Sozialmedizin Was tun bei Arbeitsunfall oder Berufskrankheit?

Praxisführung Autor: Jürgen Herbers

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Als Hausärzte kommen wir sowohl bei verunfallten Patienten als auch beim Verdacht oder bei der Behandlung von Berufskrankheiten in Kontakt mit der Berufsgenossenschaft (BG). Dabei unterliegen Diagnostik und Therapie strengen Regelungen. Was muss ich als Hausarzt beachten?

Die Grundlagen der gesetzlichen Unfallversicherung sind im SGB VII [1] aufgeführt, das Nähere regelt der Vertrag Ärzte/Unfallversicherer idF vom 29.11.2016 [2].

Definition

Per Definition unterscheidet man zwischen einem Arbeitsunfall und einer Berufskrankheit.

Arbeitsunfall


Zu einem Arbeitsunfall gehören zwei Bedingungen:

  1. Der Unfall selbst: Ein Unfall ist ein von außen auf den Menschen einwirkendes Ereignis. Diese Bedingung fehlt z. B. beim sogenannten "Verheben": Beim Anheben eines schweren Gegenstandes treten akute Kreuzbeinschmerzen auf, ein Bandscheibenvorfall wird diagnostiziert. Auch das Zerreißen beispielsweise der langen Bizepssehnen beim Anheben schwerer Gegenstände ist kein Unfall.
  2. Eine versicherte Tätigkeit: Bei einem Arbeitsunfall muss der Unfall bei der Arbeit oder auf dem direkten Weg dorthin bzw. zurück nach Hause auftreten. Zu den versicherten Personen gehören neben abhängig Beschäftigten auch Selbstständige, soweit sie sich freiwillig bei der Berufsgenossenschaft (BG) versichert haben, Schüler, Studenten, Kindergartenkinder, Arbeitslose (auf dem Weg zur Agentur für Arbeit) oder auch Nothelfer (z. B. Hilfe bei Autopanne eines fremden Menschen). Nicht versichert sind Beamte. Unfälle während der Dienstzeit werden wie Privatunfälle behandelt.

Immer wieder Unklarheit besteht bei Wegeunfällen: Es ist der direkte Hin- und Rückweg, der beim Durchschreiten der Außentür des Wohngebäudes beginnt, versichert. Auch Unfälle beim Gang zum Mittagessen sind versichert, der Schutz endet mit Durchschreiten der Kantinentür. Dasselbe gilt für den Toilettengang.

Berufskrankheit

Berufskrankheiten sind lediglich solche Erkrankungen, welche in der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung [3, 4] aufgeführt sind und für die belegt werden kann, dass sie durch eine versicherte Tätigkeit entstanden sind.

Heilbehandlung oder: Wann muss ich an den "D-Arzt" überweisen?

Wir als Hausärzte dürfen neben der Akutversorgung von Unfallverletzten lediglich solche Unfallpatienten behandeln, die nach Art oder Schwere der Verletzung weder eines besonderen personellen, apparativ-technischen Aufwandes noch einer spezifischen unfallmedizinischen Qualifikation bedürfen und lediglich einen Tag arbeitsunfähig sind und/oder einer Behandlung über maximal eine Woche bedürfen.

In allen anderen Fällen müssen wir die Patienten an einen Durchgangsarzt ("D-Arzt") überweisen. Dieser entscheidet dann, ob der Patient weiterer unfallchirurgischer Facharztbehandlung bedarf (sog. besondere Heilbehandlung), oder ob der Hausarzt im Rahmen der allgemeinen Heilbehandlung weiterbehandeln darf. Erneute Vorstellungspflicht beim D-Arzt besteht, wenn die von ihm festgelegte Arbeitsunfähigkeitszeit überschritten ist.

Ausnahme: Wenn auf dem Durchgangsarztbericht unter "späteste Nachschau" ein späterer Termin vermerkt ist, darf der Hausarzt bis zu diesem Termin Arbeitsunfähigkeit bescheinigen. Schließlich besteht auch Vorstellungspflicht beim D-Arzt, wenn der Patient Heil- oder Hilfsmittel benötigt; diese darf der Nicht-D-Arzt nicht verordnen. Patienten mit Verletzungen an Augen, Ohren oder mit größeren Handverletzungen sollen an den entsprechenden Facharzt und nicht an den D-Arzt überwiesen werden.

Vorgehen bei Berufskrankheiten

Bei Verdacht auf eine Berufskrankheit ist entweder sofort eine entsprechende Meldung an die BG zu machen oder unmittelbar an einen entsprechenden Facharzt (z. B. Dermatologe) zu überweisen. Die BG entscheidet dann, ob tatsächlich eine Berufserkrankung vorliegt und ab wann die Behandlung zulasten der BG durchzuführen ist.

Häufige Berufskrankheiten, mit denen primär der Hausarzt zu tun hat und bei denen nicht immer der Zusammenhang mit der früheren Arbeit offensichtlich ist, sind z. B. Blasenkrebs bei Umgang mit Lösemitteln oder Katarakt bei Patienten, die Wärmestrahlen ausgesetzt waren (z. B. Gießer). Häufig kommen Asthma bei Bäckern, Kontaktekzem in der Pflege oder bei Friseuren und Pleuramesotheliom bei Asbestbelastung vor.

Weitere Pflichten des Hausarztes

Wenn der Verunfallte nicht dem D-Arzt vorgestellt werden muss, ist spätestens am nächsten Werktag ein Unfallbericht an die BG zu versenden. Wenn der Patient im Rahmen der allgemeinen Heilbehandlung zum D-Arzt überwiesen wird oder von diesem zu uns überwiesen wird, so ist kein Unfallbericht zu erstellen (er wird auch nicht bezahlt). Rezepte für BG-Patienten sind zuzahlungsbefreit.

Besonderheiten

Entlassung aus dem Krankenhaus

Wenn ein Patient wegen eines Unfalls stationär behandelt wurde, liegt IMMER besondere Heilbehandlung vor. Patienten kommen dann oft zu uns zur Weiterbehandlung oder zumindest zur weiteren Verordnung von Schmerzmitteln oder Heparin-Spritzen. Teilweise werden sie auch von den Krankenschwestern der Station oder den Stationsärzten zu uns geschickt, da das Wissen um die Regelungen der BG nicht weit verbreitet ist. Auf keinen Fall dürfen wir behandeln und verordnen, sondern müssen den Patienten zum D-Arzt oder zur ambulanten Weiterbehandlung ans Krankenhaus verweisen.

Verordnung von Heilmitteln

Patienten mit dauerhaften Folgen eines Unfalls (z. B. Tetraplegie) oder einer Berufskrankheit (z. B. Pleuramesotheliom) benötigen teilweise regelmäßig Heilmittel, aber eine gebietsärztliche Behandlung im eigentlichen Sinne ist nicht mehr nötig oder möglich (Gebietsarzt macht keine Hausbesuche). Nach schriftlicher Genehmigung der BG darf der Hausarzt dann Heilmittel rezeptieren.

Verordnung von Medikamenten bei besonderer Heilbehandlung

Prinzipiell dürfen wir im Rahmen der besonderen Heilbehandlung den Patienten nicht wegen seiner Erkrankung behandeln oder Medikamente verordnen. Es kommt manchmal vor, dass bei starken Schmerzen Opiate notwendig sind und die behandelnden Fachärzte keine BTM-Rezepte haben und sich auch keine zulegen möchten. Mit schriftlicher Genehmigung der BG kann dann auch der Hausarzt entsprechende Rezepte zulasten der BG rezeptieren.

Berichtspflicht

Die BG kann bei längerem Verlauf Berichte von den behandelnden Ärzten anfordern; für fast jeden Bericht gibt es ein in der Praxissoftware hinterlegtes Formular, für das auch Abrechnungspositionen vereinbart sind. Vertragsärzte sind verpflichtet, einen Bericht binnen drei Tagen zu erstellen.

Quellen

1. https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_7/SGB_7.pdf

2. http://www.kbv.de/media/sp/Vertrag_Aerzte_Unfallversicherungstraeger.pdf

3. http://www.gesetze-im-internet.de/bkv/index.html

4. http://www.gesetze-im-internet.de/bkv/anlage_1.html


Autor:
Facharzt für Allgemeinmedizin, Sozialmedizin, Sportmedizin, Ernährungsmedizin (DAEM/DGEM)
Naturheilverfahren und Palliativmedizin
74385 Pleidelsheim



Sozialmedizin

Bisher in dieser Serie erschienene Beiträge finden Sie hier.

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (17) Seite 66-68
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.