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Worauf kommt es in der Notfallversorgung von Patienten mit Verbrennungen an?
Zuerst gilt es, vor Ort den Schweregrad des Traumas nach Ausmaß und Tiefe der verbrannten Oberfläche zu beurteilen (nach der Neunerregel oder der Handflächenregel). Die Tiefe der Schädigung einzuschätzen, kann bei der Erstversorgung Probleme bereiten, da sie eventuell erst nach Abtragung von Blasen möglich ist, erklärte Dr. Fabian Medved von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen.
Doch betrachten Sie nicht nur das äußere Bild, mahnte der Kollege. Immer muss man eruieren, ob möglicherweise "innere Verbrennungen" wie bei Ingestions- oder Inhalationstraumata (häufig!) bestehen.
Zuerst schwere Begleitverletzungen behandeln!
Eine weitere Fehlerquelle: Bei Verbrennungen steht in der Regel das eindrucksvolle äußere Bild im Vordergrund, "doch man darf nicht vergessen, dass der Patient auch noch andere Verletzungen haben kann", so der Referent. In 10 % der Fälle bestehen begleitende Schäden, von denen die folgenden in der Versorgung absoluten Vorrang gegenüber Verbrennungen haben:
- Blutungen in die Körperhöhlen
- schweres Schädelhirntrauma
- Thorax- oder Abdominaltrauma
- Frakturen der langen Röhrenknochen
- spinales Trauma
Als wichtige Maßnahme in der Erstversorgung am Unfallort gilt die Kühlung und Schmerzlinderung durch kaltes Leitungswasser (20 °C). Der Effekt: Es resultiert eine Stabilisierung der Mastzellen, die dann weniger Histamin ausschütten. Kühlen darf man aber nur für maximal zehn Minuten, danach bringt es keinen Vorteil mehr. Und keinesfalls Eis verwenden, da dies die Gewebeschäden stark aggravieren kann, mahnte der Experte.
Ziel der Kühlung ist es, die lokale Oberflächentemperatur unter die Grenze der Hitzeschädigung von etwa 50 °C zu senken. Man muss aber darauf verzichten, wenn große Hautflächen betroffen sind, da sonst eine Hypothermie droht. Die Grenze wird bei etwa 30 % der Körperoberfläche (KOF) gesetzt. "Wir müssen, so paradox es klingt, auf den Wärmeerhalt achten", so Dr. Medved. Eine Hypothermie treibt die Sterblichkeit signifikant in die Höhe – um 43 % je 1 °C, "das ist schon ein Wort", ergänzte der Experte.
Kriterien zur Einweisung in ein Verbrennungszentrum
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Die Indikation besteht bei allen Patienten unter 8 Jahren oder über 60 Jahre sowie bei Brandverletzten mit:
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Unterkühlung des Patienten erhöht die Sterblichkeit
Verbrannte Areale sollen mit sterilen Tüchern oder Metallinefolie abgedeckt werden. Von den früher gern verwendeten Gelen rät der Referent ab. Sie kühlen den Patienten möglicherweise aus und erschweren in der Klinik die Beurteilbarkeit der Verbrennungstiefe (erst möglich, wenn die Gelreste vollständig entfernt wurden). Auch Salbenverbände, die einige Kollegen häufig noch einsetzen, haben in der Tübinger Notfalltherapie von Brandwunden keinen Platz mehr.
Obsolet sind zudem Neutralisationsversuche bei Unfällen mit chemischen Substanzen. Denn sie bergen die Gefahr, dass Reaktionswärme entsteht. Bei solchen Unfällen konsultieren die Tübinger Experten die Giftzentrale (in diesem Fall Freiburg), um sich bei der schier unübersehbaren Fülle der Gefahrenstoffe fachgerechte Information einzuholen.
Und wann muss ein Verbrennungsopfer intubiert werden? Dr. Medved rät, die Indikation restriktiv zu stellen! Auf jeden Fall aber intubiert er, wenn:
- zirkuläre Verbrennungen am Hals bestehen,
- ein Inhalationstrauma vorliegt,
- mehr als 40 % der KOF (inkl. Gesicht) geschädigt sind,
- eine Polytraumatisierung vorliegt,
- der Glasgow Coma Score < 8 liegt
- oder ein Schockzustand besteht.
Akute Lebensgefahr herrscht, wenn es zur laryngealen Schwellung kommt. Diese erfordert womöglich einen Luftröhrenschnitt (Koniotomie). Keinen Platz mehr in der Notfalltherapie bei Verbrennungen haben dagegen inhalative Kortikosteroide. Sie bringen keinen Benefit, sondern eher relevante Nachteile, z.B. durch Schwächung der pulmonalen Infektabwehr. Beta-2-Sympathomimetika dürfen zur Spasmolyse bei Reizgasinhalation und Asthmatikern eingesetzt werden.
Transport ins Traumazentrum innerhalb von 30 Minuten
Großlumige Zugänge sind in der Notfallversorgung obligat. Diese sollten peripher möglichst nicht durch die geschädigten Hautareale gelegt werden – als Ultima Ratio auch intraossär. Zum Einsatz kommen ausschließlich kristalloide Lösungen wie Ringerlactat oder -acetat.
In puncto Volumen empfiehlt es sich, nicht zu aggressiv vorzugehen. Ab zweitgradiger Verbrennung erhält z.B ein Erwachsener, bei dem 15 % der KOF verbrannt sind, 500–1000 ml innerhalb der ersten Stunde. Beim 20 kg schweren Kind mit 25 % verbrannter KOF sind es 250–500 ml.
Die Indikation für den Transport in ein Verbrennungszentrum (s. Kasten) rät Dr. Medved eher großzügig zu stellen. Da der Patient innerhalb von 30 Minuten nach Trauma in ein geeignetes Zentrum gelangen sollte, müssen Sie der Leitstelle meist mitteilen, dass ein luftgebundener Transport notwendig ist.
Einzige Ausnahme: Der Patient ist kreislaufinstabil. Dann muss man die nächstmögliche Klinik anfahren und erst nach Stabilisierung wird der Patient in ein Verbrennungszentrum weiterverlegt.
Quelle: Ärztekongress der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg
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