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Wenn psychische Krankheiten mit Schmerzen einhergehen

Auch wenn sich für körperlich empfundene Schmerzen keine somatische Ursache finden lässt: Für die Betroffenen sind die Beschwerden real und beeinträchtigen ihre Lebensqualität mitunter massiv. Den Patientinnen und Patienten lediglich mitzuteilen, organisch sei alles in Ordnung, wird sie frustrieren. Sie werden sich nicht verstanden fühlen und bei fortbestehendem hohem Leidensdruck weitere Arztpraxen aufsuchen. Entscheidend ist, das Leiden der Betroffenen ernst zu nehmen und schon frühzeitig nach psychischen Einflussfaktoren zu suchen, schreiben Dr. Denise Linsmayer und Prof. Dr. Dieter Braus, beide Vitos Rheingau in Eltville.
Mit einer Zwölf-Monats-Prävalenz von 6 – 7 % sind Depressionen in der Bevölkerung weit verbreitet, wobei eine enge Verbindung zwischen Schmerz und Depression besteht. Allerdings bleibt die Affektstörung in einem Viertel der Fälle unerkannt, da in der Hausarztpraxis der Fokus auf der somatischen Abklärung liegt und weil psychiatrische Symptome oft nicht ohne Weiteres auffallen. Auch somatoforme Störungen begegnen dem Hausarzt und der Hausärztin häufig: Man nimmt an, dass 20 % der bei ihnen beklagten Beschwerden somatoformer Natur sind.
Screeningfragen zum Erkennen psychischer Probleme
Körperliche Zeichen psychischer Erkrankungen nehmen nur bei der Hälfte der Betroffenen im Verlauf von selbst ab. Bei 10 – 30 % werden die Beschwerden schlimmer. Umso wichtiger ist es, einer begleitenden oder auch ursächlichen psychischen Erkrankung auf die Spur zu kommen. Ein paar Screeningfragen mit Blick auf die vergangenen zwei Wochen helfen dabei:
- Fühlen Sie sich zurzeit ungewöhnlich hoffnungslos oder niedergeschlagen?
- Hat Ihr Interesse an Hobbys, sozialen Kontakten oder am Alltagsgeschehen nachgelassen?
- Können Sie sich schlechter konzentrieren? Fehlt Ihnen die Energie, Ihre Aufgaben zu bewältigen?
- Haben sich Ihr Schlafverhalten oder Ihre Schlafqualität geändert?
Bei Verdacht auf eine somatoforme Störung sollte man mit den Patientinnen und Patienten über die Wahrscheinlichkeit einer funktionellen Genese der Beschwerden sprechen, auch wenn noch nicht sämtliche somatischen Befunde vorliegen (Simultandiagnostik). Es kann helfen, klarzumachen, dass auch psychische Leiden letztlich eine Störung der Hirnfunktion sind.
Auch wenn sich keine organische Ursache finden lässt, sind deregulierte vegetative, endokrine und immunologische Prozesse durchaus am Geschehen beteiligt. Dem erkrankten Menschen gelingt es nicht ausreichend, die physiologische Aktivierung in Entspannungsphasen zu reduzieren. Eine gestörte neuronale Filterung von Signalen führt dazu, dass die Betroffenen körperliche Empfindungen intensiver wahrnehmen und ihre Aufmerksamkeit übermäßig auf körperliche Phänomene fokussieren.
Zur Botschaft an die Patientinnen und Patienten muss gehören, dass zugrunde liegende psychische Erkrankungen gut therapierbar sind. Bleiben die Schmerzen hingegen unzureichend behandelt, kommt es aufgrund der Neuroplastizität des Gehirns zu synaptischen und epigenetischen Veränderungen. In der Folge bildet sich ein Schmerzgedächtnis mit Chronifizierung der Schmerzen.
Basis einer jeden Therapie sind nicht-medikamentöse Maßnahmen wie:
- ausreichend Bewegung (≥ 8.000 Schritte am Tag)
- regelmäßige Naturerfahrungen
- kognitive Stimulation
- gute Schlafhygiene
- Pflege positiver sozialer Kontakte
- gesunde Ernährung
Die Aufmerksamkeit soll auf positive Empfindungen gelenkt werden. Wohl deshalb profitieren Patientinnen und Patienten mit Schmerzstörungen besonders vom zügigen Gehen in der Natur.
Bei depressiven Syndromen mit deutlicher Schmerzkomponente hat sich eine Medikation mit dem SNRI Duloxetin (60 – 120 mg) bewährt. Bei Betroffenen mit Hyperarousal und Angst kann Duloxetin auch mit Pregabalin (300 – 600 mg) kombiniert werden. Eine komorbide Insomnie verschlimmert die Beschwerden und muss unbedingt angegangen werden.
Insomnie mit Schlafedukation und KVT begegnen
An erster Stelle steht die passende Schlafedukation, gefolgt von kognitiver Verhaltenstherapie und gegebenenfalls dem Einsatz eines Orexinantagonisten (z. B. Daridorexant 50 mg zur Nacht). Auch digitale Unterstützungsangebote lassen sich nutzen. Die im DiGA-Verzeichnis des BfArM gelisteten Angebote sind ausreichend evaluiert und können auf Kosten der Krankenkassen verordnet werden.
Quelle: Linsmayer D, Braus DF. Schmerzmedizin 2024; 40: 33-37: doi: 10.1007/s00940-023-4654-7
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