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Zumindest die Schmerzen bekommt man relativ gut in den Griff

Für die interstitielle Zystitis, oft auch als Blasenschmerzsyndrom bezeichnet, gibt es keine allgemein anerkannte Definition, schreibt PD Dr. Winfried Vahlensieck von der Fachklinik Urologie der Kurparkklinik in Bad Nauheim. Laut S2k-Leitlinie handelt es sich weder um eine reine chronische Schmerzkrankheit noch um eine bakterielle Infektion. Antibiotika sind also nur indiziert, wenn tatsächlich Erreger im Urin isoliert wurden.
Bis zu 100 Miktionen pro Tag, dazu brennende Schmerzen
Hauptsächlich sind Frauen im mittleren Lebensalter betroffen, die als häufiges Erstsymptom eine Pollakisurie nennen. Dabei geben die Betroffenen bis zu 100 Miktionen pro Tag an. Oft wird die Pollakisurie begleitet von imperativem Harndrang mit gelegentlicher Dranginkontinenz. Hinzu kommen in gut der Hälfte der Fälle teils stärkste Schmerzen der Harnblase, ggf. auch der Harnröhre. Eine neuropathische Komponente mit einschießenden, brennenden, elektrisierenden Schmerzen ist dabei nicht selten. Bevor man aber die Diagnose stellt, muss man eine Reihe weiterer Krankheitsbilder ausschließen, betont der Experte. Dazu gehören etwa
- Karzinome von Blase (Männer erkranken selten) oder Prostata
- bakterielle Infekte der Harnwege oder der Prostata
- vaginale Mykosen
- Blasen- oder Uretersteine
- überaktive Blase oder Dranginkontinenz
Auch an Störungen von Muskel- und Skelettsystem, Gastrointestinaltrakt, Geschlechtsorganen, Nervensystem und Psyche gilt es zu denken, betont der Experte. Einzig sog. Hunner-Ulzerationen der Blasenschleimhaut sind pathognomonisch für die interstitielle Zystitis.
Therapeutisch stehen Allgemeinmaßnahmen an erster Stelle. Raten Sie Ihren Patienten zu weiter, bequemer Kleidung, zu Sport, zum Meiden von Lebensmitteln, die erfahrungsgemäß die Symptome steigern (oft scharfe und histaminreiche Nahrungsmittel), zur Steigerung der Trinkmenge (trotz Pollakisurie), zu Physiotherapie und zu Entspannungstechniken, eventuell auch zu Psychotherapie. Bleibt all das erfolglos, können Sie zusätzlich Medikamente erwägen (siehe Tabelle). Grundsätzlich empfiehlt sich die Kombination verschiedener Substanzen, so der Kollege.
Bis auf Pentosanpolysulfat und Amitriptylin bei neuropathischen Schmerzen erfolgt der Einsatz aller Medikamente aber ohne entsprechende Zulassung. Und nicht zu vergessen: Schmerzen sind meist ein wesentliches Symptom. Daher gehören Analgetika wie nichtsteroidale Antirheumatika, Metamizol, Paracetamol, Opioide (Tilidin/Naloxon) und Ko-Analgetika zur Therapie.
Ist mit Tabletten allein wenig auszurichten, können verschiedene Substanzen in die Blase instilliert werden, die dort mindestens 30 Minuten verbleiben sollten:
- Heparin (off label, evtl. in Kombination mit Lidocain/Bupivacain, Triamcinolon, Natriumhydrogenkarbonat)
- Hyaluronsäure
- Chondroitinsulfat
- Lokalanästhetika (Lidocain, Bupivacain, Scandicain) plus Natriumbikarbonat 8,4 % (off label)
Eine EMDA*-Therapie kann Blasenkapazität und Schmerzen oft erstaunlich gut bessern (Grad-B-Empfehlung laut S2k-Leitlinie). Bei dem Verfahren lässt ein gepulster Gleichstrom über eine suprapubische Hautkathode und eine transurethrale Anode Medikamente wie etwa Dexamethason oder Lidocain/Adrenalin in tiefere Schichten der Harnblase eindringen.
Zu den invasiveren Verfahren gehören eine Hydrodistension (Grad-B-Empfehlung), bei der unter Anästhesie die Blase mit Flüssigkeit gefüllt wird, bis ein Druck von 60 bis 80 cm Wassersäule erreicht ist. Der Druck wird bis zu drei Minuten aufrechterhalten. Durch die Regeneration afferenter Nervenfasern lässt sich häufig eine Schmerzminderung erreichen. Kombiniert damit ist eine Injektion von Onabotulinumtoxin A (off label) in die Blasenwand möglich – wie und wohin genau, ist allerdings noch unsicher. Auch Lokalanästhetika und Kortikosteroide können so eingebracht werden. Für die Injektionsverfahren gilt eine Grad-C-Empfehlung. Eine Zystektomie schließlich ist das Mittel der letzten Wahl, wenn eine irreversible Schrumpfblase vorliegt. Die Leitlinie empfiehlt sie nicht.
Medikamentöse Therapiemöglichkeiten bei interstitieller Zystitis | ||||
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Substanz | Wirkung | Kontraindikationen | Anmerkungen | Empfehlungsgrad laut S2k-Leitlinie |
Pentosanpolysulfat bei Nachweis von sog. Hunner-Ulzerationen | erneuert Schutzschicht der |
| muss aus dem Ausland bezogen werden regelmäßige augenärztliche Kontrollen (Gefahr einer pigmentierten Makulopathie bei Langzeitgabe) | A |
Amitriptylin | neuropathische Schmerzen und Harndrang ↓ nach zwei bis vier Wochen | Leberinsuffizienz, schwere Herzerkrankungen | Achtung: Fahruntüchtigkeit zu Therapiebeginn möglich, nicht in Kombination mit Alkohol | B |
Mirtazapin | neuropathische Schmerzen ↓, |
| anticholinerge Nebenwirkungen seltener als bei Amitriptylin, Therapie ein- und ausschleichen | C |
Hydroxyzin | inhibiert Mastzellaktivierung | Glaukom, Motilitätsstörungen im Magen-Darm-Trakt, Harnwegobstruktion, Myasthenia gravis, Demenz (anticholinerge Komponente) | nicht in Kombination mit Alkohol bei älteren Patienten, bei Leber-/Niereninsuffizienz: Dosis ↓ | C |
Cimetidin | suprapubische Schmerzen ↓, Nykturie ↓ |
| evtl. Alkoholwirkung ↑ Niereninsuffizienz: Dosis ↓ | C |
Montelukast | Mastzellaktivität ↓, Histamin ↓ |
| keine Dosisanpassung bei Älteren, Leber-/Niereninsuffizienz | C |
Sildenafil | Blasenkapazität ↑ |
|
| C |
Nifedipin | Interleukin-2-Aktivität im Urin ↓ | kardiovaskuläre Kontraindikationen | keine kontrollierten Studien verfügbar | C |
Tizanidin | zentrales Muskelrelaxans →, |
| keine kontrollierten Studien verfügbar | C |
Pregabalin | neuropathische Schmerzen ↓ |
| keine kontrollierten Studien verfügbar Niereninsuffizienz: Dosis ↓ neurologische, gastrointestinale, muskuläre Nebenwirkungen möglich | C |
Neue Therapieoptionen werden derzeit erprobt
Derzeit lässt sich mit den verschiedenen Verfahren nur selten eine Heilung erzielen. Ein akzeptabler Zustand ohne Schmerzspitzen ist aber möglich. Und zukünftig könnten sich neue Therapiemöglichkeiten ergeben: Behandlungen mit Stammzellen, monoklonalen Antikörpern, plättchenreichem Plasma, autologem Fett etc. werden zurzeit erprobt.
* Electromotive Drug Administration
Quelle: Vahlensieck W. Urologie 2023; 62: 582-589; DOI: 10.1007/s00120-023-02080-x
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