Zu viel und doch zu wenig

Dr. Sascha Gehrken

Immunkomplexe im Blut kaschieren B12-Mangel. Immunkomplexe im Blut kaschieren B12-Mangel. © iStock/jarun011

Tremor, Fatigue, Parästhesien – eigentlich klassische Symtome eines Vitamin-B12-Mangels. Doch der Serumspiegel einer Patientin ist erhöht statt erniedrigt. Stark erhöht, weshalb die Ärzte eine Immunkomplexbildung vermuten, die den Vitaminmangel kaschiert.

Für erhöhte Vitamin-B12-Serumspiegel gibt es viele Gründe. Oft steckt schlicht und einfach eine Supplementation dahinter. Manchmal führen aber auch Immunkomplexe im Blut zu dem Anstieg – und kaschieren einen B12-Mangel. Das Team um Prof. Dr. Bruce Wolffenbuttel vom University Medical Center Groningen berichtet von einer 18-Jährigen, bei der der fehlerhafte Laborwert die korrekte Diagnose lange hinauszögerte. Als die Patientin 13 Jahre alt war, hatte ihr Hausarzt bereits einen B12-Mangel diagnostiziert. Zu diesem Zeitpunkt war der Spiegel deutlich erniedrigt. Das Mädchen klagte u.a. über einen Tremor der Hände, ein brennendes Gefühl auf der Zunge sowie Parästhesien. Da sie sich ausgewogen ernährte, ging der Kollege von einer gestörten intestinalen Resorption aus und leitete eine Therapie mit Hydroxycobalamin i.m. ein. Die Symptome verschwanden. Nach zwei Jahren stoppte der Hausarzt die Behandlung, obwohl grundsätzlich zu lebenslangen Injektionen geraten wird. 

Ein lebenslanges Unterfangen

Resultiert aus einer gestörten intestinalen B12-Resorption ein Vitaminmangel, benötigen die Betroffenen eine lebenslange Therapie. Die Hydroxycobalamininjektionen (1000 μg i.m.) sollten anfangs zweimal pro Woche erfolgen, bis alle Symptome abgeklungen sind oder sich nicht weiter verbessern. Dann kann man die Häufigkeit der Injektionen langsam reduzieren. Die meisten Patienten bleiben unter einer Dosis von 1000 μg alle zwei bis acht Wochen klinisch stabil.

Makro-B12 ist metabolisch inaktiv

In den darauffolgenden Monaten entwickelte die Teenagerin wieder neurologische Beschwerden, der B12-Wert lag allerdings oberhalb der messbaren Grenze des Assays (> 1476 pmol/l). Über Umwege landete die Patienten schließlich in der Ambulanz von Prof. Wolffenbuttel. Inzwischen hatte sie zwei Jahre lang kein Cobalamin substituiert. Da die Experten keine andere Ursache für den Anstieg fanden (Leberschaden, myeloproliferative Erkrankung etc.), suchten sie gezielt nach Makro-B12. Dabei handelt es sich um metabolisch inaktive Immunkomplexe aus Vitamin-B12-bindenden Proteinen und Immunglobulinen. Warum sie sich bilden, weiß man bislang nicht. In jüngeren Untersuchungen konnte Makro-B12 bei über 25 % der Patienten mit einem Serumlevel > 1476 pmol/l nachgewiesen werden. Auch die 18-Jährige hatte Immunkomplexe im Blut, eigentlich bestand ein Vitamindefizit. Das bestätigte eine spezielle Laboruntersuchung. Unter erneuten Cobalamininjektionen besserten sich die Symptome langsam. Ein leichter Tremor der Hände blieb jedoch. Quelle: Wolffenbuttel BHR et al. BMJ Case Rep 2022; 15: e247660; DOI: 10.1136/bcr-2021-247660

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Immunkomplexe im Blut kaschieren B12-Mangel. Immunkomplexe im Blut kaschieren B12-Mangel. © iStock/jarun011