Kieler Diabetologe Dr. Helmut Josef Kleinwechter.
Zum Nachweis eines Gestationsdiabetes empfehlen die Mutterschafts-Richtlinien ein zweistufiges Vorgehen. An erster Stelle steht ein Screening mit 50 g Glukose, der Glucose Challenge Test (GCT). Er wird im Zeitraum zwischen 24+0 und 27+6 Schwangerschaftswochen durchgeführt, die Testkandidatin muss dafür nicht nüchtern bleiben. Stufe 2, der orale Glukosetoleranztest mit 75 g, wird nur erforderlich, wenn der Blutzuckerwert nach einer Stunde bei ≥ 135 mg/dl und ≤ 200 mg/dl liegt. Werte über 200 mg/dl sichern die Diabetesdiagnose – auch ohne oralen Toleranztest (oGTT).
Allerdings wurde mit dem zweistufigen Verfahren bisher ein Drittel der GDM-Fälle übersehen. Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass die Leistungsfähigkeit des 50-g-Tests bisher nicht ausreichend überprüft wurde. In der prospektiven belgischen Studie BEDIP-N wurde dies nun nachgeholt. In der Arbeit erhielten 1811 Schwangere sowohl einen 50-g-GCT als auch einen 75-g-oGTT. Probandinnen waren ebenso wie ihre Betreuer verblindet.
Ergebnis scheint von der Tageszeit abzuhängen
Bei der Auswertung zeigte sich, dass der derzeit übliche Schwellenwert von 135 mg/dl nur eine Sensitivität von 66 % hat. Für einen Suchtest braucht man aber eine Sensitivität von mindestens 70 %. Diese kann nur erreicht werden, wenn die GCT-Schwelle auf mindestens 130 mg/dl abgesenkt wird. Aber auch bei anamnestischen Risikofaktoren und einem Schwellenwert von 130 mg/dl kam die Sensitivität über 83 % nicht hinaus.
Zudem hängt das GCT-Ergebnis offenbar von der Tageszeit ab, vormittags wurden viel weniger positive Ergebnisse erzielt als nachmittags (28 % vs. 50 %). Man bräuchte also je nach Tageszeit unterschiedliche Schwellenwerte.
Außerdem analysierten die belgischen Kollegen, welche GTC-Schwelle mit mindestens 99 % Sensitivität eine GDM-Diagnose erlaubt. Sie ermittelten einen Glukosewert ≥ 184 mg/dl, ab dem keine Bestätigung durch den 75-g-oGTT mehr nötig ist. Die bessere Lösung wäre allerdings, das 50-g-Screening abzuschaffen und alle Schwangeren mit einem 75-g-oGTT zu untersuchen, erklärte Dr. Kleinwechter.
Nicht zu unterschätzen sind die postpartalen Risiken des Gestationsdiabetes, schließlich handelt es sich dabei in der Regel um einen Vorläufer des Typ-2-Diabetes. Dies zeigte sich auch in der finnischen RADIEL-Studie: Bei der Kontrolle vier bis sechs Jahre nach der Schwangerschaft hatten 11,4 % der Frauen einen Prädiabetes (gestörte Glukosetoleranz bzw. erhöhter Nüchternblutzucker) und 3,6 % einen Typ-2-Diabetes. Das höchste Risiko trugen adipöse Patientinnen mit GDM-Anamnese (26 %). Erstaunlicherweise waren aber auch Frauen ohne krankhaftes Übergewicht, die zwei oder mehr Kinder geboren haben, vermehrt stoffwechselgefährdet.
Weitere Studien ergaben, dass Frauen nach Gestationsdiabetes ein hohes kardiovaskuläres Risiko aufweisen (z.B. Hypertonie, KHK, Schlaganfall). Entsprechend benötigen sie häufiger Gefäßinterventionen wie Bypass und Angioplastie. Ein begleitender Typ-2-Diabetes aggraviert die Gefahr und sorgt dafür, dass die kardiovaskulären Ereignisse wesentlich früher auftreten als sonst üblich. Auch renale Schäden kommen nach GDM vermehrt vor.
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Jährlicher oGTT für Frauen mit hohem Typ-2-Risiko
Umso wichtiger ist deshalb eine regelmäßige Nachsorge. Frauen mit hohem Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes empfiehlt Dr. Kleinwechter einen 75-g-oGTT einmal jährlich. Außerdem sollten Lipide, Blutdruck, BMI, Taillenumfang, Kreatinin, eGFR und Albumin-Ausscheidung erfasst werden. Als besonders gefährdet gelten Frauen mit AdipositasKrankheitsbild Detailseite, GDM-Diagnose vor der 24. SSW, Insulintherapie während der Gravidität und postpartal gestörter Glukosetoleranz. Der Gestationsdiabetes bleibt nicht ohne Folgen für das Kind: Die mütterliche Hyperglykämie induziert einen fetalen Hyperinsulinismus. Er ist der wesentliche Stimulationsfaktor für ein extensives intrauterines Wachstum, wobei auch genetische Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Außerdem ist eine steigende mütterliche Blutglukose während der Schwangerschaft mit einer entsprechenden Zunahme der kindlichen BZ-Werte im Alter von 10–14 Jahren assoziiert – unabhängig vom BMI. Dieser Zusammenhang könnte zu einer strengeren Einstellung des Gestationsdiabetes führen, auch wenn bisher kein Schwellenwert bekannt ist.Quelle: 14. DDG*-Diabetologie-Update-Seminar
* Deutsche Diabetes Gesellschaft
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