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Wie anfangen, wie eskalieren?

Keine der initialen medikamentösen Therapien gegen die Parkinsonkrankheit wirke krankheitsmodifizierend oder neuroprotektiv, betonte Prof. Dr. Karla Eggert von der Universitätsklinik für Neurologie in Marburg. Bei jüngeren Betroffenen sollen gemäß Leitlinie eher Dopaminagonisten oder MAO-B-Hemmer eingesetzt werden. Die Effektstärke dieser Medikamente ist aber geringer als die von Levodopa. „Wer L-Dopa benötigt, sollte es auch erhalten“, betonte Prof. Eggert und räumte mit häufigen Missverständnissen auf. Demnach sollte man den Wirkstoff nicht „für später aufheben“, der frühe Einsatz führt nicht zu einer Toleranzentwicklung und auch nicht unvermeidbar zu Dyskinesien. Den Progress der Erkrankung beschleunige das Mittel ebenfalls nicht. „Levodopa ist und bleibt der Goldstandard“, fasste sie zusammen.
Wird die Therapie mit Dopaminagonisten begonnen, berücksichtigt Prof. Eggert bei der Auswahl die Patientenpräferenz, beispielsweise in Bezug auf die Applikation und die mit der unterschiedlichen Rezeptoraffinität zusammenhängenden Effekte. Liegen beispielsweise Risikofaktoren für eine Impulskontrollstörung vor, setzt sie ein Therapeutikum mit ausgeglichenem D3-D2-Profil ein (z. B. Piribedil) oder Rotigotin transdermal. Bei begleitender Tagesmüdigkeit oder Ödemen kann ein Wirkstoff mit noradrenerger Wirkung wie Piribedil eingesetzt werden, bei begleitender Depression einer mit hoher D3-Affinität (Pramipexol oder Rotigotin).
Liegt eine tremordominante Erkrankung vor, spricht dies für ein Präparat mit hoher D3-Selektivität gegenüber D2 (z. B. Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin). Bei Betroffenen mit Dysphagie, gastrointestinalen Problemen, orthostatischer Dysregulation und nächtlicher Hypokinese präferiert die Referentin Rotigotin transdermal.
Im Falle unzureichender Effektivität oder einer Unverträglichkeit der Monotherapie soll laut Leitlinie frühzeitig eine Kombination mit L-Dopa eingeleitet werden. Wichtig ist, bei der Dosierung von L-Dopa das Körpergewicht zu beachten. „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“, laute das Motto, betonte Prof. Eggert. Treten Fluktuationen auf, ist es sinnvoll, die L-Dopa-Dosis zu splitten, um kontinuierliche Plasmaspiegel und damit eine kontinuierliche Dopaminrezeptor-Stimulation zu erreichen. Wenn das nicht genügt, kommen die COMT-Hemmer oder MAO-B-Hemmer zum Einsatz.
Die Leitlinie gibt keine konkreten Empfehlungen für den Einsatz der verschiedenen Substanzen. Prof. Eggert erläuterte ihr persönliches Vorgehen wie folgt: Sie startet in der Regel bei leichten Fluktuationen mit Entacapon (aber nicht bei Diarrhöneigung), wenn das nicht effizient genug ist, setzt sie Opicapon ein (außer bei einer Neigung zu Psychosen). Tolcapon ist das nachfolgende Reservepräparat unter Kontrolle der Leberwerte. Bei den MAO-B-Hemmern startet sie bei leichten Fluktuationen mit Rasagilin. Wenn das nicht effizient ist und begleitende Dyskinesien und Schmerzen vorhanden sind, kommt Safinamid zum Einsatz, das sie gegebenenfalls auch bis 100mg aufdosiert. Selegilin verwendet sie aufgrund des Nebenwirkungsspektrums selten.
Schluckprobleme, verzögerte Magenentleerung und die kompetitive Resorption von Aminosäuren sowie Levodopa im Darm stellen Herausforderungen für die optimale Verabreichung von oralen dopaminergen Medikamenten dar. Eskalationstherapien umgehen den Magen-Darm-Trakt durch die parenterale Gabe oder die Gabe über eine Pumpe.
Für die Bedarfstherapie stehen Apomorphin subkutan als Pen, ein Levodopa-Inhalationspuder und sublinguales Apomorphin zur Verfügung. Wichtig ist, geeignete Patientinnen und Patienten zu identifizieren, sie gut hinsichtlich des Erkennens von Off-Phasen und der Handhabung der Therapien zu schulen und die Bedarfsmedikation früh und rechtzeitig einzusetzen. Je milder die Off-Phase ist, umso wirksamer sind die On-demand-Therapien, erklärte Prof. Eggert. In Deutschland müssten immer noch Barrieren abgebaut werden, um den Betroffenen Lebensqualität zurückzugeben– in anderen Ländern würden On-Demand-Therapien viel häufiger eingesetzt, so die Referentin. Sie empfiehlt die Bedarfstherapie bei
- einem vorhersehbaren morgendlichen oder postprandialen Off mit verzögertem Wirkungseintritt der oralen Medikation,
- „End-of-Dose“-Off-Phasen über den Tag hinweg, die nicht vor jeder Medikations-Einnahmezeit auftreten und von Tag zu Tag in ihrem Auftreten stark variieren sowie
- belastungsabhängigen oder paroxysmalen Off-Phasen.
Eine gerätegestützte Therapie kommt nach der 5-2-1-Regel infrage bei täglich mehr als fünf Einnahmezeitpunkten von Levodopa, mehr als zwei Stunden Off-Zeit und/oder mehr als einer Stunde störender Dyskinesien. Zur Verfügung stehen die subkutane Apomorphin-Pumpe, die jejunale Pumpe mit Levodopa/Carbidopa oder Levodopa/Carbodopa/Entacapon sowie neu die Produodopa-Pumpe subkutan mit Foslevodopa/Foscarbidopa.
Quelle: 97. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
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