Zielgerichtete Therapien gegen spezifische Mutationen und Checkpoint-Inhibitoren

ASCO 2022 Josef Gulden

Zu den charakteristischen und relativ häufigen
genetischen Aberrationen bei AML und MDS zählen
Mutationen in den Genen SF3B1 und U2AF1. Zu den charakteristischen und relativ häufigen genetischen Aberrationen bei AML und MDS zählen Mutationen in den Genen SF3B1 und U2AF1. © iStock/ Christoph Burgstedt

MDS und AML zeichnen sich durch eine starke genetische Heterogenität aus. Das führt zu unterschiedlichen Pathophysiologien und resultiert zunehmend auch in immer vielfältigeren therapeutischen Ansätzen, von denen einige wie FLT3-Inhibitoren sich bereits in der Klinik befinden. Auf dem ASCO-Kongress wurde eine Reihe interessanter Ergebnisse aus klinischen Studien früher Entwicklungsphasen zu neuen Sub­stanzen vorgestellt.

CA-4948

Zu den charakteristischen und relativ häufigen genetischen Aberrationen bei AML und MDS zählen Mutationen in den Genen SF3B1 und U2AF1, die für Splicing-Faktoren kodieren. Diese Spliceosom- Mutationen führen zur Überexpression einer hochaktiven Isoform der Interleukin-1-Rezeptor- assoziierten Kinase 4 (IRAK4) und in der Folge zu Krankheitsprogression und einer schlechten Prognose bei betroffenen Patienten mit Hochrisiko-MDS und AML. Der orale IRAK4-Inhibitor CA- 4948, der daneben auch die FLT3-Kinase hemmt, wurde in einer Phase-1/2a-Studie unter deutscher
Beteiligung bei 43 Personen mit rezidiviertem oder refraktärem Hochrisiko-MDS oder AML getestet, von denen 14 U2AF1-, SF3B1- und/oder FLT-Mutationen hatten.

Wie Dr. ­Guillermo ­Garcia- ­Manero, MD Anderson Cancer Center, Houston, berichtete, bewies CA- 4948 bei diesen 14 Erkrankten durchaus Wirksamkeit: Zwei der fünf AML-Patient:innen mit Spliceosom-Mutation entwickelten eine Komplettremission, bei vier der sieben mit MDS und Spliceosom-Mutation war zumindest im Knochenmark eine Komplettremission zu verzeichnen – davon wurde eine Person unabhängig von Transfusionen und eine konnte eine Stammzelltransplantation erhalten.

Außerdem ging einer von drei Tumoren mit FLT3-mutierter AML in komplette Remission, die beiden anderen wurden FLT3-negativ. Bei den 29 Patient:innen ohne eine der genannten Mutationen gab es lediglich eine komplette und zwei partielle Remissionen. Die Verträglichkeit des Inhibitors war „tolerierbar“, insbesondere wurde keine dosislimitierende Myelosuppression beobachtet, sodass er sich zur Kombination mit anderen Therapien eignen könnte, so Dr. Garcia-Manero.

Venetoclax/Ivosidenib/Azacitidin

Mutationen im Gen für die Isocitrat­dehydrogenase 1 (IDH-1) führen zur Akkumulation des onkogenen Metaboliten 2-Hydroxyglutarat in den AML-Zellen und finden sich bei 6–10 % der Menschen mit AML. Außerdem nimmt die Abhängigkeit von dem anti-apoptotischen Protein BCL-2 zu, was die Rationale war, in einer Phase-1b/2-Studie den IDH1-Inhibitor Ivosidenib mit dem bereits zugelassenen BCL2-Inhibitor Venetoclax zu kombinieren. Eingeschlossen wurden laut Dr. ­Curtis Lachowiez­, ebenfalls vom MD Anderson Cancer Center, Houston, 31 Patient:innen mit neu diagnostizierter oder rezidivierter/refraktärer AML oder MDS und IDH1-Mutation. Die Studie war in vier Arme geteilt:

  • 500 mg Ivosidenib + 400 mg Venetoclax
  • 500 mg Ivosidenib + 800 mg Venetoclax
  • 500 mg Ivosidenib + 400 mg Venetoclax + 75 mg/m2 Azacitidin
  • 500 mg Ivosidenib + 800 mg Venetoclax + 75 mg/m2 Azacitidin

Die Ansprechrate betrug in der ersten Guppe 67 %, alle davon Komplettremissionen
(zusammengesetzt aus Vollremissionen und solchen mit unvollständiger Thrombozytenerholung). In den anderen Gruppen erreichte die Ansprechrate jeweils  100 %, mit 100 %, 85 % und 100 % Komplettremissionen. Rund 64 % der AML wiesen keine minimale Rest­erkrankung (MRD) mehr auf, was häufiger unter zusätzlichem Azacitidin vorkam. Auch das Gesamtüberleben fiel unter dem Triplet länger aus. Die Studie rekrutiert noch Teilnehmende, so Dr. ­Lachowiez, aber die bisherigen
Ergebnisse sind ermutigend, bei einem akzeptablen Sicherheitsprofil.

Ivosidenib/Azacitidin

Ivosidenib in Kombination mit Azacitidin ist in der Erstlinientherapie der IDH1-mutierten AML bereits in der Phase-3-Studie AGILE randomisiert gegen Placebo plus Azacitidin getestet worden – mit einem eindrucksvollen verlängerten ereignisfreien (HR 0,33; p = 0,0011) und Gesamtüberleben (median 24,0 Monate vs. 7,9 Monate) sowie Komplettremissionen mit und ohne vollständige hämatologische Erholung (52,8 % vs. 17,6 %).

In Chicago stellte Dr. ­Stéphane de Botton­, Institut Gustave Roussy, Villejuif, Untersuchungen vor, die belegen, dass mit der Kombination auch häufiger der IDH1-mutierte Zellklon aus Knochenmark und peripherem Blut verschwindet. Interessanterweise waren darunter auch Klone mit zusätzlichen Mutationen etwa im RTK-Signalweg, die mit einer Resistenz gegenüber einer Ivosidenib-Monotherapie in Verbindung gebracht werden. Offenbar kann eine solche Resistenz durch die
Zugabe von Azacitidin durchbrochen werden.

Magrolimab/Azacitidin

Checkpoint-Inhibitoren haben in den letzten Jahren in der Onkologie eine beispiellose Karriere erlebt. Bisher werden vor allem Hemmstoffe von PD(-L)1 angewendet, vor allem bei soliden Tumoren. Es gibt jedoch eine große Zahl weiterer Checkpoint-Moleküle, mit deren Expression Tumorzellen sich vor einem Angriff von Immunzellen schützen können. Darunter ist das CD47-Oberflächen-Antigen, das zum Beispiel von AML-Zellen exprimiert wird und das Makrophagen daran hindert, die malignen Zellen zu phagozytieren.

Der erste CD47-Antikörper Magrolimab wird seit einiger Zeit klinisch getestet, unter anderem bei AML und MDS. In einer Phase-1b-Studie, die Dr. ­Naval ­Daver, ebenfalls vom Houstoner MD Anderson Cancer Center, vorstellte, wurde er in Kombination mit Azacitidin bei 72 Patient:innen mit AML und TP53-Mutation gegeben, die nicht für eine intensive Chemotherapie geeignet waren. Die Ansprechrate bei diesen schwer zu behandelnden Menschen lag bei 48,6 %, der Großteil davon Komplettremissionen mit oder ohne vollständige hämatologische Wiederherstellung. Die mediane Dauer dieser Remissionen lag bei etwa acht Monaten, das mediane Gesamt­überleben bei 10,8
Monaten; neun Patient:innen konnten sich einer Stammzelltransplantation unterziehen. Derzeit wird diese Kombination bei der gleichen Indikation in der Phase-3-Studie ENHANCE-2 gegen ein Standard- Vorgehen getestet.

In einer weiteren Phase-1b-Studie, die ­Dr. ­David ­Sallman, H. Lee Moffitt Cancer Center, Tampa, präsentierte, wurde dieselbe Kombination bei 95 Menschen mit neu diagnostiziertem MDS mit mittlerem oder hohem Risiko gegeben. Drei Viertel der Tumoren sprachen an, ein Drittel mit einer Komplett­remission. Das PFS betrug 11,6 Monate, beim OS ist der Medianwert in der Gesamtkohorte noch nicht erreicht, bei den 25 Patient:innen mit TP53-Mutation belief es sich auf 16,3 Monate. Auch hier läuft eine Phase-3-Studie, ENHANCE­, in der Azacitidin mit Magrolimab oder Placebo gegeben wird, so Dr. ­Sallman.

Kongressbericht: 2022 ASCO Annual Meeting

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Zu den charakteristischen und relativ häufigen
genetischen Aberrationen bei AML und MDS zählen
Mutationen in den Genen SF3B1 und U2AF1. Zu den charakteristischen und relativ häufigen genetischen Aberrationen bei AML und MDS zählen Mutationen in den Genen SF3B1 und U2AF1. © iStock/ Christoph Burgstedt