Zwei Experten diskutierten über die Sentinel-Lymphknotenbiopsie

ADO 2023 Dr. Susanne Gallus

Ist die Sentinel-Lymphknotenbiopsie nach der Zulassung von Immuntherapien für Risikopatient:innen beim Melanom überhaupt noch zeitgemäß? Ist die Sentinel-Lymphknotenbiopsie nach der Zulassung von Immuntherapien für Risikopatient:innen beim Melanom überhaupt noch zeitgemäß? © georgerudy – stock.adobe.com

Die Sentinel-Lymphknotenbiopsie ist ein etablierter Eingriff im Rahmen des Tumorstagings. Zwar gilt das Entfernen des Wächterlymphknotens als sicher. Aber ist die SLBN nach der Zulassung von Immuntherapien für Risikopatient:innen im Stadium II beim Melanom überhaupt noch zeitgemäß?

Beim Mammakarzinom ist die Sentinel-Lymphknotenbiopsie (SLNB) nach wie vor therapieentscheidend. So werden per SLNB Kandidatinnen mit erhöhtem Risiko für Progress identifiziert oder solche, bei denen eine ergänzende axilläre LAD indiziert ist. Die derzeitige Datenlage lässt auch nicht darauf schließen, dass sich das in nächster Zeit ändert, erklärte Prof. Dr. Roland­ Kaufmann von der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie am Uniklinikum Frankfurt. Für ihn ist damit sicher, dass die SLNB an sich noch nicht ausgedient hat.

Wie steht es um die Situation bei kutanen Malignitäten? Im Falle des Merkelzellkarzinoms behält die SLNB sowohl in der EADO-Guideline als auch in der deutschen S2k-Leitlinie weiterhin eine therapie­entscheidende Stelle. 

Grund dafür ist u.a. die Häufigkeit der lymphogenen Metastasierung. An einen positiven Befund schließen sich z.B. eine Radiatio (50–55 Gy) oder eine therapeutische Lymphknotendissektion an. Und diese Zusatztherapien sind für das Überleben der Patient:innen von Bedeutung, wies Prof. Kaufmann­ auf die Studienlage hin. 

Welche Position nimmt die SLNB in Hinblick auf (neo)adjuvante Immuntherapien ein? Auch in diesen Fällen sah der Referent aufgrund der derzeitigen Datenlage Primärexzision und SLNB noch als zukunftsfähig an. „Eben gerade auch für die, die nicht auf die  neo­adjuvante Therapie ansprechen“, fügte er hinzu. 

Etwas schwammiger werde die Sache allerdings beim Melanom. Die SLNB gehörte bisher bei Staging und Prognose zum Standard. Durch die Zulassung von Pembrolizumab und Nivolumab beim fortgeschrittenen Primärtumorstadium (IIB, C) bahnt sich ein Paradigmenwechsel an. Hat die SLNB deshalb ausgedient? 

Unsichere Patient:innen, die eine adjuvante Therapie eigentlich ablehnen, könnten durch die SLNB im Falle eines negativen Befunds mehr Sicherheit gewinnen. Oder bei positivem Ergebnis würde ihnen die Entscheidung sozusagen auch abgenommen, fand Prof. Kaufmann dennoch Argumente für deren Einsatz. Außerdem zeigen Studien­daten, dass das Ergebnis der SLNB insbesondere bei Tumoren > 4 mm prognostisch relevant und wichtig für die loko­regionale Kontrolle ist. 

Ein weiterer Punkt, den man in Hinterkopf haben sollte, ist die Möglichkeit der zielgerichteten Therapie bei BRAF-mutierten Tumoren. Dabrafenib und Trametinib besitzen nur eine Zulassung für das Stadium III, gab Prof. Kaufmann zu bedenken. Und dafür brauche man wieder das Ergebnis der Sentinel-Lymphknotenbiopsie. 

„Zwar Routine, aber mit vielen Problemen“

Sein Gegenredner, Prof. Dr. Dirk Schadendorf vom Hauttumorzentrum der Universitätsklinik Essen, beleuchtete die Sachlage für seinen Konterpart aus einem anderen Blickwinkel. „Sentinel-Node-Biopsie ist zwar Routine, hat aber wirklich viele Probleme“:

  • es kommt zu falsch-positiven Ergebnissen oder die Markierung gelingt erst gar nicht
  • es gibt einen Mangel an Technetium-99, der sich zukünftig wohl noch verschlimmern wird
  • es ist eine radioaktive, kosten­intensive Prozedur
  • es gibt unterschiedlich standardisierte Aufarbeitungsprotokolle
  • die Rate an falsch-negativen Ergebnissen liegt je nach Protokoll bei bis zu 44 %

Hinzu kommt, dass die Behandlung des lokoregionären Abflussgebietes per Bestrahlung oder Operation keinen Effekt auf das Gesamtüberleben zeigt, führte Prof. Schadendorf weiter aus. „Und es ist natürlich eine invasive Prozedur mit entsprechenden Morbiditätsrisiken.“

Diese Risiken wiegen schwer, sollte die Schildwächter-Lymphknotenbiopsie – provokant ausgedrückt – nur noch stattfinden, um den Tumor in die korrekte AJCC-Klasse einzuordnen. Einen Vorteil bietet der positive Befund, wenn bei Patient:innen z.B. mit dünnen oder nicht-ulzerierten Melanomen der positive Befund ein ­Upstaging zum Stadium III ermöglicht und diese dann Zugang zu einer Immun- bzw. zielgerichteten Therapie haben. Die Entscheidung für eine SLNB sollte folglich den Wunsch der Betroffenen explizit berücksichtigen, d.h., dass diese entweder dann auch eine entsprechende Behandlung erhalten oder die Prognose wissen möchten (siehe Kasten). 

Wichtige Aspekte für das Aufklärungsgespräch

Worauf man Patient:innen ab dem Stadium IIB vor der SLNB hinweisen sollte:

  • Wollen sie die Prognose trotzdem wissen, obwohl schon eine Therapieentscheidung getroffen wurde?
  • Welchen individuellen Vorteil bringt die SLNB im Vergleich zu den Risiken des Eingriffs?
  • Steht eine zielgerichtete Therapie mit BRAF/MEK-Inhibitoren überhaupt zur Debatte?

Sind Patient:innen in frühen Tumorstadien die bessere Zielgruppe für die SLNB? Bei T1-Tumoren zeigen sich die besten Überlebens­chancen. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt in australischen und US-amerikanischen Kohorten bei etwa 97 %, gab der Referent zu bedenken. Betrachtet man zusätzlich die Komplikationsrate von insgesamt 11,3 %, die in einer Auswertung mit 9.000 Erkrankten ermittelt wurde, ist es deutlich wahrscheinlicher, dass der Patient oder die Patientin z.B. eine Infektion, ein Serom oder ein Lymphödem entwickelt, als dass in diesem Stadium ein positiver Lymphknoten gefunden wird (5–7,8 %).

„Bedeutung wird innerhalb von fünf Jahren sinken“

Für Prof. Schadendorf stand damit außer Frage, dass die Zulassung von adjuvanten Therapien im klinischen Stadium II zu einem Paradigmenwechsel beim Melanom geführt hat. Die Bedeutung der SLNB werde innerhalb der nächsten fünf Jahre kontinuierlich sinken. Bei einer Tumordicke > 2–4 mm und Ulzeration habe man nun ungeachtet des Sentinelstatus eine Therapie­option. Das Einzige, was man bei diesen Patient:innen durch die SLNB ggf. gewinnt, „ist eine Prognose­information, die wir nicht beeinflussen können durch unsere Therapie“. Vielleicht werden in naher Zukunft bessere Biomarker gefunden.

Quelle: Kaufmann R, Schadendorf D. 33. Deutscher Hautkrebskongress; Session „Kontroversen in der Dermatologie“, Vortrag „Wird in Zukunft die Sentinel-Lymphknoten-Operation noch benötigt? PRO und CONTRA“ 

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Ist die Sentinel-Lymphknotenbiopsie nach der Zulassung von Immuntherapien für Risikopatient:innen beim Melanom überhaupt noch zeitgemäß? Ist die Sentinel-Lymphknotenbiopsie nach der Zulassung von Immuntherapien für Risikopatient:innen beim Melanom überhaupt noch zeitgemäß? © georgerudy – stock.adobe.com