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Wie Tropffläschchen, Tuben und Laschen die Adhärenz von Senioren gefährden

Arzneimittelverordnungen für Senioren erfordern besondere Sorgfalt – auch bei der Auswahl der galenischen Zubereitung. Mangelnde Handkraft, audiovisuelle, feinmotorische und kognitive Einschränkungen stehen einer korrekten Einnahme im Wege. Dran denken ist der erste und wichtigste Schritt, schreibt Apotheker Dr. Wolfgang Kircher aus Peißenberg.
So verursachen bekanntermaßen Dosieraerosole und Pulverinhalatoren Anwendungsprobleme. Hier klären Arzt und Apotheker noch am ehesten auf, so Dr. Kircher. Doch auch mit einfacheren Applikationssystemen wie Tropffläschchen haben Senioren oftmals ihre liebe Müh’. Sie halten die Fläschchen häufig viel zu schräg, da sie nur so die Tropfen mitzählen können. Die Schräglage reduziert jedoch den Tropfendurchmesser und damit die eingenommene Dosis – nicht immer eine Bagatelle.
Leerer Joghurtbecher hilft beim Tropfenzählen
Beispielsweise schwankt der Wirkstoffgehalt in einem Tramadol-Tropfen zwischen 80–120 mg, je nachdem, wie schräg man das Fläschen hält. Beim Zählen hilft das Abtropfen in einen leeren, am oberen Rand gehaltenen Jogurtbecher, der als Resonanzkörper die Tropfen hörbar macht, so die Erfahrung des Apothekers.
Probleme bereiten oft bereits solche Aktionen, die das „Überführen der Darreichungsform in den gebrauchsfertigen Zustand“ ermöglichen. Abdreh-, Abbrech- oder Aufreißsysteme müssen in ihrer Mechanik visuell und kognitiv erfasst werden, Geschicklichkeit, Feinmotorik, visuell-manuelle Koordinationsfähigkeit und Greifkraft zur Umsetzung in die Tat ausreichend sein. Aus diesen Gründen können z.B. transparente oder in der Farbe der Verschlusskappe gehaltene Aufreißlaschen, zu kurze Laschen oder nur mit sehr hohem Drehmoment zu öffnende Brechringe unüberwindliche Hindernissen darstellen. Das gilt auch für schwer einschiebbare Patronen von Inhalationssystemen bis hin zu laut Packungsbeilage leicht teilbaren Tabletten, bei denen in der Realität allerdings Druckkräfte von über 10 kg den gewünschten Erfolg bringen.
Eine Lösung bietet das Apothekenpersonal. Noch vor Ort lösen Apotheker und PTA Erstöffnungssicherungen, bereiten Trockenpräparate zu, stecken Inhalatorbausteine zusammen oder teilen Tabletten. Weiterhin gibt es eine große Palette von mechanischen Hilfsmitteln: Mit Eintropfhilfen für Augentropfen oder zangenartigen Werkzeugen zum Quetschen von Augentropfenfläschchen, Tablettenteilern und Tubenausdrückern bis hin zu Oraldispensern für Tropfen und Säfte.
Diese oralen Dosierspritzen sollte man optimalerweise über einen Flaschenadapter am Flaschenhals festschrauben und das verordnete Volumen markieren. Die Hilfsmittel sind in Apotheken erhältlich, einzelne Hersteller geben speziell für ihre Präparate auch kostenlos Applikationsunterstützer an Arztpraxen oder Apotheken ab.
Zu den Serviceleistungen der Apotheke zählt die Prüfung, ob der Patient mit den Hilfsmitteln auch zurecht kommt. Pharmahersteller von schwierigen zu applizierenden Arzneiformen stellen Placebos z.B. von Augentropfenbehältern, Inhalatoren, Transdermalpflastern oder Pens bereit, mit denen die Anwendung demonstriert und geübt werden kann. Senioren mit Visuseinschränkungen erhalten in Apotheken zusätzliche Hilfen in Form von optischen oder taktilen Markierungen von schwer erkennbaren Bedienungselementen oder leicht zu verwechselnden Arzneimitteln. Für rund 1000 Präparate stehen im Internet „akustische“ Beipackzettel zum Download bereit, manchmal tut’s aber auch eine einfache Vergrößerungskopie der Packungsbeilage.
Sprays und Roll-Ons einfacher anzuwenden als Tuben
Dr. Kircher fordert, schon während der Verordnung von Arzneimitteln an eine seniorengerechte Einnahmemöglichkeit zu denken. Tabletten sollten möglichst ohne Teilung einzunehmen sein und Sprühpräparate bzw. Roll-on-Fläschchen zur kutanen Anwendung lassen sich meist leichter auftragen als streichfähige Topika aus Tuben. Nimmt der Arzt zusätzlich Kontakt zur Apotheke oder Pflegeperson auf, lassen sich letzte Unsicherheiten ausräumen.
Quelle Text und Abb.: Kircher W. internistische praxis 2017; 58: 330-341; © Mediengruppe Oberfranken - Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach
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