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Zwei Wirkstoffkandidaten werden bereits klinisch getestet
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Bisher gibt es keine Technologie, mit der sich eine sterilisierende Schleimhautimmunität gegen respiratorische Pathogene erzeugen lässt. „Davon sind wir nach meiner Einschätzung noch Jahrzehnte entfernt. Uns fehlen die Adjuvanzien, wir wissen auch gar nicht, wie wir das Immunsystem dazu bringen sollen, unsere Lungen zu schützen“, glaubt Prof. Dr. Gary Anderson, Universität Melbourne. COVID-19 ist für ihn das beste Beispiel: Selbst drei-, viermal geimpfte Individuen können sich noch mit Corona infizieren, „weil Mutter Natur entschieden hat, keine neutralisierenden Antikörper auf epitheliale Oberflächen zu packen“, so der australische Forscher.
Heparin klebt an den Viren und reduziert Infektiosität
Sein Weg zum Lungenschutz führt durch die Nase, Eintrittspforte praktisch aller Atemwegsviren. Dabei setzt er unter anderem auf Heparin. Intranasal gegeben, entfaltet das Molekül keine systemische Wirkung, weil es viel zu groß ist. Daher bleibt die Gerinnung unbeeinflusst.„Heparin trägt eine starke negative Ladung und klebt dadurch an fast allem, vor allem an den meisten respiratorischen Viren, und reduziert so die Infektiosität“, erklärte Prof. Anderson.
Bei SARS-CoV-2 kommt noch eine weitere Besonderheit dazu. Bevor die ACE2-Rezeptoren als Eintrittspforten für das Virus aktiv werden, muss SARS-CoV-2 an nasales Heparansulfat binden. Das führt zu einer Konformationsänderung, die das Virus so modifiziert, dass es eindringen kann.
Heparin imitiert mit bemerkenswerter Genauigkeit die Struktur von Heparan und windet sich schlangenähnlich um SARS-CoV-2, das dadurch nicht mehr an die Rezeptoren binden kann. Mutiert das Virus, um die Bindung von Heparin zu vermeiden, verliert es automatisch seine primäre Infektiosität. „Heparin ist also eine Option für alle gängigen und wahrscheinlich auch künftigen Virusvarianten“, betonte Prof. Anderson.
In-vitro-Versuche haben das Konzept sehr überzeugend untermauert. Mit steigender Heparinkonzentration ging die Infektiosität von SARS-CoV-2 gegen humane Nasenepithelzellen immer mehr zurück. Jetzt läuft in Melbourne die klinische Studie INHERIT. In ihr wird geprüft, ob nasales Heparin Kontaktpersonen von mit SARS-CoV-2 infizierten Kindern und Erwachsenen vor Ansteckung schützt. Einziger Haken bisher: Heparin wird relativ schnell abgebaut und muss dreimal täglich gesprüht werden.
INNA-051 kurbelt die antivirale Immunität an
Das sieht beim nächsten Kandidaten anders aus: INNA-051 stimuliert die Toll-like-Rezeptoren (TLR) 2 und 6, welche zu den Regulatoren der angeborenen Immunität zählen. TLR2/6-Agonisten führen zu einer Voraktivierung antiviraler Immunität, indem sie die Transkriptionsmaschine in Stellung bringen. Dadurch können die Zellen im Fall einer Infektion sehr schnell protektive Interferone produzieren.
INNA-051 wirkt nach nasaler Gabe bis zu einer Woche, ohne eine systemische Exposition oder Inflammation zu erzeugen. Der Infektionsschutz ist sehr breit und wirksam gegen viele Viren. INNA-051 überkommt das Problem, dass Impfstoffe angepasst werden müssen, wenn Viren mutieren. Das könnte die Exazerbationsraten bei COPD drastisch reduzieren. Auch diese Substanz befindet sich bereits in der klinischen Erprobung.
Quelle: European Respiratory Society International Congress 2022
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