
Wird der Reizdarm durch Gluten getriggert?
Störungen im intestinalen Bakterienbesatz – dem Mikrobiom – spielen beim Reizdarmsyndrom (RDS) eine wichtige Rolle. Es kommt zu einer Verarmung der Artenvielfalt, „Unkraut“-Spezies überwuchern, während protektive Keime verloren gehen. Nur eine Folge des Reizdarms? Effekte von Pro- und Antibiotika legen nahe, dass dem Mikrobiom tatsächlich eine kausale Rolle zukommt, berichtete Professor Dr. Peter Layer vom Israelitischen Krankenhaus Hamburg.
Als weiterer Schlüsselmechanismus der RDS-Pathogenese gilt die gestörte Barrierefunktion der Darmwand. Durch den enzymatischen Abbau von Adhäsionsmolekülen und Tight-Junction-Proteinen kommt es zu einer gesteigerten Permeabilität. Die epithelialen Lücken lassen sich per Laser-Endomikroskopie darstellen.
Ein relevanter Triggerfaktor der vermehrten Wanddurchlässigkeit heißt Gluten. Dafür spricht z.B. eine Studie an 45 Patienten mit Reizdarm vom Diarrhö-Typ (Sprue ausgeschlossen). Unter vierwöchiger glutenhaltiger Kost zeigten diese einen signifikanten Anstieg der Dünndarmpermeabilität, der sich unter glutenfreier Diät zurückbildete. Mittlerweile gilt als gesichert, dass einem Teil der Reizdarmfälle eine „Nicht-Zöliakie-Sensitivität“ zugrunde liegt. Betroffene reagieren auf Gluten-Exposition nicht mit spruetypischen Mukosaveränderungen und stehen symptomatisch zwischen irritablem Kolon und Zöliakie.
M. Crohn tarnt sich oft jahrelang als Reizdarm
Die intestinale Barriere spielt auch eine Rolle bei Reizdarmsymptomen unter Crohn-Patienten. In aktiven Phasen leidet etwa die Hälfte der Betroffenen unter RDS-Beschwerden, in der Remission etwa ein Drittel. Vermutlich handelt es sich um eine postinflammatorische Funktionsstörung. Diese kann auch durch rezidivierende Divertikulitiden ausgelöst werden – in einer Fallkontrollstudie fand sich eine fast fünffache Risikosteigerung für ein persistierendes Reizdarmsyndrom.
Diagnostisch bietet die Messung des fäkalen Calprotectins bei Patienten mit Reizdarmverdacht allenfalls eine nützliche Ergänzung, so Prof. Layer. Auch wenn niedrige Werte gegen endoskopisch nachweisbare Veränderungen sprechen, ersetzt dies nicht die saubere Abklärung.
Wichtig ist eine sorgfältige Diagnostik auch wegen der Verwechslungsgefahr mit potenziell ernsten Erkrankungen. In einer Metaanalyse wiesen 38 % der Spruepatienten klinisch ein Reizdarmsyndrom auf – v.a., wenn sie keine glutenfreie Diät einhielten. So erstaunt es nicht, dass mehr als 4 % der inadäquat untersuchten Reizdarm-Patienten eine Sprue hatten. Mitunter werden solche Patienten mehr als zehn Jahre lang fälschlich auf irritables Kolon behandelt.
Fruktose-Verzicht lohnt auch bei negativem Atemtest
Die zweite Fehldiagnosen-Falle: chronisch entzündliche Darmerkrankungen. CED-Patienten in Remission leiden oft unter starken Reizdarmbeschwerden. CED ohne wesentlich entzündliche Aktivität werden andererseits – als RDS getarnt – evtl. jahrelang übersehen.
Die Therapie des Colon irritabile richtet sich u.a. nach möglichen Triggerfaktoren – so kann ein Versuch mit glutenfreier Diät sinnvoll sein. Andere Patienten profitieren von fruktose-reduzierter Kost – selbst wenn der Atemtest unauffällig verläuft. Faserreiche Kost kann dagegen schon in geringer Dosis die Symptome verstärken.
Vielen Reizdarm-Patienten hilft erfahrungsgemäß die Reduktion fermentierbarer, schlecht resorbierbarer Kohlehydrate in der Nahrung. Besonders gut sprechen Personen mit Fruktose- bzw. Laktose-Malabsorption an. Allerdings beschränkt der Verzicht auf fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole, (FODMAP-Diät) massiv die Nahrungsvielfalt. Prof. Layer setzt sie nur in Einzelfällen bei starkem Leidensdruck und hoher Motivation ein.
Wirksam zu sein scheinen Probiotika, allerdings fußt die bisherige Evidenz überwiegend auf kurzfristigen Interventionen. Eine aktuelle Halbjahresstudie erbrachte für eine Mischung aus Lactobazillen und Bifidobakterien keinen signifikanten Effekt. Für Prof. Layer ein weiterer Hinweis, dass Kenntnisse zur Modulation des intestinalen Mikrobioms noch in den Kinderschuhen stecken.
Linaclotid nimmt auch den Bauchschmerz
Eine weitere Option, Polyethylenglykol, kann zwar die Obstipation lindern – nicht aber andere Reizdarmsymptome. Anders der topische Guanylatzyklase-C-Agonist Linaclotid: Er verbessert nicht nur die Stuhlkonsistenz (durch die Stimulation der Chlorid-Sekretion ins Darmlumen), sondern auch Blähungen und Bauchschmerzen.
Quelle: 22. Gastroenterologie-Update-Seminar, Wiesbaden, 2014
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).