Wie kommen Jungen und Mädchen wieder zu gesundem Schlaf?

Dr. Dorothea Ranft

Haben Kinder Schlafprobleme, steht therapeutisch die altersbedingte Schlafhygiene an erster Stelle. Haben Kinder Schlafprobleme, steht therapeutisch die altersbedingte Schlafhygiene an erster Stelle. © iStock/Adene Sanchez

Mindestens ein Viertel der Kinder und Jugendlichen hat Schlafstörungen. Meist sind sie nicht organisch bedingt, eine Pharmakotherapie ist nur selten angezeigt. Einfache Maßnahmen und Verhaltensänderungen helfen dabei, eine ausreichende Nachtruhe sicherzustellen.

Die Abklärung von Schlafstörungen bei Kindern oder Jugendlichen fußt auf der sorgfältigen Anamnese. Erfasst werden dabei Aspekte der Schlafumgebung, das Verhalten vor und beim Zubettgehen, Aufwachsituation etc. Ein Tagebuch, das die Eltern über zwei bis vier Wochen führen, kann dem Arzt einen guten Überblick verschaffen.

Mitunter helfen Ignorieren und Aufmerksamkeitsentzug

Spezifische Zusatzuntersuchungen wie ein EEG oder die Polysomnographie sind erst bei Verdacht auf eine organische Ursache sinnvoll, schreibt Privatdozentin Dr. ­Martina ­Pitzer, ­Vitos Rheingau in ­Eltville.

Therapeutisch steht die altersgerechte Schlafhygiene an erster Stelle (s. Kasten). Eine verhaltensbedingte Insomnie lässt sich bei jüngeren Kindern oft schon durch Aufmerksamkeitsentzug und Ignorieren von Wutausbrüchen beheben. Jugendliche bringen ihren zirkadianen Rhythmus oft durch abendliche Aktivitäten durcheinander. Dagegen hilft eine sukzessive Vorverlagerung der Schlafphase – vorausgesetzt, die neuen Bettzeiten werden konsequent eingehalten.

Altersgerechte Schlafhygiene

  • Säuglinge und Kleinkinder brauchen regelmäßige Schlafzeiten und sollten bei Müdigkeit ins Bett gebracht werden. Babys werden besser nicht direkt vor dem Einschlafen gefüttert. Für Kleinkinder sind eine konstante Schlafumgebung und konsequente Grenzsetzungen wichtig.
  • Kinder und Jugendliche profitieren von festen Schlafzeiten, wobei zwischen Schultagen und Nicht-Schultagen nicht mehr als eine Stunde Differenz bestehen sollte. Ein Nachholschlaf am Wochenende ist für Jugendliche ungünstig. Bei Müdigkeit ist eine halbe Stunde Mittagsschlaf am frühen Nachmittag erlaubt, tägliche Bewegung im Freien (bei Jugendlichen vor allem morgens) ist von Vorteil. Ab dem späten Nachmittag sollte Koffein gemieden werden. Für Kinder wird ein 20- bis 30-minütiges Einschlafritual empfohlen. Koffein ist für sie tabu, sie sollten keinen Fernseher im Zimmer haben.

An Albträume können sich Kinder nach dem Aufwachen meist lebhaft erinnern. Eine Behandlung ist in der Regel nicht erforderlich. Bei hohem Leidensdruck kann die sogenannte Traumreorganisation sinnvoll sein. Dabei imaginieren die jungen Patienten den beunruhigenden Traum aktiv und bewältigen die angstbesetzte Situation in ihrer Fantasie. Typisch für den ­Pavor ­nocturnus ist das plötzliche Erwachen aus dem Tiefschlaf mit einem Angstschrei und gleichzeitigem Aufsetzen. Hinzu kommen Zeichen der vegetativen Erregung wie Tachykardie, weite Pupillen und Schwitzen.Die Kinder schlafen danach schnell wieder ein und können sich hinterher nicht mehr an die Episode erinnern. Beim Somnambulismus verlassen die jungen Patienten ihr Bett während des Schlafs und laufen im Zimmer oder im Haus umher. Sie reagieren kaum auf Außenreize und lassen sich schwer aufwecken. Das beste Mittel gegen beide Parasomnien ist eine gute Schlafhygiene. Wenn Stress eine ursächliche Rolle spielt, können Entspannungstechniken helfen. Wegen der hohen Verletzungsgefahr beim Schlafwandeln muss die Umgebung entsprechend gesichert werden.

So viel Schlaf muss sein

  • Neugeborene: ca. 12–20 Stunden
  • Kleinkinder: ca. 12–14 Stunden
  • Vorschulkinder: ca. 11–13 Stunden
  • Schulkinder: ca. 9,5–11 Stunden
  • Jugendliche: ca. 8–10 Stunden

Gefahr eines Atemstillstands durch Antihistaminika

Medikamente sollten sehr zurückhaltend verordnet werden. Sie eignen sich allenfalls bei verhaltensbedingten Insomnien, wo sie kurzfristig für Entlastung sorgen können. Eine dauerhafte Besserung ist aber nicht zu erwarten, betont die Kinder- und Jugendpsychiaterin. Außerdem können Benzodiazepine und ­Z-Substanzen zu vermehrter Tagesmüdigkeit und Abhängigkeit führen. Der Einsatz ist bei Kindern und Jugendlichen nur außerhalb der Zulassung möglich. ­Zopiclon gilt als kontraindiziert. Von den sedierenden Antihistaminika ist lediglich ­Doxylamin für die Behandlung von Schlafstörungen zugelassen, und zwar ab einem Alter von sechs Monaten. Die anderen Mitglieder dieser Substanzgruppe dürfen bei Kindern und Jugendlichen in dieser Indikation nicht angewandt werden. Die möglichen unerwünschten Nebenwirkungen reichen von anticholinergen Effekten über eine paradoxe Erregung bis hin zum Atemstillstand. Besonders gefährdet sind Säuglinge und Kleinkinder. Das Antihistaminikum Pro­methazin hat eine Zulassung für die Therapie von Patienten mit Angst- und Unruhezuständen bei psychiatrischen Grunderkrankungen. Die Behandlung von unter Zweijährigen ist wegen des Risikos für einen plötzlichen Kindstod nicht erlaubt. Das niedrigpotente Neuroleptikum ­Pipamperon darf Kindern und Jugendlichen mit Schlafstörungen oder psychomotorischen Erregungszuständen gegeben werden. Allerdings sollte der Nutzen angesichts der Nebenwirkungen (­QT-Verlängerung, motorische Störungen etc.) kritisch abgewogen werden. Sedierende Antidepressiva sind auf den Off-Label-­Einsatz beschränkt. Bei Trizyklika ist neben unerwünschten Begleit­erscheinungen auch die geringe therapeutische Breite zu bedenken. Melatonin ist zur Behandlung von schlafgestörten Kindern und Jugendlichen mit Autismusspektrum-Störung zugelassen. Möglicherweise wirkt es auch bei ADHS. Zudem gibt es Hinweise auf einen Effekt bei Patienten mit verändertem zirkadianen Rhythmus und Schlafphasenverzögerung.

Quelle: Pitzer M. Arzneiverordnung in der Praxis (AVP); 18. Januar 2021

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Haben Kinder Schlafprobleme, steht therapeutisch die altersbedingte Schlafhygiene an erster Stelle. Haben Kinder Schlafprobleme, steht therapeutisch die altersbedingte Schlafhygiene an erster Stelle. © iStock/Adene Sanchez