Woher kommen die Magen-Darm-Symptome?

Dr. Anja Braunwarth

Parkinsonpatienten leiden oft schon vor der Krankheitsmanifestation unter schwerer Verstopfung. 
Parkinsonpatienten leiden oft schon vor der Krankheitsmanifestation unter schwerer Verstopfung. © Science Photo Library/ Zephyr

Gastrointestinale Beschwerden gehören zum Parkinson quasi dazu. Die meisten Patienten entwickeln Dysphagie, Sialorrhö, Gastroparese oder Obstipation – und das bereits Jahre bis Jahrzehnte, vor Beginn der motorischen Symptome. Was die Therapie angeht, ist auch der Neurologe gefordert. 

Die Gastroparese hat im Parkinsonkollektiv eine Prävalenz von 70–100 % und ihr Ausmaß korreliert mit der Schwere der motorischen Symptome, berichtete PD Dr. Lisa Klingelhöfer von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinkum Dresden. Zu den möglichen Folgen gehören Gewichtsverlust, Malnutrition und Dehydrierung. Sind Peristaltik und Absorption gestört, ist mit einem verzögerten oder gar keinem Effekt oraler Parkinsonmedikamente zu rechnen.

Sichern lässt sich die Magenlähmung u.a. durch eine Magenentleerungs-Szintigrafie oder eine Echtzeit-Visualisierung in der MRT. Als nicht-medikamentöse Maßnahmen werden empfohlen:

  • häufige, kleine Mahlzeiten
  • fett- und ballastoffreiche Kost vermeiden
  • Flüssigkeitszufuhr erhöhen, v.a. während der Mahlzeiten
  • 1–2 Stunden nach einer Mahlzeit in aufrechter Position bleiben oder herumlaufen.

Medikamentös kommen Prokinetika, Domperidon, eine Botulinumtoxininjektion in den Sphincter pylori oder Nizatidin in Frage. Außerdem sollte die Parkinsontherapie angepasst werden, z.B. durch einen Wechsel auf lösliches Levodopa. Alternativ kann man komplett auf die nicht-orale Applikation, z.B. auf Pumpen oder Pflaster umsteigen. Auch die tiefe Hirnstimulation ist eine Option.

Verstopfung ist für die Patienten oft kein Thema

Die Obstipation gilt als eines der wichtigsten nicht-motorischen Frühsymptome des idiopathischen Parkinsonsyndroms. Mit 28–80 % hat sie unter Parkinsonpatienten ebenfalls eine hohe Prävalenz, allerdings berichten diese selten darüber. Unterschieden werden die Slow-transit- von der Outlet-Obstipation. Bei Ersterer liegt eine eingeschränkte Darmmotilität vor, bei Letzterer eine anorektale Dysfunktion. Diese kann drei Gründe haben:

  • paradoxe Schließmuskelkontraktion während der Defäkation (fokale Dystonie)
  • unkontrollierte und unkoordinierte Kontraktionen des Beckenbodens
  • herabgesetzte anorektale Sensibilität durch gestörte Afferenzen

Die Diagnostik umfasst z.B. Defäkografie, anorektale Manometrie, Elektromyografie des Schließmuskels und Ballonexpulsionstest.

Allgemein sollten die obstipierten Patienten ballaststoffreiche Lebensmittel bevorzugen, reichlich trinken und sich viel bewegen. Medikamentös eignen sich Prokinetika, Abführmittel, Einläufe oder eine Botulinumtoxininjektion in den Sphincter ani. Und analog zur Gastroparese kann die parkinsonspezifische Therapie umgestellt werden.

Von einer Dysphagie sind bis zu 87 % der Parkinsonkranken betroffen, aber nur 10 % berichten spontan über entsprechende Beschwerden. Dabei haben mehr als ein Viertel Probleme, ihre Tabletten oder Kapseln zu schlucken. Man muss explizit danach fragen, betonte Prof. Dr. Carsten Buhmann von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Auch die Schluckstörung kann sich bereits sehr früh, d.h. vor Beginn der motorischen Symptome, manifestieren. Einen verlässlichen klinischen Parameter oder Fragebogen, die eine kritische Schluckstörung mit Aspiration anzeigen, gibt es nicht. Bei entsprechendem Verdacht sollte eine flexible endoskopische Evaluation des Schluckens mit Tablettenschluck durchgeführt werden.

Die Therapie der Dysphagie besteht vor allem in einem d im Rahmen der Logopädie. Was die Einnahme von Medikamenten angeht, kann man den Patienten zur Kopfneigung nach vorne (Chin-tuck-Methode) und möglichst kräftigen Schlucken raten. Hilfreich ist auch, die Tabletten bzw. Kapseln in Apfelmus oder Ähnlichem zu verpacken. Auch kann man überlegen, die Darreichungsform der Parkinsonmedikamente zu ändern.
 

Weitere Parkinson-Baustellen

Gastrointestinale Symptome sind nicht die einzigen Zeichen autonomer Störungen beim Parkinson, wie Prof. Dr. Wolfgang Jost von der Parkinson-Klinik Ortenau berichtete. Urogenital muss man mit Nykturie, Pollakisurie und Dranginkontinenz rechnen, kardiovaskulär mit Blutdruckstörungen. Auch diese Symptome werden in allen Krankheitsstadien beobachtet. Die Diagnostik folgt den gängigen Regeln, bei der Behandlung muss ggfs. die Parkinsonmedikation angepasst werden. In der Therapie einer Hypertonie ist Vorsicht mit Betablockern geboten, da eine mögliche Verschlimmerung neurologischer Ausfälle droht. Bei Diuretikagabe muss man mit Wechselwirkungen rechnen. Blasenstörungen kann man mit Training,  Miktionsplan, Antimuskarinergika und evtl. Botulinumtoxininjektionen angehen. Prof. Dr. Carsten Buhmann von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf nannte die sexuelle Dysfunktion, Schmerzen und Schlafstörungen als weitere relevante Symptome beim Parkinson. Seine Kritik: Zwar halte die Mehrzahl der Neurologen das Thema sexuelle Dysfunktion für relevant, gesprochen würde mit den Patienten, vor allem den weiblichen, aber kaum darüber. Therapeutisch können bekannte Maßnahmen, z.B. Testosteron-Gel. Antidepressiva oder PDE-5-Hemmer in Betracht kommen. Schmerzen von Parkinsonkranken können zentral bedingt sein – das trifft etwa auf 30 % zu – oder im Zusammenhang mit Komorbiditäten stehen. Mit diesen Beschwerden geraten die Betroffenen vornehmlich in die Hände von Orthopäden und Allgemeinmedizinern, weniger als 3 % werden deshalb von Neurologen betreut. Physiotherapie und Analgetika lindern die Pein, Antiparkinsonmittel tragen aber auch dazu bei. Schlafstörungen führen häufig im Verlauf zu kognitiven Beeinträchtigungen und sollten daher gemäß des vorherrschenden Symptoms behandelt werden. So bieten sich z.B. Clonazepam oder Melatonin bei REM-Schlafstörung an oder Quetiapin und Clozapin bei Unruhe und Albträumen. 

Lahmende Peristaltik mit Lewy-Körperchen assoziiert

Der Zusammhang zwischen Magen-Darm-Beschwerden und idiopathischem Parkinsonsyndrom beruht auf der Wanderung von Lewy-Pathologien vom Gastrointestinaltrakt ins ZNS und umgekehrt. „Der Nervus vagus ist praktisch der Highway“, erklärte Dr. Klingelhöfer. Obduktionen von 245 Männern ohne Parkinson- oder Demenzzeichen, deren Peristaltik man zu Lebzeiten erfasst hatte, ergaben bei 12 % inzidentelle Lewy-Körperchen. In der Gruppe derjenigen, die weniger als eine Darmbewegung pro Tag aufgewiesen hatten, ließen sich die Körperchen in 24,1 % der Fälle nachweisen. Hatte mehr als eine Darmbewegung pro Tag stattgefunden, lag die Rate nur bei 6 %.

Zunehmend erkannt wird die Bedeutung des Darmmikrobioms im Krankheitsprozess, so Dr. Klingelhöfer. Interessanterweise verändern Rauchen und Kaffeetrinken die Flora positiv, das Risiko für einen Parkinson sinkt. Eine bestimmte Zusammensetzungen des Mikrobioms korreliert mit dem motorischen Phänotyp der Krankheit. Anhand der Faktoren Vorkommen bestimmter Bakterienfamilien und Schwere einer Obstipation gelingt es, Parkinsonpatienten mit 67%iger Sensitivität und 90%iger Spezifität zu identifizieren, berichtete die Kollegin. Unklar ist aber bis dato, ob die Veränderung der Darmflora Folge des Parkinson oder aber Risikofaktor ist. Bisherige Studienergebnisse sprechen mehr für den Risikofaktor.

Kongressbericht: Deutscher Kongress für Parkinson und Bewegungsstörungen

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Parkinsonpatienten leiden oft schon vor der Krankheitsmanifestation unter schwerer Verstopfung. 
Parkinsonpatienten leiden oft schon vor der Krankheitsmanifestation unter schwerer Verstopfung. © Science Photo Library/ Zephyr