Benignes Prostatasyndrom Diagnostik, Therapie und Leistungsabrechnung

Abrechnung und ärztliche Vergütung , Kassenabrechnung Autor: Dr. Gerd W. Zimmermann

Durch die Entbudgetierung wird die GOP 03004 und 03220/03221 durch die Versorgungspauschale ersetzt. Durch die Entbudgetierung wird die GOP 03004 und 03220/03221 durch die Versorgungspauschale ersetzt. © Orawan – stock.adobe.com

Ein 75-jähriger Patient berichtet seinem Hausarzt von starkem Harndrang bei eher verzögerter Blasenentleerung. Wie diagnostisch, therapeutisch und bei der Abrechnung vorgegangen werden kann, illustriert dieser Beispielsfall. Hinzu kommt der Blick in die Zukunft ohne hausärztliches Honorarbudget.

Die Grundlage eines benignen Prostatasyndroms (BPS) ist die progressive, altersassoziierte, benigne Prostatahyperplasie (BPH). Sie selbst verursacht keine Symptome, kann aber durch Einengung der Harnröhre oder funktionelle Störungen zu Miktionsbeschwerden führen. Zu diesen Symptomen des unteren Harntraktes (Lower Urinary Tract Symptoms, LUTS) zählen schwacher Harnstrahl, verzögertes Einsetzen oder verlängerte Dauer der Blasenentleerung.  

Diagnostik

Eine wichtige Grundlage der Diagnostik beim BPS stellt daher die Anamnese zur Erfassung der Miktionsbeschwerden dar. Sie kann durch den validierten IPSS-Fragebogen (International Prostate Symptom Score) unterstützt werden. Als weitere Basisdiagnostik sollten Urin-analyse, laborchemische Kontrollen (Bestimmung von Kreatinin, Harnstoff und der GFR), die Sonografie des oberen und unteren Harntrakts und eine sonografische Restharnbestimmung erfolgen. Ggf. schließen sich PSA-Messung, Uroflowmetrie, Urethrozystoskopie und eine videourodynamische Untersuchung an.

Abrechnung Erstkontakt
EBMLegende Punkte/EuroGOÄ
03004Versichertenpauschale (VS) im 75. Lebensjahr148/17,661 + 6 + 11
03220Zuschlag zur VS nach GOP 03000 für die Behandlung und Betreuung eines Patienten mit mindestens einer lebensverändernden chronischen Erkrankung130/15,51 
33043Sonografische Untersuchung eines oder mehrerer Uro-Genital-Organe mittels B-Mode-Verfahren, je Sitzung82/9,79410 + 420
32033Harnstreifentest auf mindestens fünf der folgenden Parameter: Eiweiß, Glukose, Erythrozyten, Leukozyten, Nitrit, pH-Wert, spezifisches Gewicht, Ketonkörper ggf. einschließlich Kontrolle auf Ascorbinsäure einschließlich visueller oder apparativer Auswertung0,503511
03008Zuschlag zu der VS nach GOP 03000 für die Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins 
 
131/15,63 

Therapie

Empfehlungen zum Management finden sich in der S2e-Leitlinie zu Diagnostik und Therapie des BPS der Deutschen Gesellschaft für Urologie aus dem Jahr 2023. Je nach den Ergebnissen der Basisdiagnostik kann bei Patienten mit LUTS auf der Grundlage einer BPH eine selektive medikamentöse Therapie ins Auge gefasst werden. Infrage kommen verschiedene Wirkstoffgruppen, die einzeln oder in Kombination zur Verfügung stehen. Dies sind α-Antagonisten, β-Agonisten, 5-α-Reduktasehemmer, Muskarinrezeptor-Antagonisten, PDE-5-Inhibitoren und evtl. Phytotherapeutika. Bei den PDE-5-Inhibitoren ist dabei zu berücksichtigen, dass sie auch als sog. Lifestyle-Arzneimittel eingestuft werden und deshalb nicht zulasten der GKV verordnungsfähig sind.

Abrechnung beim Zweitbesuch
EBMLegendePunkte/EuroGOÄ
03221Zuschlag zur GOP 03220 für die intensive Behandlung und Betreuung eines Patienten mit mindestens einer lebensverändernden chronischen Erkrankung40/4,7715
01731Untersuchung zur Früherkennung von Krebserkrankungen beim Mann144/17,1828
01737Ausgabe und Weiterleitung eines Stuhlprobenentnahmesystems für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme (oKFE-RL), inkl. Beratung57/6,80 
03230Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist128/15,281

Der Fall

Der 75-jährige Patient ist in regelmäßiger hausärztlicher Behandlung wegen eines essenziellen Hypertonus und eines Typ-2-Diabetes, der unter Metformin aktuell gut eingestellt ist. Er beklagt, dass er seit einigen Monaten häufig Wasser lassen müsse, unabhängig von der Flüssigkeitsaufnahme. Dies sei verbunden mit einem starken Harndrang bei aber eher verzögertem Einsetzen der Blasenentleerung.

Bei der körperlichen Untersuchung stellen sich keine bisher unbekannten Befunde dar. Die rektale Untersuchung ergibt eine Vergrößerung der Prostata bei glatter Oberfläche. Eine Sonografie zeigt eine mäßiggradige Vergrößerung der Prostata ohne strukturelle Auffälligkeiten. Der Patient wird aufgefordert, eine Urinprobe abzugeben und erhält einen Termin zur Blutentnahme. Wegen des Verdachts auf ein BPS wird ein Termin zur Konsiliaruntersuchung bei einem Urologen innerhalb von einer Woche vermittelt. Nach Vorlage aller Untersuchungsergebnisse soll die Befundbesprechung mit der fälligen Untersuchung zur Früherkennung von Krebserkrankungen beim Mann verbunden werden.

Bei der Urinuntersuchung findet sich eine geringe Beimengung von Erythrozyten und Leukozyten. Die Parameter Kreatinin und Harnstoff sind im Normbereich. Die parallele Bestimmung des HbA1c liegt bei 7,5 %, der auf Wunsch des Patienten durchgeführte PSA-Test ist ebenso wie der iFOBT-Test unauffällig. Bei der urologischen Untersuchung hat sich der Verdacht auf LUTS bei BPS mit einer Restharnmenge von 
100  ml bestätigt.

Da Tamsulosin, Dutasterid und Finasterid eine negative Beeinflussung der diabetischen Stoffwechsellage nach sich ziehen können und die Beschwerden des Patienten noch nicht gravierend sind, erhält er zunächst eine Rezeptur für ein Phytotherapeutikum.

Was es zu beachten gilt:

  • Nach den „Richtlinien für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme“ können sich Männer ab 50 Jahren zwischen einem jährlichen Test auf okkultes Blut im Stuhl (bis 54 Jahre) und zwei Koloskopien im Abstand von zehn Jahren entscheiden. Da bei dem Patienten bereits zwei Koloskopien durchgeführt wurden, kommen die ursprünglichen Früherkennungsmethoden wieder zur Anwendung.
  • Die kurative Beratung nach GOP 03230 wegen der chronischen Erkrankungen und den ggf. zu beachtenden Auswirkungen der neuen Erkrankung ist neben den in den Vorsorgeleistungen enthaltenen Beratungen berechnungsfähig.
  • Die PSA-Bestimmung ist nach dem Laborkompendium der KBV in der GKV im Rahmen der Früherkennung von Krebsuntersuchungen beim Mann nicht berechnungsfähig und kann deshalb als IGeL angeboten werden.
  • Da Phytotherapeutika in der Regel in der GKV nicht erstattet werden, sollte ein „grünes Rezept“ ausgestellt und dem Patienten empfohlen werden, bei seiner Kasse eine Erstattung zu beantragen.

Ausblick Entbudgetierung

Mit der angekündigten Entbudgetierung der hausärztlichen Vergütung kommt im Fallbeispiel als Ersatz für die GOP 03004 und 03220/03221 künftig die Versorgungspauschale zum Ansatz. Sie würde für die insgesamt in diesem Krankheitsfall erbrachten Leistungen im Voraus für vier Quartale gezahlt, wenn es im Folgequartal zu einem weiteren persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt (pAPK) kommt. 

Bei der weiteren Betreuung des Patienten müsste darauf geachtet werden, dass erneut innerhalb von vier Quartalen an zwei aufeinanderfolgenden Quartalen ein pAPK erfolgt, damit der Ansatz der Versorgungspauschale möglich ist. 

Auch die neue Vorhaltepauschale setzt eine solche Kontaktfolge voraus, kann aber trotzdem erst berechnet werden, wenn auch definierte hausärztliche Leistungen, wie beispielsweise eine bei einem über 70 Jahre alten Patienten mögliche geriatrische Versorgung, erbracht werden. Was die hier berechneten Einzelleistungen betrifft, so würden – außer der Sonografie – alle entweder extrabudgetär oder entbudgetiert und damit zu festen Eurobeträgen vergütet.

Medical-Tribune-Bericht