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Zum Milzriss braucht es kein Trauma

Jede Minute fließen etwa 150 ml Blut durch die Milz. Entsprechend dramatisch sind die Folgen einer Milzruptur: Unbehandelt sind neben einer hämodynamischen Instabilität starke innere Blutungen möglich, an denen der Patient im schlimmsten Fall stirbt. Wie Ärzte am besten reagieren, um diese Katastrophe zu vermeiden, erläutern Muriel Jeanmonod und Dr. Alend Saadi vom Hôpital de Pourtales in Neuchâtel. In einer Übersichtsarbeit auf Basis ihrer eigenen Praxiserfahrungen und der Evidenz aus Studien beschreiben die beiden Autoren auch die typische Symptomatik einer atraumatischen Milzruptur, die sich mit der einer traumatischen Milzruptur deckt.
Abdominale Schmerzen unter dem linken Rippenbogen
Neben Abdominalschmerzen, vor allem unter dem linken Rippenbogen und epigastrisch, können bei einem Milzriss Schwindel, Übelkeit und Erbrechen auftreten. Schmerzen, die in die linke Schulter ausstrahlen, sind mögliche Anzeichen einer Reizung des Zwerchfells. Bei der Untersuchung fallen ein druckschmerzhaftes Abdomen auf, unter Umständen auch eine Abwehrspannung und Schockzeichen. Die diagnostischen Kriterien für eine idiopathisch-atraumatische Milzruptur sind:
- fehlendes Trauma, zudem keine ungewöhnliche Tätigkeit als möglicher Auslöser für eine Verletzung der Milz in der Vorgeschichte
- keinerlei Nachweis einer anderen Erkrankung, die die Milz beeinträchtigen könnte
- keine Anzeichen für alte Milzverletzungen, keine Verwachsungen oder Vernarbungen
- keine makroskopischen und histologischen Auffälligkeiten der Milz außer der Blutung/Ruptur
- kein Labornachweis einer kürzlichen viralen Infektion, die mit einer Milzschädigung in Zusammenhang stehen könnte
Eine Computertomografie oder die Sonografie bestätigen die Diagnose und geben Aufschluss über das Ausmaß der Verletzung. Zur Behandlung einer idiopathisch-atraumatischen Milzruptur stehen chirurgische und konservative Methoden sowie die Verfahren der interventionellen Radiologie zur Wahl. Letztere hat den Verschluss der Arteria splenica bzw. einer ihrer Äste zum Ziel. Im Gegensatz zur Splenektomie, die jahrelang als Goldstandard galt, ermöglicht die proximale Embolisation den Erhalt der Milz. Zudem geht der Eingriff schnell vonstatten, ist einfach und kostengünstig durchzuführen und zieht weniger Milzabszesse, -infarkte und Infektionen nach sich. Der Nachteil ist, dass die Milzarterie danach nicht mehr für eine Angiografie zugänglich ist.
Im Anschluss an eine konservative Behandlung mit Beobachtung oder Angiografie ist eine engmaschige Kontrolle sowie gegebenenfalls die Abklärung der Rupturursache empfehlenswert.
Auch Husten und Erbrechen können zum Milzriss führen
Die häufigste Ursache für eine atraumatische Milzruptur stellen Infektionen dar, gefolgt von onkohämatologischen Erkrankungen. Rund 18 % der Fälle sind auf eine medizinische Intervention wie eine Koloskopie, eine endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie oder eine Leber- bzw. Lungenoperation zurückzuführen. Seltenere Ursachen sind kleine Traumata z.B. beim Husten oder Erbrechen, rheumatische Erkrankungen und anatomische Anomalien.
Bei einem Großteil der Betroffenen erfolgt in der Praxis auch heute noch eine Splenektomie oder eine Splenorrhaphie. Anerkannte Kriterien, die für eine chirurgische Behandlung sprechen, sind hämodynamische Instabilität, eine hochgradige Milzläsion sowie Anzeichen einer Peritonitis. Eine Studie legt zudem nahe, dass auch die Anzahl der Transfusionen sowie die Ursache der Ruptur in die Entscheidung zwischen einer konservativen oder chirurgischen Vorgehensweise einfließen sollten. Diesbezüglich gehen die Meinungen jedoch auseinander.
Eine Splenektomie geht mit einer erhöhten Gefahr für fulminante und potenziell tödliche Infektionen in den ersten Jahren einher. Die Inzidenz beträgt zwischen 0,23 und 0,42 %. Entsprechend sind die Betroffenen über das Infektionsrisiko aufzuklären. Außerdem sollten sie ein Rezept für eine Antibiotikaprophylaxe erhalten, die sie im Falle von Fieber, Grippesymptomen oder Tierkratzern bzw. -bissen unmittelbar beginnen sollten.
Erwachsene nehmen hierfür beispielsweise initial einmal zwei Tabletten Amoxicillin/Clavulansäure (875/125 mg) ein, gefolgt von drei Tabletten pro Tag. Kinder erhalten täglich zwei bis drei Dosen Amoxicillin/Clavulansäure (50–80 mg/kgKG). Während eine Antibiotikadauerprophylaxe bei Kindern über die ersten fünf Lebensjahre und danach mindestens über drei Jahre nach der Splenektomie aufrechterhalten werden sollte, ist der Zeitraum in der Adoleszenz individuell abzuwägen. Eigenmächtig sollten die Patienten das Antibiotikum jedenfalls nicht absetzen, sondern nur nach Rücksprache mit dem Arzt.
Quelle: Jeanmonod MW, Saadi A. Swiss Med Forum 2023; 23: 1202-1206; DOI: 10.4414/smf.2023.09449
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