
Wie Sie Qualen nach Amputation lindern
Schmerzen nach der Amputation erfordern eine genaue Lokalisierung: Stumpfschmerzen manifestieren sich im verbliebenen Körperteil (z.B. Oberschenkel), während Phantomschmerzen auf die amputierte „virtuelle“ Gliedmaße projiziert werden, schreiben Gordon Dwornik, BG Kliniken „Bergmannstrost“ in Halle, und seine Kollegen. Allerdings fällt die Differenzierung selbst den Betroffenen oft schwer, zumal viele an beiden Schmerzarten leiden.
Phantom- und Stumpfschmerzen erfordern unterschiedliche Therapie
Stumpfschmerzen sind häufig die Folge von „Amputationsfehlern“ oder einer unzureichenden Prothesenversorgung. Das Spektrum reicht von der einfachen Druckempfindlichkeit bis zu neuropathischen Symptomen (scharf, brennend, elektrisierend, druckempfindlich). Die Schmerzen können oberflächlich (Narbe), in der Tiefe oder im gesamten Stumpf wahrgenommen werden und ohne adäquate Therapie jahrelang persistieren.
Die Art der Behandlung (operativ oder konservativ) richtet sich nach der Ursache des Stumpfschmerzes und der Ausprägung des Befunds. Ungünstig geformte knöcherne Stumpfenden, arterielle Durchblutungsstörungen und Entzündungen (Osteiitis, Abszess) erfordern in der Regel den Skalpelleinsatz. Bei Hautläsionen und Ulzera stehen dagegen grundsätzlich beide Möglichkeiten zur Wahl. Allerdings stellt die konservative Therapie hohe Anforderungen an die Geduld des Patienten – er muss schließlich während der stadiengerechten Wundbehandlung auf seine Prothese verzichten.
Schmerzdiagnostik |
Allgemeinzustand und Zustand des Stumpfes: Erkrankungen, Medikation, Haut (Narben, Entzündungen, Effloreszenzen), Durchblutung, tastbare Vorsprünge, Bewegungseinschränkungen Charakter der Beschwerden: Stumpfbelastungs- oder Druckschmerz? Dauerschmerz? Phantomschmerz? Prothesen-Check: Passform, Gangbild Erwartungen und Bewältigungsstrategien des Patienten, soziales Umfeld |
Fußstümpfe erfordern häufig Re-Amputation
Bei zu hartem Prothesenrand bilden sich häufig pigmentierte Knötchen, sie sollten erst entfernt werden, wenn der Schafteingang umgestaltet wurde. Narbengewebe und Meshgraft-Transplantate im Stumpfbereich werden zunächst konservativ mit intensiver Hautpflege und Kompression behandelt. Vor allem an den besonders belasteten Fußstümpfen ist nicht selten eine Nachamputation erforderlich.
Für therapeutische Probleme sorgt nicht selten die Regenerationsfähigkeit der Nerven. Auf der Suche nach ihrem Erfolgsorgan wachsen die Axone in die Peripherie und verknäulen sich dort zu schmerzhaften Neuromen. Eine medikamentöse Therapie (z.B. mit Antikonvulsiva) ist zwar möglich und vor allem Infiltrationen mit Lokalanästhetika haben gute Effekte gezeigt. Aber in den meisten Fällen führt kein Weg an einer operativen Sanierung vorbei, wobei der Nerv gekürzt und aus der Belastungszone gebracht wird.
Regenerierende Nerven bilden schmerzende Neurome
Auch ein schmerzhafter Weichteilüberschuss erfordert häufig die operative Korrektur. Wegen des damit verbundenen Risikos empfehlen die Autoren jedoch zunächst, den Stumpf konservativ in die gewünschte Form zu bringen – z.B. durch Wickeln oder einen angepassten Kompressionsstrumpf. Eine entstauende Therapie mit Wickeln und maßgerechtem Stumpfstrumpf ist auch bei Kaliberschwankungen (z.B. aufgrund von Herz- oder Niereninsuffizienz) angezeigt. Die Behandlung sollte möglichst in der Frühphase nach der Amputation beginnen (Patient und Angehörige schulen!).
Phantomschmerzen |
Nach einer Amputation geben fast alle Patienten an, das entfernte Glied wahrzunehmen. Manche meinen sogar, sie könnten das abgetrennte Körperteil bewegen. Andere erleben es teleskopartig verkürzt, z.B. als ob die Hand direkt am Ellenbogenstumpf anschließe. Derartige – nicht schmerzhafte – Empfindungen werden als Phantomsensationen bezeichnet. |
Grundsätzlich konservativ behandelt werden Phantomschmerzen, unter denen 60 bis 85 % der Patienten innerhalb der ersten Stunden bis Wochen nach einer Gliedmaßen-Amputation leiden. Knapp ein Fünftel der Betroffenen entwickelt persistierende Phantomschmerzen, ein Drittel hat tägliche Episoden. Teilweise verschlimmern sich die meist als brennend, einschießend oder elektrisierend beschriebenen Schmerzen sogar mit zunehmendem Abstand zur Amputation.
Leitungsanästhesie verhindert Entstehung eines Schmerzgedächtnisses
Beim Phantomschmerz spielt die Prophylaxe eine entscheidende Rolle: Eine präemptive Analgesie verhindert den afferenten Zustrom nozizeptiver Information, sodass sich während der Amputation nur schwer ein Schmerzgedächtnis ausbilden kann. Auf diese Weise operierte Patienten leiden nachweislich seltener unter Phantomschmerzen und die Intensität ist zumindest im ersten postoperativen Jahr geringer.
Was die medikamentöse Therapie betrifft, lassen sich Phantomschmerzen in der Frühphase wirksam mit Calcitonin-Infusionen (3–5 Tage mit 100–200 IE) lindern. In chronischen Fällen gibt man (wie bei neuropathischen Schmerzen) z.B. Gabapentin, Carbamazepin bzw.trizyklische Antidepressiva. Diese Pharmaka sollen die Erregbarkeit der verletzten peripheren Neuronen dämpfen, auch für Opioide wurde ein gewisser analgetischer Effekt belegt.
Pharmakotherapie bei Phantomschmerz ohne Erfolg
Angesichts des insgesamt mäßigen Erfolges der Pharmakotherapie rücken Ansätze zur Reduktion zentraler amputationsbedingter Veränderungen zunehmend ins Visier. Erreicht werden kann dies z.B. mit einem somatosensorischen Diskriminationstraining, der Nutzung verhaltensrelevanter Prothesen sowie einer Spiegeltherapie.
Quelle: Gordon Dwornik et al., Orthopäde 2015; 44: 435-444; doi: 10.1007/s00132-015-3122-z.
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