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Parkinsonschmerz, lass nach!

Chronische Schmerzen sind für bis zu 80 % der Parkinsonpatienten ein quälendes Problem, das ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigt. Eine sorgfältige Diagnostik und eine effektive Therapie sind daher essenziell. Ein Autorenteam um Prof. Dr. Veit Mylius von den Kliniken Valens hat die wichtigsten Aspekte für ein erfolgreiches Management zusammengetragen.
Von besonderer Bedeutung ist zunächst die Klassifikation der Schmerzen. Um als chronisch zu gelten, müssen sie mindestens drei Monate lang bestehen. Zur Unterscheidung von parkinsonassoziierten Beschwerden und Schmerzen, die nicht direkt auf die Erkrankung zurückgehen, empfehlen die Autoren den Fragebogen PD-PCS (Parkinson disease pain classification system). Darin werden vier Faktoren abgefragt, die für eine ursächliche Beziehung zum Parkinson sprechen:
- Haben die Schmerzen direkt nach dem Erkrankungsbeginn angefangen oder sich ab diesem Zeitpunkt intensiviert?
- Treten die Schmerzen vor allem auf, wenn die motorischen Beeinträchtigungen stärker ausgeprägt sind (Off-Phasen)?
- Stehen sie im Zusammenhang mit On-Dyskinesien?
- Lässt die Intensität der Schmerzen unter einer dopaminergen Medikation deutlich (> 30 %) nach?
Zudem sollten andere, offensichtliche Gründe für die Schmerzen per defintionem ausgeschlossen sein. Lassen sich die Schmerzen so auf die Parkinsonerkrankung zurückführen, verschafft häufig eine Anpassung der dopaminergen Medikation Linderung. Dabei gilt es eine Unterdosierung vor allem morgens und nachts sowie ein Wearing-off zu vermeiden. Im Fall der eher seltenen choreatischen Dyskinesie sollte man den dopaminergen Peak in den On-Phasen reduzieren.
Mit Parkinson assoziierte Schmerzsyndrome
Schmerzen im Rahmen eines Parkinsons können auf verschiedene Mechanismen zurückgehen und sich daher unterschiedlich äußern:
Nozizeptiver Schmerz (55 %): druckschmerzhafte Muskeln, Gelenke oder Bänder, muskuläre Steifheit, myofasziales Schmerzsyndrom, „Coat hanger headache“ (Nackenschmerzen bei Hypotonie)
Noziplastischer Schmerz (22 %): Schmerzen und motorische oder innere Unruhe als Teil einer komplexen klinischen Symptomatik, etwa nicht-motorische Off-Phasen, dopaminerges Dysregulationssyndrom oder Dopaminagonisten-Entzugssyndrom
Neuropathischer Schmerz (16 %): brennende, kribbelnde oder piksende Schmerzen, Taubheitsgefühle, Hypoästhesien
Erst kürzere Intervalle, dann Retardpräparat
Zu Beginn einer Parkinsonerkrankung lässt sich eine gute Einstellung oft erreichen, indem man ein nicht retardiertes Levodopa-Präparat in drei gleichmäßig über den aktiven Tag verteilten Dosen gibt. Im weiteren Verlauf der Krankheit können aufgrund einer zurückgehenden Umwandlungskapazität von Levodopa in Dopamin und einer damit einhergehenden verkürzten Wirkdauer zusätzliche Dosisintervalle notwendig werden. Treten störende nächtliche oder morgendliche Off-Phasen auf, ist die Hinzunahme eines retardierten Levodopa-Präparats zur Nacht sinnvoll. Mögliche Zusatztherapien sind Dopaminrezeptoragonisten wie Rotigotin sowie Safinamid.
Lässt sich trotz optimaler Einstellung der dopaminergen Medikation keine Verbesserung der Schmerzen erzielen, kann eine nicht-dopaminerge Schmerztherapie erwogen werden. Zur Wirksamkeit verschiedener Medikamente bei Parkinsonpatienten liegen jedoch nur wenige Daten vor. Vielversprechend scheint einer randomisiert-kontrollierten Studie zufolge die Fixkombination aus Oxycodon und Naloxon. Weiterhin führen die Autoren Duloxetin und Botulinumtoxin als mögliche Behandlungsalternativen auf.
Unter den nicht-medikamentösen Therapieoptionen hat sich vor allem Ausdauersport als effektiv erwiesen. So ließen sich in einer Untersuchung durch Nordic Walking oder Walking mit hoher Intensität (dreimal pro Woche 70 Minuten über sechs Monate) die Schmerzen von Parkinsonpatienten mehr als halbieren. Darüber hinaus kann Ausdauersport einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität und Lebenserwartung der Betroffenen haben.
Tiefe Hirnstimulation kann Schmerzen drastisch senken
Invasive Verfahren können insbesondere bei fortgeschrittenem Parkinson in Betracht gezogen werden. In Studien erzielte beispielsweise die tiefe Hirnstimulation des Nucleus subthalamicus eine effektive Reduktion von parkinsonassoziierten Schmerzen um bis zu 80 %. Eine jejunale L-Dopa-Applikation oder eine Apomorphin-Pumpe kommen ebenfalls infrage.
Ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Schmerzen und der Parkinsonerkrankung unwahrscheinlich, sollte sich die Therapie an den entsprechenden Leitlinien orientieren. Am häufigsten sind Schmerzen aufgrund einer Arthrose. Bei der Behandlung stehen in der Regel nicht-medikamentöse Verfahren und Veränderungen des Lebensstils im Vordergrund.
Neben regelmäßiger Bewegung werden insbesondere bei Übergewicht diätetische Maßnahmen empfohlen. Liegen symptomatische Arthrosen vor, kann darüber hinaus eine Physiotherapie mit manuellen und/oder passiv-physikalischen Behandlungen sinnvoll sein, etwa eine Ultraschall-, Thermo- oder Elektrotherapie.
Medikamentös werden Arthroseschmerzen klassischerweise mit topischen oder systemischen NSAR behandelt. Daneben nehmen sogenannte SYSADOA (symptomatic slow-acting drugs in osteoarthritis) einen wichtigen Stellenwert ein. Dazu zählen u.a. Chondroitin, Glucosamin, Hyaluronsäure und verschiedene pflanzliche Substanzen, beispielsweise Teufelskralle- und Weihrauchpräparate, schreiben Prof. Mylius und Kollegen.
Quelle: Mylius V et al. internistische praxis 2024; 67: 466-480
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