Versorgungsgesetz Forderungen nach mehr Geld

Niederlassung und Kooperation Autor: Michael Reischmann

Eine konsequente Strukturreform der stationären Versorgung sollte das Ziel sein. Eine konsequente Strukturreform der stationären Versorgung sollte das Ziel sein. © Iryna – stock.adobe.com

„Sie stellen die Anträge, wir setzen um.“ Diese Aussage der beiden Vorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes quittierten die Delegierten mit Applaus. Schließlich klappte das beim GVSG ganz gut. Also wurden 40 neue Beschlüsse mit Forderungen an Verbandsspitze, Politik und Organisationen der Selbstverwaltung gefasst.

Nicht ohne Stolz wies die Vorsitzende Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth auf die Erfolge des HÄV beim geplanten Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) hin. Das wurde zwar in Berlin – parallel zur HÄV-Delegiertenversammlung in Leipzig – in einer neuen, geschrumpften Entwurfsversion veröffentlicht. Die zentralen Elemente, die vom HÄV hartnäckig gefordert werden, sind aber weiterhin darin enthalten: die Entbudgetierung der hausärtzlichen Honorare, Jahres- und Vorhaltepauschale, der HzV-Bonus und die Bagatellgrenze für Arzneiregresse.

Dem HÄV ist es wichtig, dass der Gesetzgebungsvorgang zügig startet und abgeschlossen wird, solange es die Ampel noch gibt. Natürlich bestehe Nachbesserungsbedarf an dem Gesamtpaket – Prof. Buhlinger-Göpfarth spricht von „Nachsalzen“ –, doch die Richtung des Entwurfs stimme. Der Verband wird sich in den Feinschliff einbringen.

Konstruktive Vorschläge helfen mehr als Panikmache

Beispielsweise sei unklar, welche und wie viele Kriterien eine Hausarztpraxis künftig erfüllen muss, um als Versorgungspraxis von der Vorhaltepauschale profitieren zu können. Berechnungen zu den möglichen Auswirkungen der Reform seien wichtig, sagte Bundesvorsitzender Dr. Markus Beier. Doch sollten damit nicht Ängste geschürt werden, sondern konstruktive Vorschläge verbunden sein – so sein Seitenhieb auf ein warnendes Schreiben von KBV und KVen, basierend auf Zahlen ihres Zentralinstituts.

Ein Berufsverband müsse über Geld reden, so Dr. Beier, über viel Geld. Dabei denkt er nicht nur ans GSVG, sondern auch an weitere Maßnahmen, z.B. EBM-Änderungen. Dementsprechend fassten die Delegierten viele Beschlüsse, die mit Geldforderungen verbunden sind.

Zum einen geht es um die „Rettung“ jetziger Praxen und den perspektivischen Umbau der hausärztlichen Versorgung zu Teampraxen bzw. primärärztlichen Versorgungszentren (PVZ). Zum andern muss auch für genügend Nachwuchs in der Niederlassung gesorgt werden. Zwar konnte mit dem Förderprogramm Allgemeinmedizin in den letzten zehn Jahren die Zahl der Facharztanerkennungen um 57 % gesteigert werden. „Die altersbedingten Abgänge aus dem hausärztlichen Bereich können aber dadurch nicht kompensiert werden“, stellt der HÄV fest.

Die Absicht des Bundesgesundheitsministers, Tausende zusätzlicher Medizinstudienplätze zu fördern – die im jüngsten GVSG-Entwurf nicht mehr enthalten ist –, stärke nur dann die hausärztliche Versorgung, wenn sich mehr Studierende für die Allgemeinmedizin entscheiden. Deshalb fordert der Verband:

  • Umsetzen des Masterplans 2020 (Reform der ÄApprO), 
  • Stärkung der Hausarztpraxis als zentralem Ort für die primärmedizinische und koordinierende Versorgung der Patienten und 
  • Ermöglichen von PVZ wie im HÄPPI-Konzept des HÄV beschrieben (der halbjährige Testballon mit zehn Praxen startet im Juli in Baden-Württemberg).

Dazu passend bitten die Delegierten den Gesamtvorstand, bis zum Hausärztetag im September 2024 ein umfassendes Konzept vorzulegen zum Berufsbild der Primary Care Managerin (PCM, ehemals: „Akademisierte VERAH“). Beinhalten soll das Förderangebote wie Stipendien und Reisezuschüsse des Bundesverbandes bzw. der Landesverbände.

Außerdem ist den Delegierten an der Evaluation der Tätigkeit der ersten Absolventinnen des berufsbegleitenden Bachelorstudiums gelegen, das die FOM-Hochschule in Kooperation mit dem HÄV seit September 2022 für MFA anbietet. Im Wintersemester 2024/25 werden die ersten Abschlussarbeiten abgelegt.

Akademisierte MFA mehr ins Rampenlicht rücken

Auch über eine Werbekampagne für das Studium soll nachgedacht werden. „Diese ‚hausärztlichen‘ Physician Assistants (PA) werden eine wesentliche Rolle bei der Umsetzung sog. Teampraxen-Modelle und für die Etablierung des HÄPPI-Konzepts spielen“, heißt es in der Antragsbegründung. Derzeit fehle es aber an der öffentlichen Sichtbarkeit dieser qualifizierten Fachkräfte.

Die Mittel für die Transformation von Praxen zu PVZ und deren Angebote haben Politik bzw. Krankenkassen zusätzlich zur bisherigen Finanzierung bereitzustellen. PVZ-Mindeststandard sei eine Hausärztin/ein Hausarzt mit vollem Versorgungsauftrag und eine Mitarbeiterin mit mindestens dreijähriger Berufserfahrung in einer Hausarztpraxis und einem PCM- oder PA-Studium.

Völlig realitätsfremd findet der HÄV dagegen die Öffnung stationärer Strukturen für die hausärztliche Versorgung, wie im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz vorgesehen. Aufgrund ihrer Personaldefizite seien die Kliniken nicht in der Lage, zusätzliche Aufgaben zu stemmen. Eine Ermächtigung für den hausärztlichen Bereich sei – wenn überhaupt – nur in unterversorgten Gebieten zeitlich begrenzt und abhängig vom Versorgungsgrad zuzulassen.

Gleichwohl ist der HÄV für eine konsequente Strukturreform der stationären Versorgung. Der Gesetzgeber soll diese zügig umsetzen. Die bei der Ambulantisierung stationärer Leistungen für den hausärztlichen Bereich entstehende Mehrarbeit ist durch eine zusätzliche extrabudgetäre Vergütung zu honorieren. Auch soll in regionalen Projekten erprobt werden, ob es sinnvoll ist, dass Hausärzte die Mitbetreuung kurzstationärer Einrichtungen übernehmen.

„Wir können unsere Feste selbst bezahlen“

„Zukünftige Mitgliederversammlungen unseres Verbandes sollen möglichst auf Pharmasponsoring verzichten.“ Nach kontroverser Diskussion kam eine Mehrheit mit 54 Stimmen für diesen Antrag des Bremer Hausarztes Holger Schelp zustande. Die Begründung des Antragstellers: „Sponsoring erschafft ungewollte Verpflichtungen und ggf. Abhängigkeiten ... Wir können unsere Feste selbst bezahlen und möchten es der DEGAM gleichtun: www.degam.de/pharmafrei. (Und wenn das Geld nicht reicht, wird es halt schlichter.)“

Entscheidend für die Zustimmung war wohl die Formulierung „sollen möglichst“. Damit bleibe es dem jeweiligen Landesverband überlassen, der die Frühjahrstagung organisiert, ob und mit welchen Sponsoren er die Veranstaltung fremdfinanziert, lautete eine Interpretation. Die diesjährige Tagung in Leipzig, die mit einem Gesellschaftsabend in der Tropenhalle des Zoos für einen bleibenden Eindruck sorgte, war laut Einladungsflyer von sieben Unternehmen, davon vier aus der Pharmaindustrie, unterstützt worden.

An der Ausgestaltung der Reform der Notfallversorgung auf Bundes- wie Landesebene will der HÄV beteiligt werden. Und gemeinsam mit der AG Klima erarbeitet der Vorstand ein Papier, das Städte und Gemeinden aus hauärztlicher Sicht bei der Gestaltung von Hitzeaktionsplänen unterstützt. Hinzu kommt ein Positionspapier „KI in der hausärztlichen Praxis“ der AG Digitales.

Obwohl der HÄV in der Digitalisierung viel Potenzial für die Praxisführung sieht, beklagt die AG vor allem Unerfreuliches. Immer wieder sorgen Ausfälle in der Telematikinfrastruktur (TI) in den Praxen für Verdruss. Und auch mit PVS-Anbietern ist man unglücklich. Der Gesetzgeber müsse jetzt die „schwarzen Schafe“ der IT-Branche schärfer in den Blick nehmen. „Sie sind inzwischen einer der größten Digitalisierungsverhinderer des Gesundheitswesens“, äußern sich die beiden Bundesvorsitzenden in einer Pressemitteilung. 

Zu viele Systeme seien „de facto nicht in der Lage“, die Anwendungen der TI, wie E-Rezept, eAU und künftig die ePA, „praxistauglich umzusetzen“. Die Forderung: „Es braucht mehr Kontrolle und die Möglichkeit, empfindliche Geldstrafen zu verhängen, wenn Systeme immer wieder versagen. Der letzte Schritt muss dann der Entzug der Zulassung sein.“

TI-Komponenten dürfen nicht flächendeckend ausfallen

Vom Gesetzgeber und der Gematik verlangen die HÄV-Delegierten: Flächendeckende Ausfälle von TI-Komponenten müssen vollständig unterbunden werden! Die Einführung künftiger digitaler Massenanwendungen bedarf ausreichender Erprobungsphasen! Es sind die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass für Patienten in Pflegeheimen oder mit ambulanten Pflegediensten die Zuweisung des E-Rezepts technisch und rechtlich möglich wird. In der elektronischen Patientenakte sollen Medikationsliste und Medikationsplan zeitgleich angeboten werden.

Ungnädig ist der HÄV mit den Digitalen Gesundheitsanwendungen. Deren Zulassung soll erst nach dem Nachweis einer wissenschaftlichen Evidenz entsprechend den Zulassungskriterien von Arzneimitteln sowie zeitlich begrenzt erfolgen. Die verhandelten Erstattungsbeträge müssten ab dem ersten Tag der Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis greifen – und das mit einer Obergrenze von 150 Euro pro Quartal.

Quelle: Frühjahrstagung des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes